Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Technologie > Effizientere Logistik

Bessere Lagerverwaltung dank moderner Software

Software, Roboter und Drohnen sorgen im Lager für mehr Überblick – und erhöhen zugleich die Produktivität. Was mittelständische Unternehmen bei der Umstellung der Verwaltung beachten müssen.

Was im Lager wo liegt und wann wofür gebraucht wird, ist oft gar nicht so einfach festzustellen. Beispielsweise bei komplexen Baugruppen wie Achsen, Getrieben und Antriebssträngen werden bis zu 300 Einzelteile benötigt. Doch das Wissen, an welchen Orten die zahlreichen für die Produktion benötigten Komponenten gelagert werden, ist entscheidend für die Lagerverwaltung. „Die große Zahl an Lagerorten und Prozessketten hat in der Vergangenheit häufig Probleme verursacht“, berichtet Harald Kraus, Leiter der Logistik bei der NAF Neunkirchener Achsenfabrik. Das Unternehmen stellt Achsen und Getriebe her, die in Forst-, Bau- und Landwirtschaftsmaschinen zum Einsatz kommen. Vor allem bei der Suche nach Teilen mussten die Mitarbeiter im Lager viel Geduld und Zeit aufbringen, weil sie nicht wussten, wo die gefragten Produkte oder Bauteile lagern. Noch ärgerlicher war, dass aus der mangelnden Übersicht Planungsfehler entstanden, die im schlimmsten Fall sogar einen Produktionsstillstand nach sich zogen.

Doch diese Suchspiele gehören der Vergangenheit an. „Wir haben uns für eine Lagerverwaltungssoftware entschieden, weil die Lagerfunktionen unseres ERP-Systems für unseren Bedarf bei weitem nicht ausgereicht hatten“, sagt Kraus. Einer der wichtigsten Gründe für die Entscheidung war der modulare Aufbau der Software, wodurch die Abbildung von Erweiterungen oder Prozessänderungen möglich war. Darüber hinaus verwaltet das Programm unterschiedliche Lagertechnik – bei NAF sind dies beispielsweise drei Karusselllager und ein Lagerlift.

Neue Methoden

Die für die Produktion bei NAF benötigten Bauteile kommen entweder von Lieferanten oder werden als Rohteil eingekauft und in der eigenen Fertigung weiterbearbeitet. In Montagegruppen und am Fließband setzen die Mitarbeiter die Teile und Komponenten zum Endprodukt zusammen, das dann entweder im Versandlager eingelagert wird oder bei bereits vorliegenden Kundenbestellungen gleich an den Kunden geht.

Je nach Bauteil führt der Weg durch verschiedene Lagerorte vom Wareneingang über die Produktion und Montage bis hin zum Versandlager. „Es kann aber auch vorkommen, dass eingekaufte Teile gleich wieder als Ersatzteil an den Kunden versandt werden“, erklärt Kraus. Um hier die Übersicht zu behalten, war eine Neuorganisation der Logistik erforderlich, die von der neuen Software unterstützt wird.

Die Umstellung der betrieblichen Logistikprozesse erfolgte in mehreren Phasen, damit sich die 90 beschäftigten Mitarbeiter in den einzelnen Logistikbereichen allmählich an das neue System gewöhnen konnten. Nach dieser Übergangsphase ging es in die alltägliche Arbeitsorganisation. „Nun können wir Lagerentnahmen nach dem Prinzip ‚first in – first out‘ konsequent umsetzen, da die Teile eindeutig identifizierbar sind“, sagt Christian Franke, Gruppenleiter Wareneingang und Versand bei NAF. Damit kann das Unternehmen vermeiden, dass bei Material- oder Konstruktionsänderungen Alt- und Neubestände vermischt werden.

Besseres Management

Auch Verluste durch die Entsorgung von Altbeständen, die nicht rechtzeitig verbraucht worden sind, gehören der Vergangenheit an. Die in der Software enthaltene Funktion für Mindesthaltbarkeitsdaten erlaubt es, bei bestimmten Produkten wie Dichtungen oder Lackfarben die Verwendung nach Ablauf der Haltbarkeit automatisch zu stoppen. Darüber hinaus lassen sich über die Chargenverwaltung im Fall eines Fertigungs- oder Materialfehlers die Produktions- und Lieferketten genau zurückverfolgen.

Eine große Herausforderung war die Umstellung der Lagerhaltung in der Montageabteilung auf die Kanban-Methode, das Vermeiden von Verschwendung in der Produktion, um die Bestände stärker auf den Bedarf abzustimmen. Bei der Entnahme von Teilen erfolgt die Abbuchung per Barcode-Scan. Für die Teile sind in der Software Mindestbestände hinterlegt, so dass bei einer Unterschreitung die Nachbestellung automatisch ausgelöst wird.

Wie Software das Lager verwaltet

 

Ein Lagerverwaltungssystem dient, wie der Name nahelegt, der Verwaltung von eingelagerten Materialien. Was sich in welcher Stückzahl an welchem Ort im Lager befindet, darüber gibt die Software Auskunft. Jeder Artikel wird vom Wareneingang bis zum -ausgang mit seinem Ablageort und der -menge im Programm erfasst und verwaltet. Dadurch lässt er sich jederzeit sicher auffinden.

 

Die Ablage findet dort statt, wo gerade Platz ist. Denn die Lagersoftware verwaltet eine schier unendlich große Anzahl von Artikeln und Produkten und kann genau zuordnen, wo sie gelagert sind.Über einen Leitstand lässt sich sekundengenau der aktuelle Status der Abläufe im Lager darstellen. Fehler können dann festgestellt und korrigiert werden.

 

Die Software schafft Ordnung und erlaubt eine bessere Auslastung von Räumen, Maschinen und Mitarbeitern. Zudem unterstützt das Programm die Kommissionierung, also das Zusammenstellen von einzelnen Teilen zu einer vollständigen Lieferung.

Auch bei unvorhersehbaren Ereignissen kann die Software Trümpfe ausspielen. Bei einem Termin-Sonderfall setzt die Verwaltung von sogenannten Bypass-Aufträgen ein. „Es kann zum Beispiel vorkommen, dass für einen Kunden ein dringend benötigtes Ersatzteil an den regulären Aufträgen vorbei durch die Produktion geschleust werden muss“, sagt Karl-Heinz Eger, Gruppenleiter für Kommissionierung und Ersatzteilversand bei NAF. Die Bypass-Funktion zeigt den verantwortlichen Mitarbeitern an, dass neu eingetroffene oder hergestellte Teile in ein separates Lager gebracht und dort eingebucht werden müssen.

Höhere Produktivität

Wegen der über die Software verbundenen Logistik- und Produktionsdaten konnte NAF seinen Herstellungsprozess deutlich optimieren. Wurden früher die für die Produktion benötigten Materialien beim Staplerfahrer per Zuruf oder Handzettel geordert, erhält er nun bei zur Neige gehenden Vorräten die Materialanforderung automatisch als Meldung auf dem Handscanner angezeigt. „Wir können in unseren Logistikbereichen seit der Einführung der Software eine Produktivitätssteigerung von 25 Prozent erzielen“, sagt Logistikleiter Kraus.

Von deutlichen Vorteilen durch die Modernisierung der Lagerverwaltungssoftware berichtet auch Adriaan Zwaneveld, Direktor Sales and Logistics bei UFP Deutschland. Das Unternehmen betreibt mit 126 Mitarbeitern einen Versandhandel für Druckerzubehör und Speichermedien mit Geschäftskunden. Neben 40 Großkunden sind auch mehrere Hundert kleinere Abnehmer dabei, die Kleinstmengen abnehmen. Auf 11.000 Quadratmetern werden 6.500 lieferbare Artikel wie 3-D-Drucker, Papier, Toner und Patronen sowie Speichermedien bereitgehalten.

Die Ansprüche der Kunden seien gestiegen, innerhalb von 24 Stunden müssten die Aufträge ausgeliefert werden, betont Zwaneveld. „Mit unserer alten Lagerverwaltungssoftware und einer papierbasierten Kommissionierung waren wir nicht mehr flexibel genug.“ So mussten früher die Mitarbeiter oft umständlich die Texte der Produktverpackungen mit den Auftragsdaten abgleichen, nun genügt ein kurzer Scan. Diese Daten wandern dann zeitgleich in die Lagerverwaltungssoftware. Diese wiederum rechnet anhand der Artikelstammdaten sowie anhand von Artikelmenge und -gewicht die benötigte Größe des Versandmittels bereits aus und sagt dem Kommissionierer, wie die Artikel zu packen sind. Indem die Lagerverwaltungssoftware die EAN-Codes scannt und das Gewicht ermittelt, sind bereits automatisch Kontrollprozesse integriert, die im früheren System noch extra hinzukamen. Dazu zählt etwa die Überprüfung, ob tatsächlich die richtige Bestellung verpackt wurde.

Ständige Übersicht

Ein besonderer Fall ist die Inventur der Lagerbestände. Wenn Unternehmen ihre Bestände prüfen, soll der betriebliche Alltag so wenig wie möglich gestört werden. Mit mathematisch-statistischen Verfahren, wie der Stichprobeninventur, kann der Zählaufwand – und somit auch die Kosten – um bis zu 99 Prozent verringert werden. Dafür bedarf es aber prozessgesteuerter oder automatisierter Lagerumgebungen. „In der Logistik geht der Trend hin zum Sequentialtest“, sagt Christian Günther, Spezialist für die Stichprobeninventur bei Inform. „Das heißt, die Lagerbuchführung wird anhand von nur 70 Positionen überprüft– auch wenn sich 150.000 oder mehr Elemente im Lager befinden. Wenn nur 70 Artikel davon gezählt werden müssen, bedeutet das eine immense Kosteneinsparung. Die Voraussetzung dafür ist allerdings eine hohe Genauigkeit im Lager.“

Für mehr Effizienz im Lager wird stets an Innovationen gearbeitet. So geht der Trend zur „Drohneninventur“. Schon bald sollen intelligente Flugkörper durch die Lagerhallen schweben und automatisch zählen. So jedenfalls prognostiziert Günther den nächsten Schritt der Lagerautomatisierung.

Während der Einsatz von Drohnen noch Zukunftsmusik ist, übernehmen Roboter bereits die vollautomatische Einzelstück-Kommissionierung. So liefert TGW Logistic Systeme, die intelligent und selbstlernend einsetzbar sind. Sie reagieren selbständig bei überraschenden Ereignissen – ohne manuellen Eingriff. Zudem packt der Roboter weiche oder formstabile Verpackungen ganz nach dem Bedarf des Teils an. Sogar durcheinanderliegende Artikel kann der Roboter ordnen.


Dieser Text gehört zu einem Thema aus der Markt-und-Mittelstand-Ausgabe 05/2018. Hier können Sie das Heft bestellen und „Markt und Mittelstand“ abonnieren.

Ähnliche Artikel