Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Recht und Steuern > Übersicht

Bürokratie: Mittelstand leidet unter Aufwand und Kosten

Unternehmer kritisieren überzogene Dokumentations- und Nachweispflichten, während die Politik immer wieder verspricht, die Bürokratie abzubauen. Sind Erstere einfach chronisch unzufrieden, oder halten Letztere ihre Versprechen nicht? Ein Überblick.

In Peter Altmaiers im Spätsommer 2019 vorgestellter Mittelstandsstrategie durfte ein Versprechen nicht fehlen: Bürokratieabbau. „Wir werden zügig ein Bürokratieentlastungsgesetz III auf den Weg bringen, das kleine und mittlere Betriebe um mehr als eine Milliarde Euro entlastet“, heißt es in dem Strategiepapier dazu.

So, wie es in der Politik dazugehört, den Abbau von Bürokratie zu versprechen, gehört es unter Unternehmern dazu, sich darüber zu beschweren, dass das de facto nicht passiert. Es scheint, als sei es trotz der bisherigen Bürokratieentlastungsgesetze aus den Jahren 2015 und 2017 immer schlimmer geworden ist.

Aber wie schlimm steht es wirklich um die Bürokratie? Welche Berichte und Zahlen müssen Mittelständler vorlegen, was kostet sie die Bewältigung der Vorgaben? Und was ließe sich verbessern?

Definition: Was ist Bürokratie?

Der Soziologe Max Weber bezeichnete in seinem Hauptwerk „Wirtschaft und Gesellschaft“ vor beinahe hundert Jahren Bürokratie als die „rationale“ Form der „legalen Herrschaft“. Er zählt unter anderem die Trennung von Amt und Person, die Neutralität des Verwaltungshandelns und die Schriftlichkeit der Verwaltung zu deren Eigenschaften.

Konkret meinen die meisten Unternehmer, wenn sie sich über Bürokratie beschweren, häufig für sie nicht nachvollziehbare Dokumentations- und Nachweispflichten. So sind fast alle Unternehmen in Deutschland verpflichtet, ihren Jahresabschluss im Bundesanzeiger zu veröffentlichen oder zumindest zu hinterlegen. Das macht nicht nur Arbeit und verursacht dadurch Kosten. Es läuft auch dem Wunsch vieler Unternehmer zuwider, möglichst wenig über das Geschäft preiszugeben.

Bürokratie: die Situation in Deutschland

„Der Kampf mit der Flut der Formulare kostet die deutsche Wirtschaft jährlich mehr als 50 Milliarden Euro“, schrieb Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft, im Juli 2019 in einem Gastbeitrag für „Markt und Mittelstand“. „Allein aus Bundesgesetzen resultieren 10.000 Informationspflichten.“ Diese Zahlen unterscheiden sich zwar von Unternehmen zu Unternehmen, doch auch und gerade kleine Unternehmen ächzen unter der Last der Auskunftspflichten.

Die generelle Auskunftspflicht für Unternehmen ist dabei in Paragraph 15 des Gesetzes über die Statistik für Bundeszwecke geregelt. Welche Zahlenreihen erhoben werden, definieren eigene Gesetze. Vereinfacht gesagt, bereitet das Statistische Bundesamt die Erhebungen methodisch vor, die Bundesländer und die dortigen 14 Statistischen Landesämter sammeln die Daten ein. Die Auswertung erfolgt über einen gemeinsamen Algorithmus. Die so entstandenen Statistiken können Unternehmen später kostenfrei nutzen, beispielsweise um Marktchancen für sich zu evaluieren, für einen Wettbewerbsvergleich innerhalb ihrer Branche oder für die Ausrichtung der zukünftigen Strategie.

Ob das die (Personal-)Kosten, die die Erfüllung der Auskunftspflichten entstehen, wieder reinholt, darf bezweifelt werden. Petra Krenn, Geschäftsführerin von OD Ottweiler Druckerei und Verlag, berichtet von einer Arbeitsbelastung von 25 Manntagen. Und sie sagt: „Das Schlimme aber ist, dass der Aufwand dafür in den vergangenen Jahren immer größer wurde. Zu den bestehenden Dokumentationspflichten kommen immer wieder neue dazu.“

Ein Beispiel, das bei Gesprächen zum Thema Bürokratie in den vergangenen Jahren immer wieder genannt wurde, ist die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Denn Geschäftsführer mussten nicht nur ihre Mitarbeiter schulen und diese Schulungen nachweisen, sondern auch Verträge mit ihren Kunden ändern oder neu erstellen.

Verschärft die Bürokratie den Fachkräftemangel?

Im Kampf gegen den Fachkräftemangel fühlen sich viele Unternehmer von der Bürokratie ausgebremst. So beklagt fast jedes Unternehmen, das in den vergangenen Jahren Flüchtlinge eingestellt hat, bürokratische Hindernisse. Diese ergeben sich aus allen möglichen Regelungen von der Dublin-II-Verordnung, die regelt, dass das EU-Land für einen Asylsuchenden zuständig ist, in dem dieser zuerst registriert wurde, bis zur Vorrangprüfung, in der geschaut wird, ob es für die zu besetzende Stelle keinen einheimischen Bewerber gebe. Und selbst wenn alles klappt: Bis zur Erteilung einer Arbeitserlaubnis kann es lange dauern – und viel Energie aller Beteiligten verlorengehen.

Selbst bei eigentlich unternehmerfreundlichen Gesetzesvorhaben wie dem lange geforderten Fachkräfteeinwanderungsgesetz befürchten Kritiker mehr Aufwand. Der Gesetzentwurf selbst beziffert die Bürokratiekosten auf 5,6 Millionen Euro jährlich, weil Unternehmen zum Beispiel ein frühzeitiges Ausscheiden des eingewanderten Arbeitnehmers noch einmal melden müssen.

Bürokratie im Ausland

Deutschland ist nicht das einzige Land, in dem es die Bürokratie Unternehmern vermeintlich schwermacht. Auch in anderen Ländern gibt es Pflichten und Regelungen, die gut gemeint sind, aber eben auch für zusätzliche Bürokratie sorgen. So ist Südafrika einer der wichtigsten Absatzmärkte auf dem afrikanischen Kontinent. Doch rechtliche Vorgaben wie das B-BBEE-Gesetz, das die Folgen der jahrzehntelangen Apartheidspolitik abschwächen soll, erschweren ausländischen Unternehmen mit Produktion vor Ort das Leben.

Innerhalb der EU gilt eigentlich Waren- und Arbeitnehmerfreizügigkeit. Doch bei der Entsendungen von Mitarbeitern vom Heimatstandort zu einem Kundeneinsatz im EU-Ausland wird es schon wieder komplizierter.

Gehen Waren statt Menschen ins Ausland, müssen deren Hersteller hochbürokratisch nachweisen, dass sie dort nur zivil eingesetzt werden. All diejenigen Produkte und Komponenten, die theoretisch in Waffensystemen oder militärischem Gerät eingesetzt werden könnten, fallen unter Dual-Use-Regelungen.

Wieso brauchen wir so viel Bürokratie?

In den meisten Fällen gibt es für die Einführung bürokratischer Hürden einen legitimen Grund. Etwa: Deutschland will den internationalen Terror nicht unterstützen. Gegen Ziele wie dieses haben Gegner der Bürokratie daher auch eigentlich nichts einzuwenden. Auch Druckerei-Geschäftsführerin Petra Krenn spricht sich nicht grundsätzlich gegen die Datensammlung durch die statistischen Ämter aus. Sie fordert lediglich, dass sich der Aufwand für Unternehmen in Grenzen halten sollte.

Vorratsdatenspeicherung: Mehr Bürokratie – und rechtsstaatlich umstritten

Die Vorratsdatenspeicherung ist seit Jahren umstritten. Kritiker sagen, dass die anlasslose flächendeckende Speicherpflicht von Verkehrs- und Standortdaten zur Kriminalitätsabwehr gegen europäische und deutsche Grundrechte verstößt. Sebastian von Bombhard ist einer dieser Kritiker. Der Vorstand des mittelständischen Anbieters von Hosting- und Outsourcing-Lösungen  für Anwendungen wie Onlineshops und Unternehmensclouds, klagt daher gegen die Vorratsdatenspeicherung, die seiner Meinung nach auch zu mehr Bürokratie und mehr Kosten führt. Die zusätzlichen Kosten wären „neben dem Strompreis hierzulande eine weitere Wettbewerbsverzerrung beispielsweise gegenüber den USA“, sagt Bombhard.

Der Artikel wurde am 11. September 2019 erstellt und zuletzt am 7. November 2019 aktualisiert.

Ähnliche Artikel