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Technologie > Internet in Gewerbegebieten

Breitbandausbau in Deutschland: Unternehmen helfen sich selbst

Die Breitbandabdeckung in Deutschland ist chronisch schlecht. Unternehmen sind in Zeiten der Digitalisierung aber auf schnelles Internet angewiesen. Dort, wo sich der Netzausbau für die Anbieter nicht lohnt, müssen sich Mittelständler selbst helfen.

Eine fünfstellige Summe musste Alexander Weil investieren, um sein Unternehmen auf den technischen Stand zu bringen, den seine Kunden in Nordamerika, Indien, China oder im Uralgebirge gewohnt sind. „Unsere Kunden auf der ganzen Welt erwarten von uns, dass wir ihre Maschinen fernwarten und online debuggen können“, sagt der Geschäftsführer von Evobeam, einem Hersteller von Vakuummaschinen für die Automobil-, Luft- und Raumfahrtindustrie in Nieder-Olm bei Mainz. 

Doch für einen solchen Service, der in Zeiten der Digitalisierung fast schon selbstverständlich ist, war der bestehende Anschluss mit weniger als 10 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) in der Praxis zu langsam und vor allem zu instabil. „Ständig brach die Leitung zusammen“, erinnert er sich. Also nahm er 2017, nachdem das Unternehmen übergangsweise aufs LTE-Handynetz zurückgegriffen hatte, 13.300 Euro in die Hand und ließ auf eigene Rechnung eine Breitbandleitung mit mehr als 500 Mbit/s zum nächsten Glasfaserknotenpunkt legen. Sonst hätte er lange warten können: Ein Glasfaseranschluss in dem Teil des Gewerbegebiets, in dem Evobeam seinen Sitz hat, war nicht vorgesehen. 

Jedes dritte Gewerbegebiet ohne Breitband

Mit seinem Problem stand der Maschinenbauer nicht allein da – im Gegenteil: Hunderte deutsche Unternehmen beklagen zu langsame Internetleitungen, und auch Wirtschaftsverbände halten sich mit zum Teil vehementer Kritik nicht zurück. Wie groß die Misere ist, zeigen Zahlen des Bundesverkehrsministeriums. Demnach hat jedes dritte der gut 60.000 Gewerbegebiete in Deutschland noch keinen Breitbandanschluss. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion kurz vor der Sommerpause hervor. In manchen Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen liegt die Höchstgeschwindigkeit des Internets in mehr als der Hälfte der Gewerbegebiete unter 50 Mbit/s. 

Damit sind viele Mittelständler langsamer im Internet unterwegs als der private Ottonormalsurfer, der Verträge mit Übertragungsraten unter 100 Mbit/s kaum noch unterschreibt. Nichtsdestotrotz definiert die Politik eine Rate von 50 Mbit/s weiterhin als die Grenze, ab der eine Verbindung als „Breitband“ gilt. Aber selbst an diesem wenig ambitionierten Anspruch scheitert die Politik. Eigentlich hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel schon 2009 in ihrem Videopodcast „flächendeckendes Breitband“ angekündigt. In den folgenden Jahren wurde das grundsätzliche Versprechen von verschiedenen Vertretern der Bundesregierung zwar mit immer neuen Zieldaten wiederholt – umgesetzt ist es aber bis heute nicht. Im Sommer 2018 veröffentlichte der Europäische Rechnungshof eine Studie und stellte schon damals fest, dass Deutschland das europaweit ausgerufene Ziel eines flächendeckenden Gigabitnetzes bis 2025 wohl nicht erreichen werde – weil der Ausbau zu langsam erfolge und zudem auf die falsche Technologie gesetzt werde: Statt teurer Glasfaserkabel werde hierzulande häufig auf die sogenannte Vectoring-Technologie gesetzt. Die sei zwar billiger, mit ihr seien aber keine hohen Geschwindigkeiten möglich. 

Anbieter: Ausbau muss sich lohnen

Dennoch hält die Bundesregierung an dem Ziel eines flächendeckenden Netzes fest, wie das Bundesverkehrsministerium auf Nachfrage mitteilte – sieht allerdings die privatwirtschaftlichen Telekommunikationsanbieter in der Pflicht. Die hingegen verweisen darauf, dass sich der Ausbau auch für sie finanziell lohnen muss – sprich, genügend Kunden auch entsprechende Verträge abschließen.

Wollen die Unternehmen auch in Gewerbegebieten, wo dies nicht der Fall ist, schneller unterwegs sein, müssen sie sich selber helfen – und mitunter tief in die Tasche greifen. So wie Evobeam, wo man seit nunmehr zwei Jahren endlich das machen kann, was die Kunden erwarten. Kein Wunder, dass Alexander Weil glücklich ist über den heutigen Anschluss.

Wie der schleppende Breitbandausbau Mittelständler schon heute aufhält – und wie er es vor allem in Zukunft tun dürfte –, lesen Sie in der Titelgeschichte der neuen „Markt und Mittelstand“-Ausgabe (9/2019). Hier können Sie das Heft bestellen oder abonnieren.

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