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Recht und Steuern > Gastbeitrag

Keine Impfung, kein Lohn(ersatz)

Arbeitnehmer, die sich in Quarantäne begeben müssen, haben grundsätzlich Anspruch auf Entschädigung für ihren Verdienstausfall. Das gilt jedoch nicht für Impfverweigerer. Droht ihnen im Krankheitsfall auch ein Verlust der Gehaltsfortzahlung?

Der Sommer geht zu Ende und die vierte Corona-Welle nimmt Fahrt auf. Damit werden sich auch wieder mehr Menschen in Quarantäne begeben müssen. Sei es, weil sie aus dem Ausland nach Deutschland zurückkehren oder Kontakt mit einer infizierten Person gehabt haben. Geimpfte sind im Vorteil: Bei der Einreise nach Deutschland sind sie von der Quarantänepflicht ausgenommen. Zudem hat das Robert-Koch-Institut (RKI) seine Empfehlungen zur Quarantäne von Personen, die Kontakt mit Infizierten gehabt haben, dahingehend angepasst, dass für symptomlose enge Kontaktpersonen mit einer vollständig abgeschlossenen Immunisierung eine Quarantänepflicht grundsätzlich nicht mehr erforderlich ist. Das Risiko, in Quarantäne zu müssen, haben also vor allem Ungeimpfte.

Wie wirkt sich die Anordnung häuslicher Quarantäne auf den Lohnanspruch des Arbeitnehmers aus? Es muss differenziert werden:

  • Wer die dem Arbeitgeber geschuldete Arbeitsleistung im Homeoffice erbringen kann, wird durch eine bloße Quarantäne nicht an der Arbeit gehindert. Der Lohnanspruch bleibt erhalten.
  • Das Gleiche gilt, wenn die in Quarantäne befindliche Person auch mit dem Corona-Virus infiziert ist, aber keine oder nur äußerst milde Krankheitssymptome aufweist und deshalb im Homeoffice nicht arbeitsunfähig ist.
  • Wenn jedoch die Arbeitsleistung nicht im Homeoffice erbracht werden kann und somit durch eine Quarantäneanordnung unmöglich wird, gilt arbeitsrechtlich der Grundsatz "ohne Arbeit kein Lohn".

Im letzten Fall hilft der Staat den Betroffenen mit einer Entschädigung für den Verdienstausfall. Ordnet das Gesundheitsamt eine Quarantäne oder ein berufliches Tätigkeitsverbot an, hat der Arbeitnehmer gegen die Behörde einen Anspruch auf Entschädigung in Geld. Die Entschädigung bemisst sich nach dem Verdienstausfall. Für die ersten sechs Wochen wird sie in Höhe des Verdienstausfalls gewährt. Der Arbeitgeber hat die Entschädigung als Zahlstelle für die zuständige Behörde (Gesundheitsamt) auszuzahlen. Anschließend erstattet das Gesundheitsamt dem Arbeitgeber die ausgezahlten Beträge auf Antrag. Dabei sind jedoch zwei wichtige Einschränkungen zu beachten:

  • Die erste Ausnahme betrifft insbesondere Urlaubsreisende und ist weithin bekannt. Wer in Quarantäne muss, weil er ohne zwingenden und unaufschiebbaren Grund in ein Land reist, das bereits zum Zeitpunkt der Abreise als Risikogebiet eingestuft ist, hat keinen Anspruch auf Entschädigung.
  • Die zweite Ausnahme ist noch nicht so in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen, weil sie erst mit dem Fortschritt der Impfkampagne relevant geworden ist. Eine Entschädigung für Verdienstausfall erhält auch nicht, wer eine Quarantäne durch eine öffentlich empfohlene Schutzimpfung hätte vermeiden können. Diese Regelung wurde zwar Anfang 2020 durch das Masernschutzgesetz in das Infektionsschutzgesetz (IfSG) aufgenommen, gilt aber im Zusammenhang mit dem Corona-Virus gleichermaßen.

Das IfSG geht in diesen Fällen von einem"Verschulden gegen sich selbst" aus, das die Staatskasse nicht belasten soll.

Bleibt dem Arbeitnehmer, wenn der Staat trotz Quarantäne nicht zahlt, ein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Entgeltfortzahlung als finanzieller Rettungsanker? Auch hier ist zu differenzieren: Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat nur, wer infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist. Wer bei der Einreise nach Deutschland oder als enge Kontaktperson in Quarantäne muss, ohne selbst infiziert zu sein und Symptome aufzuweisen, ist nicht krank. Entgeltfortzahlung kommt daher nur in Fällen in Betracht, in denen sich Arbeitnehmer infiziert haben und Krankheitssymptome aufweisen.

Das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) hält eine weitere Einschränkung parat: Ein Arbeitnehmer kann die Gehaltsfortzahlung nur verlangen, wenn er infolge der Corona-Erkrankung an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft. Auch hier hat der Gesetzgeber ein"Verschulden gegen sich selbst" statuiert. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) handelt schuldhaft, wer vorsätzlich oder besonders leichtfertig gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt. Bei Impfverweigerern und Impfzauderern scheidet ein solches Selbstverschulden nicht schon deshalb aus, weil der Gesetzgeber im Zusammenhang mit Corona von der Einführung einer generellen Impfpflicht absieht.

Ein Verschulden gegen sich selbst setzt keinen Gesetzesverstoß voraus; das zeigt die Rechtsprechung zu Unfällen bei der Ausübung besonders gefährlicher Sportarten, die zum Verlust der Gehaltsfortzahlung führen können. Es ist also nicht abwegig, in den Fällen, in denen Entschädigungsansprüche nach dem IfSG wegen eines Verschuldens gegen sich selbst ausgeschlossen sind, auch ein Verschulden im Sinne des EFZG anzunehmen. Falls die Arbeitsgerichte diese Überlegung aufgreifen, folgt daraus auch, dass ein an Corona erkrankter Arbeitnehmer dem Arbeitgeber Auskunft über seinen Impfstatus geben muss. Diese Information ist dann für eine ordnungsgemäße Abrechnung des Arbeitsverhältnisses erforderlich.

Ralf-Dietrich Tiesler ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei Menold Bezler in Stuttgart. Er berät große und mittlere Unternehmen sowie die öffentliche Hand im Arbeitsrecht sowie damit zusammenhängenden Fragen im Sozialversicherungsrecht.

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