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Recht und Steuern > Urteil zum Gebot des fairen Verhandelns

Hart aber fair – was es beim Aufhebungsvertrag zu beachten gilt

Wollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getrennte Wege gehen, sieht das Arbeitsrecht mehrere Möglichkeiten vor. Zwei besonders gängige sind: die Kündigung und der Aufhebungsvertrag. Die Kündigung ist an gesetzliche oder vertragliche Fristen geknüpft und in der Regel setzt er einen Kündigungsgrund voraus, ein Aufhebungsvertrag lässt sich jederzeit schließen. Nur fair verhandelt muss er sein. Was Arbeitgeber dabei zu beachten haben, fasst Arbeitsrechtlerin Larissa-Roxana Stergiou zusammen.

Hart aber fair: Was es beim Aufhebungsvertrag zu beachten giltBild: Shutterstock

Knirscht es zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer so heftig, dass eine weitere Zusammenarbeit vernünftigerweise nicht mehr in Betracht kommt, schlägt der Arbeitgeber oft einen Aufhebungsvertrag vor. Auch um eine besonders lange Kündigungsfrist abzukürzen, ist der Aufhebungsvertrag in der Praxis das Mittel der Wahl. Sind sich beide Seiten einig, müssen sie ihren Willen, das Arbeitsverhältnis aufzuheben, lediglich schriftlich festhalten. Zu beachten ist dabei u.a., dass der Aufhebungsvertrag nicht gegen ein gesetzliches Verbot oder den Grundsatz von gegen Treu und Glauben verstößt – und nicht das Gebot des fairen Verhandelns unterläuft.

Das Gebot fairen Verhandelns ist eine sogenannte vertragliche Nebenpflicht. Damit soll bereits im Vorfeld des Vertragsschlusses ein Mindestmaß an Fairness gewährleistet werden. Gegen den Grundsatz des fairen Verhandelns verstößt, wer bei der Aufnahme von Vertragsverhandlungen eine für sein Gegenüber unfaire Situation herbeiführt oder ausnutzt. Die Gerichte stellen hierbei darauf ab, ob die Entscheidungsfreiheit in zu missbilligender Weise beeinflusst wird, indem beispielsweise psychischer Druck ausgeübt wird.

Über die Frage, ob und wann es unfair ist, wenn der Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer Druck ausübt, einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben, hatte unlängst das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden (Az. 6 AZR 333/21). Es ging um eine Arbeitnehmerin, die zur Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags in das Büro des Geschäftsführers gerufen wurde. Dort traf sie außer den Geschäftsführer auch dessen Rechtsanwalt an und sah sich mit dem Vorwurf konfrontiert, ihren Arbeitgeber betrogen zu haben. Sie bekam einen vorbereiteten Aufhebungsvertrag vorgelegt, der ein einvernehmliches Ausscheiden vorsah. Ihrer Bitte um Bedenkzeit und rechtlichen Beistand – so trug jedenfalls die Arbeitnehmerin vor Gericht vor – entsprachen der Geschäftsführer und der Anwalt nicht. Vielmehr erklärte der Anwalt, der Aufhebungsvertrag sei „vom Tisch“, wenn die Arbeitnehmerin ohne ihn zu unterzeichnen durch die Tür gehe. Nach etwa zehn Minuten Pause unterschrieb die Frau.

War das Verhalten des Arbeitgebers in diesem Fall unfair? Das BAG entschied: Nein, der Arbeitgeber habe das Gebot des fairen Verhandelns nicht verletzt. Faires Verhandeln setze voraus, dass die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners gewährleistet sei; dieser müsse jederzeit Herr über seine Entscheidung bleiben. Dies sei er objektiv betrachtet dann nicht mehr, wenn ihm nur noch eine einzige Option verbliebe. Solange er die Situation noch durch ein schlichtes „Nein“ beenden könne, sei dies nicht unfair, sondern Ausfluss eines im Rahmen von Vertragsverhandlungen zulässigen Drucks, mit dem der Arbeitgeber versucht, sein Verhandlungsziel zu erreichen. Dies gelte selbst dann, wenn der Arbeitgeber keine (weitere) Bedenkzeit einräumt.

Die Entscheidung ist vor allem aus betrieblicher Sicht konsequent: Dürfte der Arbeitgeber keinen Druck ausüben, um zu einer schnellen Einigung mit dem Arbeitnehmer zu gelangen, geriete er mit Blick auf die außerordentliche Kündigung unter enormen Zeitdruck. Außerordentlich kündigen muss er nämlich innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen, nachdem er Kenntnis von den Umständen erlangt hat, die Anlass für die Kündigung sind. Dürfte er den Arbeitnehmer im Rahmen von Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag nicht zeitlich unter Druck setzen, wäre er somit davon abgehalten, überhaupt einen Einigungsversuch mit dem Arbeitnehmer anzustrengen.

Aus Arbeitnehmersicht ist festzuhalten, dass die Verhandlung über einen Aufhebungsvertrag tatsächlich meist eine Ausnahme- und psychische Drucksituation ist. Gleichwohl ist zu bedenken, dass es sich noch immer um eine Verhandlungssituation handelt, in der beide Seiten Druck ausüben dürfen, um ihre Verhandlungsziele zu erreichen. In vielen Fällen ist es auch im Sinne des Arbeitnehmers, eine außerordentliche Kündigung vermeiden. Gegen die kann der Arbeitnehmer zwar noch vor Gericht ziehen. Kitten kann er das Arbeitsverhältnis aber im Regelfall nicht mehr, sondern allenfalls im Vergleichswege eine Abfindung erreichen, die meist eh schon im Aufhebungsvertrag enthalten gewesen wäre.

Larissa-Roxana Stergiou ist Rechtsanwältin spezialisiert auf Arbeitsrecht bei der Kanzlei SKW Schwarz in Berlin.

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