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Technologie > Panini

Beinharter Wettbewerb

Ein US-Kaugummihersteller sticht Panini aus. Den Italienern stehenschwere Zeiten bevor. Den Sammlern der Klebebildchen womöglich auch.

28.000 Euro wurden für ein komplettes Album der WM von 1970 angeboten.© picture alliance / Geisler-Fotopress | Christoph Hardt/Geisler-Fotopress

Angefangen hat es 1961 mit Bruno Bolchi, dem Kapitän von Inter Mailand, den man in Italien wegen seiner Herkuleskraft „Maciste“ nannte. Sein Schwarz-Weiß-Porträt war die Vorlage, mit der die Panini-Brüder Benito und Giuseppe einigen Druckereien ihre Geschäftsidee vorstellten: Klebebilder von Fußballern. Noch im gleichen Jahr kam die erste „Grande Raccolta Figurine Calciatori“ auf den Markt – das erste Sammelalbum mit Spielern der italienischen Serie A. Mit dabei ein gewisser Giovanni Trapattoni, der später als Trainer des FC Bayern („Spieler schwach wie eine Flasche leer!“) auch in Deutschland legendär wurde. Jetzt greift die US-Konkurrenz nach dem lukrativen Geschäft.

Panini aus dem norditalienischen Modena druckt jedes Jahr mehr als sechs Milliarden Bildchen, die für 400 verschiedene Alben gedacht sind. Seit der Fußballweltmeisterschaft 1970 in Mexiko ist der Verlag auch international aktiv. Der Mittelständler hat im vergangenen Jahr mit 1200 Beschäftigten 1,32 Milliarden Euro umgesetzt – Rekord. Das Unternehmen ist mit mehr als einem Dutzend Tochtergesellschaften in 150 Ländern vertreten. Neben den Bildchen vertreibt Panini 7000 verschiedene Comics von Disneys Micky Maus bis zu Mangas.

In Deutschland beschäftigt Panini rund 70 Mitarbeiter, der Umsatz erreicht 50 Millionen Euro. Ein Drittel geht auf das Geschäft mit Fußballbildchen und Sammelkarten zurück. An mehr als 60.000 Verkaufsstellen in Deutschland werden die Tütchen mit dem Panini-Ritter vertrieben – zunehmend auch an Supermarktkassen und Tankstellen, weil die Zahl der klassischen Kioske seit Jahren zurückgeht. Vor der Fußball-WM in Katar herrscht wieder Hochkonjunktur. „Der Verkauf ist gut gestartet“, sagt Hermann Paul, Geschäftsführer der Panini Verlags GmbH in Stuttgart. Man werde in Deutschland beim Verkauf der Päckchen sicherlich Stückzahlen in Millionenhöhe erreichen. Am meisten sei bei der WM 2006 in Deutschland verkauft worden. „Diese Dimension erreichen wir nicht“, sagt Paul.

Es sieht so aus, als müsse sich Panini insgesamt an kleinere Dimensionen gewöhnen. Denn um den lukrativen Bildchenmarkt tobt ein beinharter Wettbewerb. Wie im vergangenen April bekannt wurde, hat der europäische Fußballverband Uefa die Verkaufs- und Vermarktungsrechte an den Konkurrenten Topps veräußert. Das US-Unternehmen hat nicht nur Sammelkarten im Angebot, sondern auch Süßwaren. Groß geworden ist die Firma mit den Bazooka-Kaugummis. Diese waren einst in Sammelbilder eingepackt. In den 1950er-Jahren wurden dann Sammelkarten, ähnlich denen von Panini, zu einem wichtigen Geschäft. Erst wurden darauf Western- und Fernsehstars gezeigt, bald kamen Sportler aus dem Baseball dazu.

Schon zur Fußballeuropameisterschaft 2024 in Deutschland wird es keine offiziellen Klebebildchen aus Modena mehr geben. Damit endet die Partnerschaft, die 1980 begann. Topps hat bereits die Rechte für die Sammlungen zur Fußballbundesliga und zur Champions League. Hingegen konnte sich Panini 2019 die britische Premier League zurückerobern. Zudem verkaufen die Italiener die Bildchen für die italienische, spanische und französische Liga. Nicht zuletzt hält man weiterhin das wohl wichtigste Recht auf dem Stickermarkt: jenes für die Fußballwelt­meisterschaft.

 

Fanatics greift zu

Den Verlust der Eurofußballlizenz bedrückt die Führung in Modena weit weniger als die auslaufenden Rechte in den USA, die mit den wichtigsten Sportereignissen verbunden sind. Ab 2026 können die Italiener keine Bildchen mehr aus der Basketballliga NBA und dem Football der NFL vertreiben. Die Lizenzen hat sich der Konkurrent Fanatics gesichert.

„Wir müssen unsere Ausrichtung in den USA deshalb überdenken“, gibt Vorstandschef und Miteigentümer Aldo Hugo Sallustro zu. In den Vereinigten Staaten setzte Panini zuletzt 350 Millionen Euro um. Der Verlust der Rechte hat US-Interessenten um den ehemaligen Baseballstar Alex Rodriguez abgeschreckt, die Panini übernehmen und an die Börse bringen wollten. Das Geschäft ist inzwischen geplatzt.

Solche Details kümmern die großen und kleinen Sammler in aller Welt wenig. Sie versuchen seit dem Verkaufsbeginn im September alle 670 Sticker zu ergattern, um das 80 Seiten starke Album zur Fußball-WM zu vervollständigen. Die derzeit hohe Inflation werde das Geschäft nicht negativ beeinflussen, meint Paul. Panini bewege sich in einem Preissegment, in dem das Produkt noch relativ günstig sei. Konsumeinschränkungen beträfen eher größere Anschaffungen. Und die jüngere Zielgruppe habe normalerweise ihr Taschengeld. Er gehe nicht davon aus, dass dieses jetzt gekürzt werde, sagt Paul.

 

670 Sticker für ein Album

Die wichtigste Frage der Sammler lautet: Wie viele Tütchen muss man mindestens kaufen, um sicher alle 670 Sticker ins Album kleben zu können? Fünf Sticker für das Album zur WM 2022 kosten einen Euro – also 20 Cent pro Bild. Ein stolzer Preis. Der deutsche Panini-Statthalter glaubt, dass die Sammler „zwischen 140 bis 150 Euro“ ausgeben müssen, damit das Album voll ist. Vorausgesetzt, man tausche auch kräftig, schiebt Paul vorsorglich nach. In einer Tüte seien nie zwei identische Bilder drin.

Paul Harper, Mathematik-Professor an der Cardiff University in Wales, hat sich der wichtigsten aller Panini-Fragen wissenschaftlich angenommen. Tausch und Extrabestellungen einzelner Bilder ausgeklammert, kam er für das Panini-Album von 2018 auf 967 Stickertütchen. Im Durchschnitt würde das die Sammler also mehr als 870 Euro kosten. Verbünden sich zehn Fans zu einer Tauschgruppe, so geben sie den Berechnungen zufolge im Schnitt immer noch 280 Euro aus, um das Album komplett zu füllen. Das dürfte echte Sammler auch dieses Mal kaum abschrecken, manchen Taschengeldbezieher aber überfordern.

Erfahrene Sammler können über diese Beträge allerdings nur lächeln. Ein komplettes Album der WM von 1970 wurde Mitte Oktober für mehr als 28.000 Euro angeboten. Sicher ein Spitzenpreis. Andere Alben erzielen aber immer noch hohe dreistellige bis vierstellige Beträge. Der Run auf die begehrten Sticker hat sich jüngst in Argentinien sogar zur Staatsaffäre entwickelt. Weil die Sammler nicht genügend Bildchen ihrer WM-Idole an den Quioscos kaufen konnten, wurde Handelsminister Matias Tombolini sogar bei Panini vorstellig.

Besonders begehrt ist der Sticker von Star Lionel Messi. „Holy crab! I got Messi, I can’t believe it“, twitterte jüngst Marc Stanley – US-Botschafter in Argentinien. Mit großer Anteilnahme haben die Bilderfans hingegen Ende September den Tod von Bruno Bolchi aufgenommen. Der „Adam der Sticker“ ist im Alter von 82 Jahren in Florenz gestorben. „Ciao Maciste“, twitterte Panini seiner „Numero Uno“ zum Abschied hinterher. 

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