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Recht und Steuern > Corona-Krise

Mehrwertsteuersenkung: Worauf Unternehmen achten müssen

Ab dem 1. Juli gelten für ein halbes Jahr niedrigere Mehrwertsteuersätze. Das soll den Konsum in der Corona-Krise ankurbeln. Für Unternehmen bedeutet das aber auch: Sie müssen einige Prozesse umstellen und ihre Rechnungen anpassen um keine Risiken einzugehen.

Zwischen dem 1. Juli und dem 31. Dezember 2020 beträgt die Mehrwertsteuer in Deutschland nur noch 16 statt 19 Prozent. Der reduzierte Mehrwertsteuersatz sinkt von 7 auf 5 Prozent. Außerdem müssen Firmen die Einfuhrumsatzsteuer in diesem Zeitraum erst am 26. Tag des jeweiligen Folgemonats abführen. Das soll die Liquidität von Importeuren erhöhen. Die Umstellungen verursachen bei Unternehmen allerdings auch einigen administrativen Aufwand. Welche Aspekte Firmen berücksichtigen müssen, hat „Markt und Mittelstand“ in Zusammenarbeit mit Holger Maier, Leiter Digital Tax Transformation von Rödl & Partner, in Form von Q&A zusammengefasst.

Die Neuregelung gilt ab dem 1. Juli. Ist für diesen Stichtag der Zeitpunkt der Leistungserbringung oder der Tag der Rechnungsstellung entscheidend?

Hierbei ist der Zeitpunkt der Leistungserbringung ausschlaggebend. Die Leistungserbringung gilt bei Lieferungen dann als vollbracht, wenn der Kunde wie ein Eigentümer über die Ware verfügen kann, dies wird grundsätzlich mit Beginn des Transports angenommen, das heißt, sobald die Ware verschickt wird. Dienstleistungen hingegen gelten erst mit ihrer Vollendung als erbracht. 

Wie sieht es mit Dauerleistungen wie Vermietung aus?

Dauerleistungen werden mit dem bei Vollendung geltenden Mehrwertsteuersatz besteuert. Das bedeutet bei Vermietungen, die in monatlichen Teilleistungen erbracht werden, dass für die Monatsmieten Juli bis Dezember der geringe Steuersatz gilt. Für die anderen Monate gilt der reguläre Satz.

Was passiert, wenn Unternehmen es versäumen, die Mehrwertsteuer anzupassen?

Risiken ergeben sich vertriebsseitig, sofern für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die nach dem 30. Juni 2020 und vor dem 1. Januar 2021 erbracht werden, ein Umsatzsteuerausweis von 19 Prozent erfolgt. Die zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer wird in diesem Fall zusätzlich an den Fiskus geschuldet. Einkaufsseitig ist in solch einem Fall aber nur der entsprechende reduzierte Steuersatz in Höhe von 16 Prozent abziehbar.

Unternehmen ohne oder mit nur teilweisem Vorsteuerabzug sollten zudem prüfen, ob Investitionen in den Zeitraum mit niedrigerem Mehrwertsteuersatz verschoben werden können und ob bezogene teilbare Dauerleistungen für das Gesamtjahr bereits mit 19 Prozent Umsatzsteuer berechnet wurden. In diesem Fall sollten sie für Zahlungen für den Zeitraum Juli bis Dezember den Steuersatz korrigieren.  

Können die bisherigen Steuerschlüssel von 19 Prozent oder 7 Prozent nicht einfach überschrieben werden?

Das ist keine gute Idee, da dadurch im Rahmen von (Betriebs-)Prüfungen die Auswertungen aufgrund der identisch belegten Steuerkennzeichen erschwert werden und die Nachvollziehbarkeit unter Umständen nicht gewährleistet ist. Zudem werden vermutlich auch im Zeitraum des reduzierten Mehrwertsteuersatzes die Steuerkennzeichen für 19 Prozent oder 7 Prozent benötigt. Beispielsweise wenn das Unternehmen Ende des Jahres eine Rechnung für das kommende Jahr erstellt.

Worauf müssen Unternehmen beim ERP-System achten?

In der Regel müssen am ERP selbst, in der Steuerfindung und in der Buchhaltung Änderungen vorgenommen werden. Ein Beispiel ist die Anlage neuer Steuerkennzeichen für die Erbringung von Leistungen oder Lieferungen mit den veränderten Steuersätzen. Unternehmen sollten eine Datenanalyse machen, um zu prüfen, an welchen Stellen Änderungsbedarf besteht. Dabei sollten sie vor allem die offenen Bestellungen beim Einkauf, die offenen Aufträge beim Vertrieb und die langfristigen Verträge hinsichtlich des Leistungszeitpunkts prüfen.

 

Außerdem sollten Unternehmen die Einstellungen für die elektronische Umsatzsteuervoranmeldung und das Rechnungslayouts anpassen. Bei SAP-Systemen müssen Unternehmen beispielsweise die Steuerfindung anpassen, so dass das richtige Leistungserstellungsdatum und damit der richtige Mehrwertsteuersatz über neu zu erstellende Konditionssätze gefunden werden. Ebenso sind Reisekostenabrechnungsprozesse, Kassensysteme und deren Buchungsvorgänge anzupassen. Es ist außerdem ratsam, neue Bilanzkonten anzulegen, um Umsatzsteuer und Vorsteuer in den verschiedenen Zeiträumen abgrenzen zu können. 

Wie geht man mit offenen Aufträgen und vorgemerkten Bestellungen um und berücksichtigt die jeweils geltenden Umsatzsteuersätze?

Alle offenen Aufträge und Bestellungen, die zu den bisher geltenden Steuersätzen erstellt wurden, sollten gründlich auf ihren Zeitpunkt der Leistungserbringung geprüft werden. Deren Aktualisierung lässt sich automatisieren, beispielsweise über Batch-Input-Mappen. So hält sich der manuelle Änderungsaufwand in Grenzen, und eine taggenaue Anpassung ist gewährleistet. Auch Anzahlungsfälle sind zu überprüfen, damit die zu berichtigenden Anzahlungsrechnungen erkannt und geändert werden können. Andernfalls müssen die Anzahlungen durch die Unternehmen über die Endrechnungen richtiggestellt werden. Aber auch hier ist eine Automatisierung möglich, zum Beispiel über die Integration einer systemseitigen Analyse in Form eines Abgleichs der Daten von Vereinnahmung, Anzahlung und Leistungserbringung.

Wie kann ich als Unternehmen sicherstellen, dass Eingangsrechnungen mit zu hohem Steuersatz herausgefiltert und zurückgewiesen werden?

Unternehmen sollten frühzeitig damit beginnen, ihre Systeme und Prozesse für eine Prüfung des Leistungsdatums in Verbindung mit dem jeweils zutreffenden Steuersatz einzurichten. Nur so kann sichergestellt werden, dass Rechnungen mit nicht zutreffendem Steuersatz zurückgewiesen werden.

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