
Was auf den ersten Blick aussieht wie ein und dasselbe Produkt, stellt sich bei genauerem Betrachten manchmal als etwas anderes heraus. Original und Plagiat lassen sich heute oft nur noch von Kennern auseinanderhalten.
Jedes Jahr zeichnet die Aktion Plagiuarius die zehn dreistesten Beispiele am Rande der Konsumgütermesse „Ambiente“ in Frankfurt aus. Das Ziel: Sensibilisieren. Denn es handelt sich längst um kein Kavalierdelikt mehr.
Fälschung oder Plagiat
Der erste Preis ging dieses Jahr nicht an ein Plagiat, sondern an eine Fälschung. Der Unterschied besteht darin, dass eine Fälschung weitreichender ist. Die „prämierte“ Fälschung der Roll-Hundeleine „Flexi“ des deutschen Mittelständlers Flexi Bogdahn International aus Bartgeheide wird über Amazon USA verkauft. Der bisher nicht bekannte Hersteller hat neben dem Design des Originals auch das Logo und selbst die Garantiebescheinigung 1:1 kopiert. Da er täglich den Account wechselt, konnte der Überltäter bisher nicht dingfest gemacht werden.
Den zweiten Preis gab es für die Fälschung des Bürostuhls „Silver“, der im Original von Interstuhl Büromöbel in Meßstetten-Tieringen hergestellt wird. Ein chinesisches Unternehmen hat den Stuhl“ fast identisch auf den Markt gebracht. Weil das Produkt bereits seit zehn Jahren erhältlich ist und damals kein Patent angemeldet wurde, kann Interstuhl kaum etwas dagegen tun.
Anders bei den Druckmessgeräten von Wika (Platz 3). Die wurden zwar gleich mehrfach kopiert. Aber das Unternehmen konnte wirkungsvoll dagegen vorgehen, weil es Patente in China und Vietnam angemeldet hatte.

Fälschung (rechts): Diverse anonyme Online-Anbieter, die über Amazon USA mit Scheinidentitäten und täglich wechselnden Accounts agieren. Die minderwertige Qualität (z.B. die nicht funktionierende Aufrollmechanik) führte in den USA bereits zu Kundenbeschwerden und Reputationsschäden.

Plagiat (rechts): Shenzhen Chunshan Trading Co. Ltd., Shenzhen, VR China

Herstellung (Plagiat): Ma Anshan Exact Instrument Co., Ltd., VR China<br>
Vertrieb (Plagiat): Buu Ky, Ho Chi Minh City, Vietnam<br>
2015 wurden bei Buu Ky im Rahmen einer Razzia durch die Economic Police „Wika”-Fälschungen beschlagnahmt; 2016 fand man in einer 2. Razzia die „Vika“-Fälschungen, bei denen teilwesie nur der vordere Teil des „W“ weggekratzt und teils das „W“ gegen ein „V“ getauscht wurde.

Plagiat (rechts): Vertrieb über einen Basarhändler in Dubai, VAE Vereinigte Arabische Emirate<br>
Der Nachahmer kopiert das Design der Isolierkanne „Ciento“ von Helios, vertreibt diese Kopie aber weder unter eigener Marke noch unter „Helios“, sondern benutzt illegal die Schweizer Marke „Zepter“ der Firma Zepter International - er kombiniert also das Design mit der Marke zweier unterschiedlicher Unternehmen. Zudem besteht keine Verbindung zwischen „Zepter“ und „Prima Germany“. Wer sich hinter „Prima Germany“ verbirgt, ist unbekannt.

Plagiat (rechts oben): Taizhou Ranbo Sanitary Ware Co., Ltd., Zhejiang, VR China<br>
Plagiat (rechts unten): Heshan Khone Sanitary Ware Technology Co., Ltd., Zhejiang, VR China

Plagiat (rechts): Rukka AG, Tübach, Schweiz, Vertrieb des Plagiats ausschließlich in der Schweiz

Plagiate (rechts): VR China (Herstellung), Tokyo 1, Japan Houseware, Indonesien (Vertrieb)

Plagiat (rechts): Merkur trgovina, d.d., Naklo, Slowenien

Plagiat (rechts): YDD Trade s.r.o., Prag, Tschechien

Fälschung (rechts): AliExpress.com, Chinesischer Online-Händler, Identität unbekannt
Nicht mehr nur aus Fernost
Traditionell sitzen viele der Plagiatoren in Fernost. Von den insgesamt zehn Plagiaten stammten auch in diesem Jahr vier aus China, eins aus Indonesien, eins aus Tschechien sowie eins aus Slowenien. Bei den übrigen war es nicht festzustellen. Eine andere Erfahrung machte allerdings der dänische Bekleidungshersteller Mascot: Seine Pilotjacke wurde nicht von einer asiatischen Hinterhoffabrik gefertigt, sondern von einem Schweizer Markenhersteller. „Seit Jahren befinden sich auch immer mehr europäische Firmen unter den Nominierten. Häufig stammen der Originalhersteller und der vermeintliche Plagiator sogar aus demselben Land“, sagt Christine Lacroix von der Aktion Plagiarius.
Nur ein Bruchteil beschlagnahmt
Was einst als laienhafte Kopierversuche in Hinterhof-Werkstätten begann, habe sich in Zeiten von Internet und Globalisierung zu einer weltweit vernetzten und professionell agierenden Fälschungsindustrie entwickelt. Laut EU-Kommission hat der Zoll allein 2015 mehr als 40 Millionen rechtsverletzende Produkte im Wert von 650 Millionen Euro an den EU-Außengrenzen beschlagnahmt. Und das dürfte nur ein Bruchteil der Plagiatsschwemme sein, die Europa überflutet.