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Recht und Steuern > Neue Whistleblower-Richtlinien

Heldenschutzgesetz mit Handicap

Skandale werden am schnellsten aufgedeckt, wenn Insider gefahrenlos auspacken können. Dafür wollen die neuen Whistleblower-Richtlinien der EU sorgen. Doch diese erfassen nationales Recht der einzelnen Staaten nicht. Jetzt hat Justizministerin Lambrecht einen weitreichenden Gesetzentwurf zum Schutz von Hinweisgebern angekündigt.

Betrug, Falschbeurkundung, unlauterer Wettbewerb: Im Kontext der VW-Abgasaffäre laufen Untersuchungen gegen 93 Personen. Viele weitere Mitarbeiter könnten davon gewusst haben. Wieso blieb dieser Skandal über mehrere Jahre unter der Oberfläche? Hatten Mitwissende Angst vor den Konsequenzen, die zu erwarten sind, wenn Hinweise auf Betrug an staatliche Behörden oder die Presse weitergegeben werden? Vermutlich. Denn wenn Insider auspacken, können sie einpacken. Die Liste der Beispiele ist lang. Da wären Rudolf Schwarzer und Marco Wehner, jene hessische Finanzbeamten, die die auf einem Schweizer Konto gebunkerten Millionen der CDU in den 90er-Jahren entdeckt haben und in der Folge an den Rand des Wahnsinns samt Zwangspension geschickt wurden. Oder Lkw-Fahrer Miroslaw Strecker, der 2007 die Behörden darüber informierte, wieder einmal verdorbene Schlachtabfälle zu Fleischfabrik fahren zu sollen. Sein Arbeitgeber feuerte ihn – rechtswirksam.



Die neuen EU-Whistleblower-Richtlinie, die Ende letzten Jahres beschlossen wurde und bis zum 17. November 2021 in nationales Recht umgesetzt werden muss, will das ändern. Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern sowie Behörden und Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohnern werden verpflichtet, Kanäle einzurichten, über die Verstöße gegen nationales und EU-Recht gemeldet werden können. Ziel ist es, die Aufdeckung und Unterbindung von Straftaten voranzutreiben und gleichzeitig den Whistleblower besser zu schützen, damit dieser keine negativen zivil-, straf- oder verwaltungsrechtlichen oder interne Konsequenzen wie den Jobverlust zu befürchten hat.

 

Anwendungsbereich der EU-Richtlinie ist auf das Unionsrecht beschränkt

 

Das Problem: Der Anwendungsbereich der EU-Richtlinie ist auf das Unionsrecht beschränkt und schützt deshalb nur jene Whistleblower, die Verstöße gegen das EU-Recht offenlegen. Doch welcher Hinweisgeber weiß schon so genau, ob der Verstoß, den er plant zu melden, gegen EU-Recht oder nationales Recht verstößt? Deshalb will Justizministerin Christine Lambrecht einen besonderen Schutz für Whistleblower hierzulande. Gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe hat die SPD-Politikerin einen weitreichenden Gesetzesentwurf angekündigt. Dieser solle Verstöße gegen europäisches und deutsches Recht erfassen. Menschen, die Mut zeigten und Verantwortung für die Gesellschaft übernähmen, sollten keine Angst vor Nachteilen bis hin zum Jobverlust haben. Viele große Skandale könnten nur mir Insiderwissen aufgeklärt werden, sagte Lambrecht. „Deswegen ist es so wichtig, Whistleblower rechtlich zu schützen.“ Innenminister Horst Seehofer wolle sie mit guten Argumenten von dem Gesetzesentwurf überzeugen.



Und auch das gehört zur neuen Whistleblower-Richtlinien der EU: Unternehmen müssen eine Meldeinfrastruktur einrichten. Größere Organisationen werden verpflichtet, interne Kanäle zu bauen. Die Richtlinie schlägt drei Varianten für die Umsetzung vor: Telefonhotline, persönliches Treffen durch eine Ombudsperson oder IT-gestütztes Hinweisgebersystem. Letzteres ermöglicht eine anonyme, verschlüsselte Kommunikation zwischen Hinweisgeber und Fallbearbeiter. Dabei kann aber nicht garantiert werden, dass der IT-Verantwortliche der Organisation mit seinen administrativen Rechten nicht in das System eingreifen kann. Deshalb stellt das persönliche Treffen die sicherste Variante dar; gleichzeitig aber auch die teuerste – schließlich muss die Ombudsperson alle für das Unternehmen relevanten Sprachen bedienen können und, in einigen Fällen, verschiedene Zeitzonen abdecken.



Darüber hinaus wird der Staat verpflichtet, externe Meldestellen einzurichten. Bedeutet: Whistleblowing-Stellen müssen in die Verwaltungsstrukturen integriert werden. Dem Hinweisgeber steht es frei, ob er sich an die interne oder die externe Meldestelle wendet. Laut Richtlinie wird ihm aber empfohlen, zunächst interne Kanäle zu nutzen, bevor er Behörden oder gar Presse informiert.

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