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Technologie > Alarm aus dem Südwesten

Aufschwung ist verschoben

Eigentlich ist der Südwesten mit Maschinenbau und Autoindustrie eine der Lokomotiven der deutschen Wirtschaft. Doch von dort kommen alarmierende Signale.

Schaubild Geschäftsklima 2014-2024
(Schaubild: wvib)

„Die Lage ist schlecht wie seit Beginn der Pandemie.“ Christoph Münzer, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbands industrieller Unternehmen in Baden (wvib) zeichnet ein düsteres Bild der Entwicklung. Der Verband, der sich selbst gern Schwarzwald AG nennt, vertritt im Dreieck Mannheim-Basel-Bodensee 1044 mittelständische Unternehmen mit 312.000 Beschäftigten, davon 250.000 in Deutschland. Sie erreichen ein Umsatzvolumen von 75 Milliarden Euro. Im ersten Halbjahr ist das Geschäft nach einer Erhebung des Wvib um 7,2 Prozent zurückgegangen. Damit erleben die Unternehmen im Südwesten einen herben Rückschlag, denn vor einem Jahr wurde noch ein Plus von 13 Prozent verbucht. Eine Besserung sei nicht in Sicht, so Münzer. In den vergangenen sechs Monaten ist bei jedem zweiten Unternehmen merklich zurückgegangen. Diese Entwicklung könne auf ganz Baden-Württemberg übertragen werden.

 

„Der Aufschwung ist verschoben“, stellt Münzer fest. Nur noch ein Viertel der Unternehmen erwartet eine Besserung für das kommende Halbjahr. Fast jeder zehnte Betrieb rechnet hingegen sogar damit, dass erst 2026 die Konjunktur wieder anzieht. Aktuell seien im Südwesten gut zwei Drittel der Unternehmen wenig oder sogar schlecht ausgelastet. Wvib-Präsident Bert Sutter sieht in der Entwicklung klare Anzeichen, dass Deutschland ein Strukturelles Problem hat: „Die Weltwirtschaft wächst und auch die meisten Länder in Europa. Nur wir nicht. Das bedeutet, dass andere jetzt das verkaufen, was zuvor von deutschen Unternehmen gekommen ist.“

Maschinenbauer in Sorge

Besorgt sind deshalb auch die Betriebsräte des Netzwerkes „Kfz-naher Maschinenbau“ in Baden-Württemberg. würden Auftragseingänge, Umsätze sowie Gewinne sinken und gleichzeitig Investitionen zurückgefahren werden. Noch im Frühjahr hatte der Verband des Deutschen Maschinen- und Anlagenbaus von einem Licht am Ende des Tunnels gesprochen. Diese Hoffnung ist offenbar geplatzt. Die schwäbischen Betriebsräte registrieren, dass vermehrt Kurzarbeit eingesetzt (29 Prozent) respektive geplant (16 Prozent) ist. Die Betriebsräte beklagen zunehmende Verlagerungstendenzen ins Ausland - vor allem nach Osteuropa und China. Dem Netzwerk gehören Arbeitnehmervertreter, große Maschinenbauer wie Heller (Nürtingen), INDEX (Esslingen), Trumpf (Ditzingen), Dürr (Bietigheim-Bissingen), EMAG (Salach), Gehring (Ostfildern), Gleason-Pfauter (Ludwigsburg), Grob (Mindelheim), Nagel (Nürtingen), Schuler (Göppingen), CHIRON Group (Schlierbach und Tuttlingen), MAG IAS (Eislingen/Fils) und Coperion (Stuttgart) an.

Die Zukunft des Maschinenbaus in der Region Stuttgart steht auf dem Spiel – nicht mehr und nicht weniger“, warnt Alessandro Lieb von er IG Metall und Sprecher des Netzwerkes. So könne es nicht weitergehen: Es brauche speziell entwickelte Ideen, damit der Maschinenbau der Region Stuttgart bis spätestens 2035 der global nachgefragte Lösungsanbieter für die digital vernetzte, intelligente und nachhaltige Produktion ist. „Um dieses Ziel zu erreichen, ist ein konsequentes Handeln von Betriebsräten, IG Metall, Arbeitgebern, Verbänden und Politik von großer Bedeutung“, so Lieb.

 

 

„Reformle“ aus Berlin

Münzer macht die Ursachen der Konjunkturflaute an „hausgemachten Ursachen“ fest. Er nennt die immer umfangreicheren Regulierungen, die die Unternehmen blockierten und mit zusätzlichen Kosten belasteten. Sutter, der in Emmendingen das gleichnamige Medizintechnik-Unternehmen leitet, sieht zudem Defizite in der Flexibilität. „Hier hinken manche deutsche Betriebe dem Wettbewerb aus den USA und Europa hinterher.“ Die Ansätze der Politik, der Wirtschaft neuen Schub zu verhelfen, bezeichnet er als „Reformle“. Damit könne kein Ruck durch die deutschen Unternehmen gehen. Vor allem im Mittelstand werde das Grummeln immer lauter. Ein Kurswechsel in Berlin werde frühestens nach den Wahlen erwartet, heißt es beim Wvib. Das sieht man auch auf der Arbeitnehmerseite so: „Es kann nicht sein, dass China und die USA ihre ganze Kraft in zentrale Zukunftsfelder und -märkte sowie heimische Märkte schützen und die politisch Verantwortlichen in Deutschland auf allen Ebenen so zögerlich und wenig innovativ am Bedarf vorbei handeln“, rügt Lieb.

Für Münzer ist die Dramatik der Lage bei der Bevölkerung noch nicht angekommen. Grund sei, dass die Unternehmen nicht auf breiter Front Stellen abbauten. Allerdings werden nicht mehr immer Arbeitsplätze neu besetzt, wenn ein Mitarbeiter ausscheidet. Nicht einmal mehr jedes fünfte Unternehmen (18,2 Prozent) plant, die Belegschaft auszubauen. Zwei Drittel versuchen die Zahl der Beschäftigten konstant zu halten, wohl wissend, dass es im Falle eines Aufschwungs schwer sein wird, neue Mitarbeiter zu finden. Sutter macht wie die Betriebsräte bei den schwäbischen Maschinenbauern eine schleichende Erosion in der deutschen Wirtschaft aus. Nach den großen Unternehmen würden nun auch immer mehr Mittelständler neue Standorte im Ausland schaffen. „Diese Stellen kommen nicht mehr zurück“, mahnt Sutter.

Toben im Bällebad

Kritik ist aus den Unternehmen aber auch an der Einstellung der eigenen Beschäftigten zu hören. Sutter spricht von „Toben im Bällebad.“ Die Erwartung an mehr Freizeit werde immer größer. Dabei werde schon heute in Deutschland deutlich weniger gearbeitet als in anderen europäischen Ländern. „Die jungen Ingenieure bei uns legen auf Freizeit ihren Schwerpunkt. Sogar weit vor dem Plan, Reserven aufzubauen, um beispielsweise eine Familie zu gründen“, stellt Christian von Elverfeldt fest, Chef des Achterbahnbauers Mack Ride in Waldkirch bei Freiburg.

Kurzfassung

Umsatzrückgang im Maschinenbau und in der Autoindustrie: Ursachen, Risiken und Zukunftsstrategien

  • Aktuelle Situation: Maschinenbau- und Autoindustrieunternehmen im Südwesten Deutschlands erleben derzeit einen signifikanten Umsatzrückgang mit 7,2% weniger Umsatz im ersten Halbjahr. Alarmierende Signale und strukturelle Probleme verunsichern die Betriebe. 
  • Notwendige Maßnahmen: Innovative, bedarfsgerechte Lösungen, die den Abwärtstrend stoppen. Eine politische Kursänderung ist erst nach den Wahlen zu erwarten. 
  • Potenzielle Risiken: Betriebsräte warnen vor Verlagerungen ins Ausland. Auch beeinflussen steigende Freizeitansprüche der Mitarbeiter die Produktivität.
  • Der Wirtschaftsverband Industrieller Unternehmen Baden e.V. sucht nach Zukunftsstrategien, um die Betriebe wieder auf Erfolgskurs zu bringen.

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