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Recht und Steuern > Betriebsprüfungen

Finanzämter kontrollieren Mittelständler häufiger

Wenn das Finanzamt in die Bücher sehen will, sind viele Mittelständler genervt und fühlen sich unter Generalverdacht gestellt. Dabei sind Betriebsprüfungen kein Grund zur Panik – solange Unternehmer ein paar Regeln beachten.

Viele Unternehmen, bei denen der Betriebsprüfer vor der Tür steht, haben ein mulmiges Gefühl – und das nicht ganz zu Unrecht: „Immer mehr berichten uns davon, dass Betriebsprüfer strenger geworden sind und die Mängel auch rigider ahnden“, sagt Guido Vogt, Referatsleiter Internationales Steuerrecht und Verfahrensrecht des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen werden heute viele mittelständische Unternehmen bei der Prüfung mit großen Unternehmen in einen Topf geworfen. „Ab einem Jahresumsatz von 4,8 Millionen Euro prüfen wir häufiger und tiefer“, bestätigt Franz Hruschka, Leiter der Abteilung Betriebsprüfung beim Finanzamt München. Zum anderen können die Prüfer heutzutage die Unternehmenszahlen schneller und umfassender mit Markt- und Branchendatenbanken abgleichen und auf diese Art ungewöhnliche Abweichungen entdecken.

So mancher Firmeninhaber fühlt sich bei solch einer Durchleuchtung unter Generalverdacht gestellt. Dabei gilt auch weiterhin: „Wer die Vorschriften akkurat umsetzt, hat eigentlich nichts zu befürchten“, sagt Christoph Mentz, Geschäftsführer des Datendienstleisters Mentz. Wenn er vollständige und gut aufbereitete Unterlagen vorlegen könne und dem Prüfer zudem einen Arbeitsplatz zur Verfügung stelle, signalisiere der Unternehmer Kooperationsbereitschaft. Eine Rolle spiele zudem, ob das Unternehmen bei den vergangenen Betriebsprüfungen negativ aufgefallen sei.

Zugang zum IT-System

Wie oft sich das Finanzamt zur Betriebsprüfung anmeldet, hängt vom Jahresumsatz und vom Gewinn des Unternehmens ab: Sobald ein Fertigungsbetrieb mehr als 4,8 Millionen Euro umsetzt und einen steuerlichen Gewinn von über 280.000 Euro erwirtschaftet, gilt er nach den Abgrenzungsmerkmalen der Finanzbehörden als Großbetrieb – mit spürbaren Folgen. „Bei solchen Betrieben sollte jedes Jahr eine Prüfung erfolgen“, erklärt Finanzbeamter Hruschka. „Häufig prüfen wir in Form von Anschlussprüfungen die letzten vier abgegebenen Steuererklärungen.“

Wenn der Prüfer zweimal klingelt:

 

Mit Ankündigung

Für die normale Betriebsprüfung und die meisten anderen Prüfungen, die die Abgabenordnung vorsieht, muss sich der Betriebsprüfer vorher ankündigen. Die Vorlaufzeit beträgt dabei zwei bis vier Wochen.

 

Regelmäßige Prüfung

Großbetriebe, die im Jahr mehr als 4,8 Millionen Euro umsetzen, verbundene Unternehmen und Konzerne sollen jährlich geprüft werden. Mittelbetriebe, die weniger als 4,8 Millionen Euro Jahresumsatz machen, müssen nur einmal pro Dekade mit einem Besuch rechnen.

 

Ohne Ankündigung

Nicht ankündigen muss das Finanzamt die Lohnsteuer-Außenprüfung, die Umsatzsteuer-Sonderprüfung, die Umsatzsteuer-Nachschau und seit diesem Jahr auch die Kassenprüfung. Dasselbe gilt, wenn der Verdacht einer Steuerstraftat besteht.

 

Sonderprüfungen

Bei Sonderprüfungen können die Anschlussprüfungen auch weiter zurückreichen als die üblichen vier Jahre bei Großbetrieben und drei Jahre bei Mittelbetrieben.

Kleinere Unternehmen werden deutlich seltener geprüft. 2013 – aus diesem Jahr stammen die letzten veröffentlichten Zahlen des Bundesfinanzministeriums zu Betriebsprüfungen – durchleuchteten Beamten nur rund alle 15 Jahre den einzelnen Betrieb. Mittlerweile steht eine Prüfung etwa alle zehn Jahre an, wie ein Prüfer, der nicht namentlich genannt werden will, gegenüber „Markt und Mittelstand“ sagte. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums wurden 2016 gut 6 Prozent aller „Mittelbetriebe“ geprüft. Bei Großbetrieben lag die Quote mit 21,4 Prozent deutlich höher.

Arbeitsplatz für Prüfer

Mit einem Umsatz von rund 20 Millionen Euro gilt auch der Datendienstleister Mentz als Großbetrieb. Etwa alle drei Jahre bekommt das Münchener Unternehmen Besuch von einem Mitarbeiter des Finanzamtes. Was dann zu tun ist, erklärt Geschäftsführer Christoph Mentz: „Wir holen die jeweiligen Akten aus unserem Lager, räumen dem Prüfer einen Schreibtisch frei und richten ihm einen Zugang zu unseren IT-Systemen ein.“

Was sich wie Kleinigkeiten anhört, ist durchaus relevant: „Mit solchen Mitteln schafft das Unternehmen eine gute Atmosphäre und zeigt, dass es kooperiert“, erklärt DIHK-Steuerexperte Vogt. Ob das Unternehmen willens sei, lasse sich auch daran ablesen, wie gut die Steuerunterlagen aufbereitet seien. „Die Unternehmen sollten immer bedenken, dass sich eine individuelle Ordnung einem Außenstehenden nicht sofort erschließt. Je nachvollziehbarer die Ablage ist, desto günstiger ist es“, weiß Franz Hruschka. Unter anderem, um das sicherzustellen, setzt Mentz zertifizierte Produktions- und Prozesssysteme im Rahmen der ISO 9001 ein. „Unsere Abläufe sind vom Angebot über die Herstellung bis zur Lieferung und Rechnung leicht nachvollziehbar und gut dokumentiert“, erklärt der Firmenchef.

Keine Geheimnisse mehr

Zu den steuerrechtlich relevanten Unterlagen zählen vor allem die Buchführung, Belege, Aufzeichnungen zur Bank und zur Kasse sowie die Jahresabschlussunterlagen, aber auch Verträge, wie Miet-, Gesellschafts-, Geschäftsführer- und Darlehensverträge. Private E-Mails können hingegen beiseitegelassen werden.

Besonders genau unter die Lupe nehmen die Prüfer des Finanzamtes die Finanzbuchhaltungs-, Lohnbuchhaltungs- und Kassensysteme sowie die daraus resultierenden Daten, die für die Berechnung der Unternehmenssteuern relevant sind. Darüber hinaus kontrollieren sie aber auch Nebensysteme, etwa die Produktions- und ERP-Steuerungssysteme oder Warenwirtschaftssysteme. „Die Prüfer dürfen sich mittlerweile fast alle betrieblichen Systeme ansehen“, erklärt Vogt.

 

Häufig verwenden die Finanzbeamten sogar ein eigenes Risikomanagementsystem. „Dieses checkt automatisch anhand von Branchendaten, ob die eingegebenen Daten plausibel sind oder ob der Umsatz zum Wareneinsatz passt“, erläutert der Steuerexperte. Dafür lädt der Steuerprüfer einzelne Sachkonten im System hoch und sucht mit Schlagworten gezielt nach fehleranfälligen Angaben. Dazu zählen typischerweise Posten wie Dienstwagen, Geschäftsführergehälter, Betriebsveranstaltungen oder Verrechnungspreise. Mentz betreibt Tochterfirmen in Österreich, der Schweiz, England und Australien. „Bei der Festsetzung der internen Verrechnungspreise setzen wir die steuerrechtlichen Anforderungen akkurat um, die verlangen, dass sie angemessen und marktüblich sind“, erklärt der Firmenlenker.

Im Vorfeld Prüfung durchspielen

Gerade international tätige Unternehmen sollten Ausreißer in ihren Zahlen vermeiden, da sie erweiterte Informationspflichten haben. Neben den inländischen Steuerregeln müssen sie nicht nur die Vorgaben ihres Heimatlandes erfüllen, sondern auch diejenigen des Landes, in dem sie operativ tätig sind. „Deshalb besucht sowohl ein deutscher Betriebsprüfer als auch ein ausländischer Finanzkontrolleur das Tochterunternehmen“, sagt DIHK-Experte Vogt.

Um etwas Sicherheit zu gewinnen, ob die errechneten Zahlen im grünen Bereich liegen, nutzen immer mehr Unternehmen IDEA-Software (Interactive Data Extraction and Analysis), die ursprünglich vom kanadischen Rechnungshof entwickelt wurde. Unternehmer können damit eine Betriebsprüfung im Vorfeld durchspielen und sich auf Nachfragen des Betriebsprüfers besser vorbereiten. „Eine solche Simulation zeigt alle Aspekte auf, die zu Diskussionen führen können“, erklärt Vogt.

Ob Unternehmer ordnungsgemäß gebucht und ihre Steuern in der vorgeschriebenen Höhe abgeführt haben, erkennen die Spezialisten vom Finanzamt erfahrungsgemäß schnell. Bei Mentz etwa musste einer der Mitarbeiter, der jahrzehntelang ohne Fahrtenbuch auskam, nach einer Prüfung nun einen solchen Nachweis führen – obwohl sich nichts geändert hatte.


Dieser Text gehört zu einem Thema aus der Markt-und-Mittelstand-Ausgabe 06/2018. Hier können Sie das Heft bestellen und „Markt und Mittelstand“ abonnieren.