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Behörden hemmen Innovationen. Kann ein digitales Unternehmerkonto helfen?

200mal im Jahr haben Mittelständler durchschnittlich Kontakt mit Behörden. In Bremen und Bayern soll die oft schwierige Beziehung entkrampft werden.

picture alliance / SVEN SIMON | Frank Hoermann / SVEN SIMON

„Es könnte so einfach sein, isses aber nicht“, rappten schon 2007 die „Die fantastischen Vier“. Die Stuttgarter „wollten Roederer trinken, Vermögen verdienen über Nacht. Stattdessen sitz' ich hier den ganzen Tag. Trink’ zu viel Kaffee, den ich nicht vertrag’, studiere Papiere, die ich eh nicht kapiere und später sortiere ich sie in ein Fach.“ Die vier Musik-Unternehmer, seit 30 Jahren am Markt und auch an der Luca-App zur Corona-Zeit beteiligt, wussten, wovon sie texteten. Denn auch für kleine und mittelständische Rapper gilt: Irgendeinen Behördenstempel braucht es immer.

Rund 200 Behördenkontakte müssen Unternehmen in Deutschland jedes Jahr bewältigen

„Rund 200 Behördenkontakte müssen Unternehmen in Deutschland jedes Jahr bewältigen. Die werden wir mit dem neuen bundeseinheitlichen digitalen Unternehmerkonto erheblich verbessern“, wirbt Judith Gerlach, Staatsministerin für Digitales in Bayern, für die 2021 gestarteten Pilotprojekte Unternehmerkonto. Das Portal soll die sichere, digitale Identität für Unternehmen in Deutschland vereinfachen.
Unter www.mein-unternehmenskonto.de können Firmen nach der Anmeldung mit dem Elster-Zertikat alle angebundenen Dienste ohne weiteres Login nutzen. Alle Bescheide und Dokumente sollen in einem Postfach zu finden sein. Die Daten sollen nur so lange gespeichert werden, wie es für den jeweiligen Zweck erforderlich ist oder es gesetzliche Aufbewahrungsfristen vorschreiben.

Einfach und schnell im digitalen Antragsprozess


„Wir etablieren damit einheitliche Standards für die digitale Verwaltung, um den Kontakt der Unternehmen mit den Behörden zu vereinfachen“, sagt die Politikerin. Unternehmen sollen sich einfach und schnell im digitalen Antragsprozess identifizieren und authentifizieren können. Das Unternehmerkonto biete die nötige sichere und stabile Infrastruktur. Über Maschine-zu-Maschine-Schnittstellen (M2M) sollen die Daten dann direkt in den Systemen der Betriebe eingelesen und verarbeitet werden.
Die Bundesländer Bayern und Bremen entwickelten das Unternehmerkonto im staatlichen Auftrag gemeinsam. Bis Ende dieses Jahres soll es bundesweit am Start sein, Partnerportale und Fachverfahren angebunden haben.

Die Herausforderung ist, alte Strukturen und Prozesse zu verändern


In den Himmel wachsen die bayerischen Versprechen dazu aber nicht. „Die Herausforderung bei der Verwaltung wie bei den Behörden ist es, alte Strukturen und Prozesse zu verändern“, sagt Gerlach. Das sei nicht nur fast immer unbequem, sondern anders als in den Unternehmen, die für ihre Kundenwünsche längst auf mehr Technologie setzen, sei der Druck durch die Kunden auf die Verwaltung noch nicht so hoch. Das habe auch mit dem Mindset zu tun. Aber: „Auch der Staat wird innovativer und setzt neue Strukturen in einem historisch gewachsenem Tanker um.“
Man brauche eben nur noch etwas Geduld.

Allerdings ist der Geduldsfaden ist bei vielen KMUs überstrapaziert. Von wegen E-Government: Noch immer liegt Deutschland bei der viel beschworenen digitalen Verwaltung auf Platz 20 von 27 EU-Ländern. Das schmerzt die Unternehmen. Denn es geht um viel Papier, um Berichtspflichten und Beauftragtenwesen, um Gewerbeanmeldungen, Bauanträge, Genehmigungsverfahren für Anlagen bis zu Anträgen zur Hilfe bei der Beschäftigung behinderter Mitarbeiter.

Da prallen oft Welten aufeinander und digitale Andreasgräben tun sich auf. Wobei die Sachbearbeiter trotz aller Berge von Prüfanträgen anders als die Unternehmen auf der sichereren Seite sitzen. Ihnen können die Kunden nicht weglaufen. Hinzu kommt, dass immer mehr Entscheidungen auf EU-Ebene gefällt werden. Aber: Je schneller die Zusage, desto mehr leiden die Mitspracherechte der betroffenen Bürger und Bürgerinnen. Dünnes Eis also.

Bürokratiekosten und Überregulierung gelten vielen Unternehmen als die größten Innovationsbremsen. So wird das große Warten aufs Amt zum globalem Wettbewerbsnachteil. Der sogenannte Bürokratiekostenindex soll den Fortschritt beim Abbau der Belastung der Unternehmen sichtbar machen. Er bildet den Aufwand für Anträge, Meldungen, Kennzeichnungen, Statistiken oder Nachweise ab. Das Ergebnis: Die Kosten im Jahr 2012 wurden als 100 Prozent gesetzt, 2021 lagen sie bei knapp 97 Prozent - dazwischen liegen fast zehn Jahre. Viel hat sich also bislang nicht getan.

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