Braucht Deutschland eine DARPA? Debatte um Wehrtechnik der Zukunft
DARPA gilt als Vorbild militärischer Innovation. Braucht Deutschland ein Pendant? Experten diskutieren die Zukunft von Sprind.mil und Wehrtechnologie.

Technologisch betrachtet ist die US-Armee die beste der Welt – soweit sich das angesichts der Geheimhaltung, die das Militär umgibt, sagen lässt. Unter anderem sind die Amerikaner so weit vorn, weil sich viele Forscher seit Jahrzehnten darum kümmern. 1958 gründete die Regierung die Defense Advanced Research Agency (Darpa). Die Sowjetunion hatte gerade Sputnik ins All geschossen, die USA flogen hinterher. Das sollte sich nicht wiederholen. Darpa entwickelte unter anderem den Tarnkappenbomber, aber auch die Grundlagen von GPS, Internet, Sprachassistenten.
Europa und Deutschland setzten bisher auf die militärische Kraft der USA, doch die scheint sich zurückzuziehen – braucht die Bundesrepublik also eine ähnliche Agentur?
Rafael Laguna de la Vera sieht das so. Er ist Chef der Bundesagentur für Sprunginnovation (Sprind) in Leipzig, die die Technologie von Übermorgen finden und fördern soll, und schlägt vor, eine solche Agentur auch für militärische Anwendungen zu gründen. Er schätzt, dass eine Milliarde Euro für fünf Jahre nötig sind, „um einen nachhaltigen Effekt auf die militärische Innovationslandschaft zu haben.“
Sprind.mil, wie de la Vera die Agentur nennt, soll unabhängig von seiner bestehenden Agentur sein, mit Bundeswehr, Sicherheitsbehörden und europäischen Militärs zusammenarbeiten. Sie soll seiner Ansicht nach möglichst sofort gegründet werden. Ziel ist Technologieführerschaft, auch Innovationen aus anderen Nato-Staaten sollen gefördert werden. Dabei sollen die technischen Neuerungen transformativ sein, die Bundeswehr verändern. De la Vera würde Sprind.mil aus der bestehenden Sprind heraus bis Anfang 2026 entwickeln.
Infokasten: Darpa
DARPA steht für Defense Advanced Research Projects Agency. Sie ist eine Forschungsbehörde des US-Verteidigungsministeriums, gegründet 1958 als Reaktion auf den sowjetischen Sputnik-Schock.
Ziel:
DARPA soll bahnbrechende, oft risikoreiche Technologien mit strategischem Nutzen für das Militär entwickeln – also Sprunginnovationen, die militärische und oft auch zivile Anwendungen revolutionieren. Bekannte Entwicklungen aus DARPA-Projekten:
- Internet (ARPANET)
- GPS (Grundlagenforschung)
- Tarnkappentechnologie (Stealth)
- Drohnen, autonome Systeme
- Sprachassistenten und KI-Grundlagen
- Moderne Robotik (z. B. Boston Dynamics)
Besonderheiten:
- DARPA agiert flexibel, mit kurzen Entscheidungswegen
- Forscher erhalten große Freiheit
- Viele Projekte bleiben geheim
- Zusammenarbeit mit Universitäten, Start-ups und Unternehmen
DARPA gilt als Vorbild für Innovationsagenturen weltweit – nicht nur im Militärbereich, sondern auch in zivilen Innovationsstrategien (z. B. bei Sprind in Deutschland oder ARIA in Großbritannien).
Bei der Bundeswehr hält sich die Begeisterung bisher in Grenzen. Schließlich hat sie bereits zwei Agenturen, die sich um neue Technologien kümmern: den Cyber Innovation Hub bei der BWI, dem IT-Dienstleister und Digitalisierungspartner der Bundeswehr in Meckenheim und die Cyberagentur in Halle. Eine Dritte, so die Ansicht, ist nicht nötig. Der Innovation Hub schlägt nach eigener Aussage die Brücke zwischen Bundeswehr und Start-up-Welt. Die Cyberagentur entwickelt Schlüsseltechnologien für die äußere und innere Sicherheit im Kampf gegen Cyberattacken. Auch sie orientiert sich am Darpa.
Ob es Sprind.mil geben wird? Unklar. Bisher hat die neue Bundesregierung nichts entschieden.
Zeitenwende in der Rüstung: Deutschland setzt auf Stärke und Solidarität
Im Jahr 2025 plant die Bundesregierung Deutschlands Verteidigungsausgaben auf etwa 95 Milliarden Euro zu erhöhen. Diese Summe setzt sich zusammen aus:
- dem regulären Verteidigungshaushalt (Einzelplan 14) von 53,25 Milliarden Euro
- zusätzlichen 22 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Bundeswehr
- Weitere rund 20 Milliarden Euro stammen aus verteidigungsbezogenen Ausgaben anderer Ressorts.
Auf europäischer Ebene hat die EU im März 2025 das Verteidigungsprogramm „Readiness 2030“ (zuvor „ReArm Europe“) vorgestellt. Ziel ist es, bis 2030 bis zu 800 Milliarden Euro für die europäische Verteidigung zu mobilisieren. Ein Bestandteil dieses Plans ist der „Security Action for Europe“ (SAFE)-Fonds, der 150 Milliarden Euro an Darlehen für gemeinsame Rüstungsprojekte bereitstellt.
Diese Entwicklungen spiegeln die verstärkten Bemühungen wider, die Verteidigungsfähigkeiten sowohl Deutschlands als auch der EU angesichts aktueller sicherheitspolitischer Herausforderungen zu stärken.
Wer profitiert von deutschen Waffen?
Ein genauerer Blick auf die Exportzahlen offenbart interessante Muster: Top 5 Empfängerländer deutscher Rüstungsexporte 2024:
- 1. Ukraine: 8.137.164.112 Euro - Hauptsächlich zur Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg
- 2. Singapur: 1.217.944.022 Euro - Strategischer Partner in Südostasien, Fokus auf maritime Sicherheit
- 3. Algerien: 558.719.786 Euro - Wichtiger Partner in Nordafrika, Kooperation im Bereich Grenzsicherung
- 4. Vereinigte Staaten: 298.518.591 Euro - NATO-Partner, Austausch von Hochtechnologie-Rüstungsgütern
- 5. Türkei: 230.842.622 Euro - NATO-Mitglied, komplexe sicherheitspolitische Beziehungen

Bundeswehr in Zahlen
Nach Jahren des Schrumpfens ist die Bundeswehr seit dem Jahr 2016 personell wieder auf Wachstumskurs. Derzeit sichern über 260.000 Menschen – 181.630 in Uniform und 81.635 in Zivil – die personelle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr.
Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr werden in vier Statusgruppen eingeteilt (Stand: Dezember 2024):
- Soldatinnen und Soldaten auf Zeit - (113.386)
- Berufssoldaten - (57.668)
- Freiwillig Wehrdienstleistende - (10.304)
- Freiwillig Wehrdienstleistende im Heimatschutz - (272)
Derzeit leisten 24.698 Frauen Dienst als Soldatinnen bei der Bundeswehr, was einem Anteil von über 13 Prozent entspricht.
Mehr Informationen erhalten Sie direkt bei der Bundeswehr hier.
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