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Technologie > Achterbahnen aus dem Schwarzwald

Wenn Kunden glücklich schreien

Mack Rides in Waldkirch baut weltweit Achterbahnen. Erfahren Sie mehr über die Technik und die Tradition hinter den spektakulärsten Fahrgeschäften.

Erfolgsgeschichte Mack Rides: Das Unternehmen kommt nach eigenen Angaben weltweit auf einen Marktanteil von etwa 30 Prozent. Der Europa-Park (Umsatz rund 243 Millionen Euro) trägt in der Regel nur fünf Prozent zum Gesamtumsatz bei. (Foto: Mack Rides)

Schwere Stahlrohre, -Träger und viele Metall-Teile bestimmen das Bild auf dem Außengelände von Mack Rides im badischen Waldkirch. Im Hintergrund erhebt sich eine Konstruktion, die an ein Stück Achterbahn erinnert. Das soll es auch. Denn hier am Rande des Schwarzwalds wird jede dritte Achterbahn konzipiert und gebaut, die weltweit neu auf den Markt kommt. Es sind vor allem die besonders spektakulären Attraktionen wie der „Voltron Nevera“, der im benachbarten Europa-Park seine Runden dreht. „Wir wollen Menschen zum Lachen – und Schreien bringen“ lautet eine Maxime der Schwarzwälder. Wenn die Passagiere für Sekunden Schwerelosigkeit erleben, bevor es in den nächsten Überschlag geht, ist das Ziel unüberhörbar erreicht.

Mack Rides baut auf eine Firmentradition, die man hinter diesen hochmodernen Stahlbauten nicht vermuten würde. Die Familie Mack hat bereits 1790 mit dem Fahrzeugbau begonnen. Seinerzeit waren es Pferdewagen und später Kutschen. Ende des 18. Jahrhunderts entstanden die ersten Fahrgeschäfte für Schausteller. Schon 1921 ist in Waldkirch eine Achterbahn auf einer Holzstrecke entstanden. Neben den Fahrgeschäften haben die Macks lange jene luxuriösen Wohnwägen gebaut, in den Schausteller einen Großteil des Jahres leben. Doch die wurden immer seltener geordert. Um die Jahrtausendwende gerät der Mittelständler in die Krise. Die Macks holen Sanierer Christian von Elverfeldt, der 2005 als erster familienfremder Manager die Leitung übernimmt.       

„Wir haben uns auf das konzentriert, was wir am besten können. Und das sind Fahrgeschäfte“, erklärt der heute 63-Jährige. Sein Plan, Achterbahnen mit Loopings zu bauen, stößt bei der Familie anfangs allerdings auf Vorbehalte. Die Familie betreibt im benachbarten Rust den Europa-Park. Der ist eigentlich auf Familien ausgerichtet. Dort kommen traditionell die Neuentwicklungen aus Waldkirch als erstes zum Einsatz. „Dann macht eben, wenn Ihr meint, das wird was.“ Miteigner Roland Mack soll so 2007 dann doch den Plänen zugestimmt haben. Er hat es nicht bereut: Für dieses Jahr erwartet der Mittelständler mit seinen 225 Mitarbeitern einen Umsatz von 100 Millionen Euro. Die Rendite soll dann etwa zehn Prozent betragen.

Vor ein paar Jahren wusste noch ganz In Waldkirch mit Blick ins südliche Gewerbegebiet, dass bei Mack Rides an einer neuen Attraktion entsteht. Inzwischen wird nicht nur am Computer geplant und konstruiert. Von den Rechnern kommen die komplexen Details für jedes einzelne Segment direkt in die Produktion. Dort haben inzwischen Roboter viele Arbeiten übernommen. Sie verbiegen schwere armdicke Stahlrohre in mehreren Richtungen über mehrere Achsen bis aufs Zehntel Millimeter genau. Zusammengebaut wird die neue Achterbahn erst im jeweiligen Vergnügungspark. „Jedes Teil ist eine Einzelanfertigung“, erklärt von Elverfeld. Die Bahnen sind nämlich ebenfalls Unikate. Selten werden Attraktionen wie der „Blue Fire“ mit nur leichten Abweichungen mehrmals gebaut.

Motivwagen oder Deko-Figuren entstehen erst einmal im Modell. So beispielsweise eine Bahn für das Legoland in Günzburg. „Die Herausforderung ist später die Steinchen passend so groß zu bauen, damit sie im richtigen Maßstab zu einer richtigen Bahn passen“, erklärt Vertriebschef Thorsten Köbele. Mit den Modellen können die Planer auch die Dimensionen einzelner Details besser aufeinander abstimmen. Wie groß müssen Dinosaurier werden, wenn Besucher mit einem Jeep durch den „Jurassic Park“ sausen?

Der Erfolg der spektakulären Achterbahnen hat die gesamte Mack-Gruppe überrascht. „Eigentlich haben wir gedacht, dass die Achterbahnen ein Zusatzangebot für Parks sind, die eigentlich auf Familien ausgerichtet sind“, gesteht von Elverfeld. Doch den Besuchern kann die wilde Fahrt offenbar nicht schnell und spektakulär genug sein. Dabei beschleunigt bereits der etablierte „Blue Fire“ in 2,5 Sekunden auf Tempo 100. Im Europa-Park findet oft die Premiere für solch spektakuläre Lösungen statt. Wirtschaftlich sind die Unternehmen klar getrennt. „Der Park ist Testfeld und Schaufenster zugleich“, erklärt Köbele. So steigt der „Voltron“ 30 Meter in die Höhe um dann in einer steilen Abfahrt den 1,4 Kilometer langen Höllenritt zu beginnen. Mehre Überschläge und Abschüsse. Der steilste „Launch“ mit 105 Grad ist neuer Weltrekord. Dabei leistet der Antrieb der Anlage 2500 Pferdestärken. Der kommt vom kroatischen Sportwagenbauer Rivian.

Das eigentliche Geheimnis hinter solchen Attraktionen ist die Technik. Die Schienen müssen äußerst präzise zueinander passen, damit die Passagiere keine Schläge durch die Übergänge abbekommen. Zudem werden beim Fahrwerk alle Teile gefräst und nicht geschweißt. Das senkt den Wartungsaufwand, denn solche Verbindungen müssen aus Sicherheitsgründen immer wieder gecheckt werden. Zudem sparen die Bahnbauer mit diesem Verfahren 20 Prozent Gewicht ein. Das reduziert die Belastung auf Schienen und Stützen, die ebenfalls leichter gebaut werden können. Unter dem Strich kommt so eine beachtliche Einsparung des teuren Stahls zu Stande. Für Hersteller ein wichtiger Punkt: vor allem wenn die Materialkosten wie zuletzt in die Höhe schießen. „Achterbahnen werden zum Festpreis verkauft“, erläutert von Elverfeldt. Eine Krise wie der Ukraine-Krieg und die ganze Kalkulation wackelt.

Krisen wie die Corona-Pandemie können den Mittelständel heftig durchschütteln. „Das war eine harte Zeit“, räumt Von Elverfeld ein. Seitdem ist das Unternehmen in der Lage, alles im eigenen Haus zu fertigen. Das ermöglicht eine gute Auslastung auch dann, wenn die Nachfrage – wie während der Pandemie - mal wieder stocken sollte. Sonst können einige Arbeiten an andere Firmen vergeben werden. Software und Elektronik kommen hingegen von einer Partnerfirma, die auf dem gleichen Gelände angesiedelt ist. Inzwischen ist Mack Rides sogar daran beteiligt. In der Fertigung werden an vielen Stellen eigens entwickelte und verfeinerte Technologien eingesetzt. „Wir haben beispielsweise fünf Roboter von Kuka umgebaut. Die biegen unsere Stahlschienen“, erklärt Köbele. Über Details schweigt man sich aus: Betriebsgeheimnis.

Das Besondere der Mack-Bahnen versucht der Wettbewerb beharrlich zu ergründen – mit allen Tricks. So schreibt die staatsnahe technische Überwachungsorganisation in China vor, dass alle Details offengelegt werden müssen. Sonst gibt es keine Zulassung. Für Anbieter wie Mack Rides ist das ein Drahtseilakt. China war bis vor Kurzem einer der wichtigsten Märkte der Welt für solche Bahnen. Doch gleichzeitig wird durch das „Zulassungsverfahren“ der Wettbewerb aufgerüstet. Inzwischen drängen chinesische Anbieter mit Dumpingpreisen auf den Markt. Parkbetreiber können die Kopien der Mack-Bahnen zwei Jahre kostenlos betreiben, bevor dann die Rechnung kommt.

„Wir halten den Wettbewerb mit unseren Innovationen auf Abstand“, betont von Elverfeldt. Manche Entwicklung werde deshalb nicht einmal zum Patent angemeldet. So soll die Konkurrenz möglichst lange rätseln, wie die Waldkirchner die nächste Sensation technisch gelöst haben. Beispielsweise wenn ein 33 Tonnen schwerer Zug in wenigen Sekunden eine Drehung um 180 Grad vollzieht und die Passagiere plötzlich auf Rückwärtsfahrt geschickt werden. Herzstück hier ist eine Drehweiche, die trotz des Gewichts millimetergenau arbeiten muss.

Mack Rides kommt nach eigenen Angaben weltweit auf einen Marktanteil von etwa 30 Prozent. Der Europa-Park (Umsatz rund 243 Millionen Euro) trägt in der Regel nur fünf Prozent zum Gesamtumsatz bei. Es sei denn, die Eignerfamilie Mack investiert in Rust etliche Millionen, um eine Attraktion wie den „Voltron“ aufs Gelände zu stellen. Die wichtigsten Kunden kommen aus den USA und Saudi-Arabien. Die Nachfrage aus der Wüste gleicht den Einbruch in China aus, wo die Wirtschaftskrise Betreiber wie Parkbesucher ausbremst. Insgesamt entstehen in Waldkirch pro Jahr Schienen in einer Gesamtlänge von sieben Kilometer. Das reicht für etwa sieben Achterbahnen. 

Als zweites Standbein baut das Unternehmen eine Sparte zur Wartung von bestehenden Anlagen auf. So besteht allein jeder Zug des „Voltron“ aus 25.000 Einzelteilen. Im Zweitwerk im benachbarten Herbolzheim werden auch Attraktionen wie „Blue Fire“ oder „Matterhorn-Blitz“ aus dem Europa-Park überprüft, repariert oder modernisiert. Auch manche „Wilde Maus“, die man vom Rummel kennt, bekommt einen neuen Antrieb oder sogar ein neues elektronisches Innenleben. Da auch die mobilen Fahrgeschäfte beispielsweise fürs Oktoberfest immer anspruchsvollere Technik haben, sind die Schausteller mit der Wartung überfordert. „Wir erwarten ein wachsendes Geschäft mit unseren Kunden in Europa“, ist sich von Elverfeldt sicher.

Solche neuen Geschäftsideen wären ganz im Sinn des Patriarchen Franz Mack gewesen. Er hat das Erfolgsrezept des mittelständischen Unternehmens seinerzeit in sechster Generation besonders umgesetzt: immer wieder neu erfinden. Das Wohnhaus des Europa-Park-Gründers steht auf dem Gelände von Mack-Rides so, als wäre der Patron nur kurz mit dem Hund spazieren gegangen. Die Inneneinrichtung ist bis ins Detail erhalten geblieben und verbreitet den Glanz der 1970er Jahre. Hier sind Promis aus Politik und Showgeschäft ein- und ausgegangen. Im Partykeller mit dem schweren Eichendekor ist manch ein millionenschwerer Geschäftsabschluss gelungen.  In einem schmiedeeisernen Raumteiler ist das Firmenmotto verewigt, das Franz Mack und seine Nachfolger bis zur heute achten Generation geprägt hat: „Die weite Welt ist mein Feld“.

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