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Technologie > Produktionsumstellung

Corona-Krise: aus der Not erfinderisch

Weil weltweit die Aufträge einbrachen, sattelte der fränkische Automobilzulieferer Jopp auf Gesichtsmasken um. Dabei nutzte der Mittelständler sein Know-how aus der Verarbeitung von Leder für Interieurbauteile von Automobilen.

Eigentlich liefen die Geschäfte recht gut in den vergangenen Jahren. Von seiner Hauptniederlassung im beschaulichen Bad Neustadt an der Saale aus steuerte der Automobilzulieferer Jopp seine Aufträge und die Fertigung in den sieben weltweiten Werken in Tschechien, Ungarn, China, Indien, Mexiko, Brasilien und den USA sowie in seinen deutschen Werken in Franken, im Schwarzwald und in der Eifel. Dort ließ Mitinhaber und Geschäftsführer Martin Büchs Komponenten für die Automobilindustrie aus so unterschiedlichen Materialien wie Stahl, Kunststoff und Elektronik herstellen. Im Sortiment: Schaltknäufe und Schaltsäcke sowie Getriebeschaltungen, Parksperren, elektronische Bauteile und auch Dreh-Sinterteile.

Zu den Kunden von Jopp zählen Unternehmen aus den Bereichen Automobilbau, Industrieelektronik und Medizintechnik. Mit 1.900 Mitarbeitern, die meisten davon in Deutschland beschäftigt, erwirtschaftete das Unternehmen jährlich rund 200 Millionen Euro Umsatz. Dann der Schock: Ende März stehen schlagartig fast alle Räder und Bänder still, weil die Flaute in der Automobilbranche es so will – ausgelöst durch die Corona-Krise. Das erforderte eine rasche Reaktion des Mittelständlers. Neben den Aktivitäten zur Virenbekämpfung stellte sich das Unternehmen die Frage, wie lange ein kompletter Stillstand finanziell durchgehalten werden kann. „Unser Worst-Case-Szenario basiert auf der Annahme, dass wir für einige Monate einen Umsatzausfall von 95 Prozent durchstehen müssen“, sagt der studierte Wirtschaftsmathematiker Büchs, „doch zum Glück zeichnet sich heute ab, dass es nicht ganz so schlimm wird.“ Gleichwohl muss das Unternehmen einen Umsatzausfall von bisher 70 Prozent verkraften. Aber durch die langen Zahlungsziele der Kunden kommt vorerst trotzdem noch Geld in die Kasse.

Die Idee, das Geschäft mit den Stoffmasken auszubauen, kam bereits im Januar, als der Geschäftsführer des Werks in China Atemschutzmasken in Deutschland anforderte. Einige Tausend Exemplare wurden von Bad Neustadt nach China versandt. Weil auch das Nähen und Verarbeiten von Leder für Interieurbauteile von Automobilen schon lange Teil des Angebots war und daher sowohl das nötige Schneiderei-Equipment als auch das handwerkliche Know-how vorhanden waren, schaffte es Jopp, innerhalb von nur einer Woche in zwei Werken auf die Fertigung von Stoffmasken für Mund und Nase umzustellen. So konnte zumindest eine Beschäftigung für einen Teil der Mitarbeiter gesichert werden, und das an Standorten, wo es kein Kurzarbeitergeld gibt. Die Umstellung war nicht so leicht zu stemmen, weil Jopp seine Planungs- und Fertigungsprozesse eigentlich an die branchentypische Langfristigkeit von Monaten und Quartalen ausgerichtet hatte. Jetzt aber musste es schnell gehen.

Schneller Produktionsumbau

Eine besondere Herausforderung sei es gewesen, berichtet Martin Büchs, die benötigten Ausgangsmaterialien für die massenhafte Fertigung von Stoffmasken zu beschaffen und zugleich einen stabilen Produktionsprozess aufzusetzen. Doch auch hier konnten sich die Franken der Erfahrung aus dem eigenen Firmenverbund bedienen: Im tschechischen Werk gab es nämlich schon Wochen zuvor eine behördliche Maskenpflicht. Die Mund-Nasen-Maske dieses Typs ist zwar kein medizinisches Produkt, weil sie die medizinischen Ansprüche zur vollständigen Filterung von Viren nicht erfüllt. „Aber sie hilft dabei, die Übertragung der Viren durch Tröpfcheninfektion zu verringern“, sagt Büchs: „Wenn alle eine solche Maske tragen, haben wir auch alle eine bessere Chance, gesund zu bleiben.“

Wichtig war Jopp das Handling der Masken – etwa in Unternehmen, wenn Mitarbeiter über einen längeren Zeitraum mit Atemschutz arbeiten müssen. Was ist mit Asthmatikern? Ein Leitfaden hilft beim richtigen Einsatz. Auch ein Fragenkatalog ist auf der Webseite zu finden. Dort können sich die Kunden auch zusätzliche Merkblätter mit Hinweisen für die richtige Anwendung herunterladen.

„Immer mehr Unternehmen, Behörden, Hochschulen, Schulen und Pflegeeinrichtungen müssen sich damit befassen, dass sich die Mitarbeiter am Arbeitsplatz sicher fühlen, auch nach dem Ende der Ausgangsbeschränkungen“, sagt Büchs. Seiner Überzeugung nach sind Stoffmasken ein guter Kompromiss, zumal sie ohne die massiven Umweltbelastungen von Einmalmasken auskommen. Außerdem hat sich die Umstellung der Produktion bisher gelohnt: „Wir spüren gerade eine hohe Nachfrage, auch nach Masken mit Firmenlogos, und passen unsere Kapazitäten permanent nach oben an.“

Jopp-Gruppe

 

Geschäftsführer sind Hubert P. Büchs, Martin Büchs und Richard Diem. Der Hauptsitz des Unternehmens befindet sich in Bad Neustadt an der Saale. Niederlassungen gibt es in Tschechien, Ungarn, China, Indien, Mexiko, Brasilien und den USA. Branchen der Abnehmer sind Automobilbau, Industrieelektronik und Medizintechnik. Die Gruppe beschäftigt 1.900 Mitarbeiter und erwirtschaftet 200 Millionen Euro Umsatz pro Jahr.

Den Staat um Hilfe zu bitten will Martin Büchs möglichst vermeiden. „Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir keine Staatshilfen benötigen. Unser Eigenkapital beträgt 40 Prozent“, rechnet er vor. Das Familienunternehmen, das sein Vater Hubert Büchs im Jahr 1991 übernommen und weiterentwickelt hat, bewegt sich in einem „kapitalintensiven Umfeld“, sprich: „Wir haben sehr viel Geld in Gebäude und Maschinen investiert“, sagt Büchs. Eine sechsstellige Anzahl an Masken hat seine Firma bereits gefertigt. Retten werde das allein seine Firma nicht, meint Büchs. Aber es helfe, einen Teil der Fixkosten für Gebäude und Maschinen zu decken, während die Firma kaum Umsatz erwirtschaftet.

Dabei denkt er nicht nur an finanzielle Vorteile. Der im Kreisvorstand Rhön-Grabfeld des Roten Kreuzes ehrenamtlich tätige Unternehmer spendete Anfang April 500 Einwegmasken, die zum Schutz der Helfer verwendet werden.

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