Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Technologie > Mobilität der Zukunft

Autonomes Fahren: Wie weit wir derzeit wirklich sind

Während US-Unternehmen und China Tempo machen, setzen deutsche Autobauer auf Vorsicht. Ein Blick auf den Stand der Technologie.

Autonomes Fahren soll die Zukunft sein. Doch wie weit sind wir wirklich? (Foto: Shutterstock)

In den Straßen von San Francisco surren sie bereits lautlos durch den Verkehr: 250 Robotaxis des Google-Ablegers Waymo chauffieren zahlende Kunden vollautomatisch durch die Stadt. Was in den USA schon Realität ist, lässt in Deutschland noch auf sich warten. Doch der Wettlauf um die Zukunft des autonomen Fahrens ist in vollem Gange - mit weitreichenden Folgen für die gesamte Automobilindustrie und darüber hinaus.

Von assistiert bis autonom: Die fünf Stufen des selbstfahrenden Autos

Bevor wir tiefer in den globalen Wettbewerb eintauchen, lohnt sich ein Blick auf die verschiedenen Entwicklungsstufen des autonomen Fahrens:

1. Assistiertes Fahren: Der Fahrer behält die volle Kontrolle, wird aber durch Systeme wie Tempomat oder Spurhalteassistent unterstützt.

2. Teilautomatisiertes Fahren: Das Fahrzeug übernimmt in bestimmten Situationen die Kontrolle, der Fahrer muss jedoch jederzeit eingreifen können.

3. Hochautomatisiertes Fahren: Das Auto fährt in definierten Situationen selbstständig, der Fahrer muss nur bei Bedarf eingreifen.

4. Vollautomatisiertes Fahren: Das Fahrzeug bewältigt alle Fahrsituationen selbstständig, ein Fahrer ist optional.

5. Autonomes Fahren: Das Auto fährt komplett selbstständig, ohne jegliche menschliche Interaktion.

 

 

Globaler Wettbewerb: USA und China preschen vor

Während in den USA Unternehmen wie Waymo und Cruise (General Motors) bereits fahrerlose Taxis auf die Straße bringen, macht auch China große Fortschritte. In Peking sind bereits rund 100 autonome Taxis von Apollo Go, einem Ableger des Tech-Giganten Baidu, im Einsatz. Die Fahrtkosten liegen dabei deutlich unter denen herkömmlicher Taxis. Waymos Robotaxis sind mit einer Vielzahl von Sensoren, Kameras und leistungsfähiger Software ausgestattet. Die Kosten schlagen sich im Fahrpreis nieder, der in San Francisco auf dem Niveau herkömmlicher Taxis liegt.

Deutsche Autobauer setzen dagegen auf eine vorsichtigere Strategie. Mercedes-Benz testet zwar in Peking zwei S-Klassen auf Level 4, allerdings noch mit Sicherheitsfahrer. BMW lässt in seinem Werk Dingolfing Autos autonom zur Qualitätskontrolle fahren, und Volkswagen plant für 2025 den Einsatz von 25 autonomen Moia-Fahrzeugen in Hamburg - ebenfalls mit Sicherheitsfahrer an Bord.

"Die Zukunft fährt autonom", erklärt Bundesminister für Digitales und Verkehr, Volker Wissing, nachdem die scheidende Bundesregierung eine Strategie für autonomes Fahren im Straßenverkehr beschlossen hatte. Damit will sie den Weg für den Regelbetrieb ebnen und Deutschland als führenden Innovations- und Produktionsstandort positionieren.

Entwicklungen im autonomen Fahren bei führenden Herstellern

  • Mercedes-Benz:
    Mercedes-Benz bietet mit dem Drive Pilot ein SAE-Level-3-System, das in Deutschland und zwei US-Staaten verfügbar ist. Ab 2025 wird es Geschwindigkeiten bis 95 km/h unterstützen. Mit dem Intelligent Park Pilot ermöglicht Mercedes zudem fahrerloses Parken auf Level 4 in speziell ausgestatteten Parkhäusern.

  • BMW:
    BMW hat für die 5er Limousine ein SAE-Level-3-System eingeführt, das in Deutschland und Nordamerika verfügbar ist. Der Fokus liegt auf der neuen Plattformgeneration „Neue Klasse“, die ab 2025 eine Weiterentwicklung von Level-2- und Level-3-Systemen ermöglicht. BMW setzt dabei auf Eigenentwicklungen und Kooperationen mit Partnern wie Qualcomm.

  • Volkswagen:
    Volkswagen konzentriert sich auf SAE-Level-2+-Systeme wie den Travel Assist, der mit Schwarmdaten arbeitet. Langfristig plant VW den autonomen ID. Buzz für den Mobilitätsdienst Moia. Kooperationen mit Mobileye und Bosch sollen die Entwicklung vorantreiben.

  • Tesla:
    Tesla bietet mit Autopilot, Enhanced Autopilot und Full Self-Driving (FSD) Level-2+-Systeme, die kontinuierlich weiterentwickelt werden. Der Fokus liegt auf kamerabasierten Systemen, jedoch plant Tesla die Wiedereinführung von Radarsensoren für präzisere Umfelderkennung.

  • General Motors (GM):
    GM treibt mit seiner Tochter Cruise autonomes Fahren auf Level 4 voran, kämpft jedoch mit Rückschlägen wie Unfällen in San Francisco. Parallel wird das Level-2+-System Super Cruise auf weitere Modelle ausgeweitet, während Ultra Cruise 95 % aller Fahrszenarien automatisieren soll.

  • Honda:
    Honda arbeitet an Level-3-Technologie, unter anderem mit dem Prototyp Afeela in Zusammenarbeit mit Sony. Das Sicherheits- und Fahrassistenzsystem Sensing 360 bietet eine 360-Grad-Umgebungserkennung und wird bis 2030 weltweit eingeführt.

  • Toyota:
    Toyota setzt auf Level-2- und 2+-Systeme mit Advanced Drive, das Spurwechsel und Überholmanöver unterstützt. Die Modellstadt Woven City dient als Testumgebung für autonome Mehrzweckfahrzeuge, die den Alltag vereinfachen sollen.

  • Nio:
    Nio bietet mit NAD ein Level-2+-System in China, das Szenarien wie Schnellstraßen und Parken abdeckt. Der Hersteller plant den sukzessiven Ausbau seiner autonomen Funktionen, die auf Nvidia Drive Orin SoCs basieren.

  • Volvo:
    Volvo entwickelt mit dem Ride Pilot ein Level-3-System, das kontinuierlich optimiert wird. Der EX90 SUV und Polestar-Modelle sind auf autonome Fahrfunktionen ausgelegt, unterstützt durch Lidar- und Radarsensorik sowie KI-Software.

  • Zeekr:
    Zeekr kombiniert Level-2+-Systeme mit autonomen Shuttles und verfolgt ein zweigleisiges Konzept. Der Zeekr M-Vision Concept soll ab 2025 als People Mover und Logistikfahrzeug auf Level 4 einsatzbereit sein.

Wirtschaftliche Perspektiven: Chancen für den Mittelstand

Trotz der Dominanz großer Tech-Konzerne und Autohersteller bietet die Entwicklung autonomer Fahrsysteme auch Chancen für mittelständische Unternehmen. Zulieferer wie ZF oder Valeo liefern wichtige Komponenten wie Sensoren oder Steuergeräte. Auch im Bereich der Softwareentwicklung und Datenanalyse ergeben sich neue Geschäftsfelder.

Die Technische Universität München (TUM) zeigt mit ihrem Forschungsfahrzeug "EDGAR", dass auch mit begrenztem Budget innovative Lösungen entwickelt werden können. Der Open-Source-Ansatz könnte dabei helfen, die Kosten für autonome Systeme zu reduzieren und den Markteintritt für kleinere Unternehmen zu erleichtern.

Für den öffentlichen Personennahverkehr und den Güterverkehr sieht die Bundesregierung besonders großes Potenzial. Autonome Shuttles könnten die Mobilität im ländlichen Raum verbessern, während selbstfahrende Lkw den Logistiksektor effizienter und nachhaltiger gestalten könnten.

Ähnliche Artikel