Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Recht und Steuern > Gastbeitrag

Sonderkündigungsschutz in der Restrukturierung

Eine Restrukturierung bedeutet oft auch betriebsbedingte Kündigungen. Doch von welchen Mitarbeitern kann sich das Unternehmen bei einer Restrukturierung trennen? Und welche genießen im Zweifel einen Sonderkündigungsschutz?

Sonderkündigungsschutz ist ein verschärfter Kündigungsschutz von bestimmten Mitarbeitergruppen, der betriebsbedingte Kündigungen grundsätzlich erschwert. Eine allseits bekannte und geschützte Gruppe sind die Betriebsräte. Eine Betriebsratswahl kann aber auch für andere Mitarbeiter Sonderkündigungsschutz auslösen; dazu zählen Wahlvorstände, Wahlbewerber, Wahlinitiatoren und ehemalige Betriebsratsmitglieder. Plant ein Unternehmen also demnächst eine Restrukturierung, sollte es die bevorstehenden Betriebsratswahlen 2022 beachten.

In bestimmten Fällen sind betriebsbedingte Kündigungen erst dann erlaubt, wenn eine Behörde vorab zustimmt. Dies gilt für Elternzeit, Mutterschutz und Schwerbehinderte. Zudem unterliegen Arbeitnehmer mit besonderen Aufgaben wie beispielsweise der Datenschutzbeauftragte einem besonderen Kündigungsschutz.

Neben den gesetzlichen Vorgaben finden sich in zahlreichen „betrieblichen Bündnissen“ oder Tarifverträgen Einschränkungen betriebsbedingter Kündigungen, die zwingend zu beachten sind. Der besondere Kündigungsschutz entsteht hier kraft Vereinbarung zugunsten der Mitarbeiter, was beispielsweise bedeuten kann, dass ein absolutes Kündigungsverbot gelten soll, dann an einem Standort bestimmte Belegschaftsstärken festgelegt sind oder dass per se ein Zustimmungsvorbehalt des Betriebsrates zu beachten ist.

Sogar manch ein Arbeitsvertrag sieht den Ausschluss einer ordentlichen Kündigung vor und erschwert damit die betriebsbedingte Kündigung erheblich.

Was tun, wenn die Restrukturierung geschützte Mitarbeiter erfasst?

Im ersten Schritt muss in Belegschaftslisten erfasst werden, welche Mitarbeiter unter den Sonderkündigungsschutz fallen. Werden Sonderkündigungsschutzrechte zu spät erkannt, kann dies erhebliche Risiken für diese und andere Kündigungen auslösen.

Danach muss projektbezogen bewertet werden, zu welcher Gruppe der Mitarbeiter zählt und unter welchen Voraussetzungen gekündigt werden kann. Tendenziell können wirksame betriebsbedingte Kündigungen bei (Teil-)Betriebsstillegungen oder Ausgliederungen trotz des Sonderkündigungsschutzes leichter umgesetzt werden, als wenn es sich um Einzelfälle oder kleinere betriebliche Veränderungen handelt.

Bei der Zusammenlegung von Betrieben oder Abteilungen oder wenn eine neue Organisationsstruktur, etwa eine Matrixstruktur, eingeführt werden soll, sind die dringenden betriebsbedingten Trennungsgründe meist sehr gut darstellbar.

Besonders zu beachten ist bei jeder Restrukturierung mit betriebsbedingten Kündigungen nicht zuletzt die Sozialauswahl. Werden Mitarbeiter mit Sonderkündigungsschutz in der Sozialauswahl fehlerhaft berücksichtigt, kann dies zur Unwirksamkeit zahlreicher Kündigungen führen.

Hat der Unternehmer in der Vorplanung diese Schritte durchlaufen, kommt es auf die korrekte zeitliche Einbindung dieser Fälle im Restrukturierungsprojekt an. Wichtig ist, dass die entsprechenden Anträge rechtzeitig und korrekt bei den zuständigen Ämtern gestellt werden. Muss eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit erfolgen, ist die Kündigung nur wirksam, wenn auch dieses Verfahren korrekt durchgeführt wurde. Das bedeutet u.a., dass, wenn Mitarbeiter mit Sonderkündigungsschutz betroffen sind, die Massenentlassungsanzeige bereits zusammen mit dem Antrag auf Zustimmung zur Kündigung erfolgen muss. Ein falscher Zeitpunkt macht diese und weitere Kündigungen unwirksam.

Wegen der hohen Kündigungshürden ist es in der Praxis oft ratsam, alternative Optionen zu prüfen. Um langwierige und risikobehaftete Kündigungsschutzprozesse wegen des Sonderkündigungsschutzes zu vermeiden, können Freiwilligenprogramme oder Transfergesellschaften zielführender sein. Werden diese Prozesse richtig gesteuert, kann Transferkurzarbeitergeld helfen, die Kosten auf Unternehmensseite zu senken, für die Mitarbeiter können unerwünschte Ruhe- und Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld vermieden werden.

Besondere Regeln in der Insolvenz

Restrukturiert man ein Unternehmen über den Weg der Insolvenz, bestehen deutliche Erleichterungen im Umgang mit „unkündbaren“ Mitarbeitern. Der Insolvenzverwalter darf in der Regel Kündigungen aussprechen, ohne den Sonderkündigungsschutz beachten zu müssen. Allerdings gibt es selbstverständlich zahlreiche Gründe, ein Insolvenzverfahren möglichst zu vermeiden; die arbeitsrechtlichen Erleichterungen dürfen sicherlich nicht der einzige Grund sein, warum ein Unternehmen in die Insolvenz geht.

Um eine Restrukturierung trotz der Tücken des Sonderkündigungsschutzes erfolgreich zu gestalten, sollten Unternehmen folgende vier Schritte beachten:

  1. Erfassen, welche Mitarbeiter einen Sonderkündigungsschutz genießen.
  2. Prüfen, an welche Voraussetzungen dieser Sonderkündigungsschutz geknüpft ist.
  3. Klären, wann und unter welchen Voraussetzungen gekündigt werden darf.
  4. Fragen: Welche konkreten Maßnahmen rechtfertigen eine wirksame Kündigung?

Bernd Pirpamer und Dr. Dirk Monheim sind Rechtsanwälte, Fachanwälte für Arbeitsrecht und Partner bei Eversheds Sutherland in München.

Ähnliche Artikel