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Technologie > Zulieferer für die Automobilindustrie

Darum bleiben Zulieferer im Endprodukt oft unsichtbar

Viele Autozulieferer hätten gerne, dass ihre Komponenten im Endprodukt sichtbarer sind. Doch daran haben die Autoersteller kein Interesse. Warum das so ist, erklärt Markenexperte Steffen Wettengl im Interview.

Viele mittelständische Zulieferer wünschen sich, dass ihre Produkte im Endprodukt sichtbarer sind. Sie denken etwa an „Intel inside“ oder an eine Jacke mit dem „Goretex“-Aufnäher. Warum sieht man im Maschinenbau so gut wie nie solche Co-Brandings von Zulieferunternehmen?
Die US-Unternehmen Intel und Gore haben es geschafft, sich als Ingredient Brands, oder kurz Inbrands, zu positionieren. So etwas gelingt aber nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen. Die beiden wichtigsten sind: Die Komponente des Lieferanten muss maßgeblich für das Endprodukt sein und die Marktkonstellation muss das Ingredient Branding unterstützen.

Das erste Kriterium erfüllen Autos doch. Schließlich kommt ein Großteil der Komponenten von spezialisierten, oft mittelständischen, Zulieferern
Grundsätzlich ist das zwar richtig. Aber entscheidend für ein Inbrand ist, dass die Komponente eine zentrale Bedeutung für die Performance des Endprodukts hat. Bei einem Auto mit seinen rund 10.000 Einzelteilen macht erst die Summe der Einzelteile das Endprodukt aus und nicht ein einzelnes. Hinzu kommt: Ein Autobauer hat mehrere Hundert Zulieferer – hier auch nur die wichtigsten mit einem Branding sichtbar zu machen ist schon aus Platzgründen unmöglich.

Auf Autoreifen steht aber durchaus Continental oder Michelin, auf einer Zündkerze oft Bosch oder Champion. Warum dann nicht auch auf der Einspritzpumpe oder dem Autositz?
Auf Autoreifen und Zündkerzen mag vielleicht der Herstellername stehen, aber deshalb sind es noch lange keine Inbrands. Denn ob die Pneus nun von dem einen oder dem anderen Hersteller kommen, ist für die Performance des Endprodukts wenig entscheidend.

Was sind geeignete Inbrand-Komponenten?
Dieser Frage ist die Hochschule Pforzheim nachgegangen und dabei zu folgendem Ergebnis gekommen: Inbrand-geeignet sind die Komponenten Airbags, Bremssysteme wie das Antiblockiersystem (ABS), die Klimaanlage, das Navigationssystem, Sitze oder auch Stabilitätssysteme wie das ESP. Wobei gerade das ESP ein gutes Beispiel dafür ist, dass ein Inbranding nicht immer gelingt.

Inwiefern?
Das Elektronische Stabilitätsprogramm, kurz ESP, wurde zwar vor 40 Jahren von Bosch für Mercedes entwickelt. ESP ist heute aber eine von Daimler geschützte Wortmarke – der Stuttgarter Autokonzern war damals Entwicklungspartner und ist bis heute bei vielen Innovationen eine Pilotkunde von Bosch.

Ist das denn erlaubt?
Ich bin kein Jurist. Ich würde aber schon sagen, dass eine gewisse Portion Chuzpe dazu gehört, um das Ergebnis einer gemeinsamen Entwicklung einfach so zu vereinnahmen.

Warum lassen sich Zulieferer das gefallen?
Das ist auch eine Frage von Marktstruktur und vor allem von Marktmacht. Die Zulieferer wollen möglichst viele Komponenten aus ihrem Portfolio an ihren Kunden verkaufen. Gerade in der Automobilindustrie gilt: Die Masse macht’s. Lieferaufträge müssen ein möglichst großes Volumen haben, damit es sich rechnet. Ob dann auf den Teilen der Firmenname steht, ist den Unternehmen nicht so wichtig.

Ein Teufelskreis also.
Stimmt. Je simpler einzelne Komponenten sind, umso austauschbarer werden sie und umso schlechter lassen sie sich branden. Irgendwann überträgt sich das aufs gesamte Komponentenportfolio.

Zurück zu „Intel inside“: Wie hat der US-Chiphersteller es geschafft, so sichtbar zu werden?
Entscheidend ist, dass Intel schon ganz früh Verträge über eine Kooperationswerbung mit den PCHerstellern abgeschlossen hat. Das war für beide Seiten ein lukratives Geschäft.

Intel bezahlte also dafür.
Ganz genau. Alle Computerhersteller, die den Sticker „Intel inside“ auf ihre Produkte klebten, bekamen einen Werbekostenzuschlag, der einer Art Rabatt auf die georderten Mikroprozessoren entspricht. Es gibt Schätzungen, wonach Intel auf diese Art und Weise 40 bis 50 Prozent der Werbekosten der PC-Hersteller bezahlte.

Warum gehen die großen Automobilzulieferer nicht genauso vor?
Dafür müssten sie sehr viel Geld auf der hohen Kante haben – mindestens ein paar Hundert Millionen Euro. Bosch, Continental und Co. geben enorm viel Geld für Forschung und Entwicklung aus. Daran können Sie erkennen, worauf diese Zulieferer ihren Fokus legen: auf Innovation. Aber es gibt noch einen weiteren Grund, warum das Intel-Konzept in der Automobilindustrie nicht funktionieren würde.

Welchen denn?
Inbrands funktionieren am besten, wenn wenige Lieferanten viele Abnehmer haben. Das ist in der Autobranche genau umgekehrt: Viele Automobilbauer gehören zu ein und demselben Konzern. Hinter den noch immer zahlreichen Marken steht nur ein gutes Dutzend großer Konzerne, allein zu Volkswagen gehören zwölf Marken. Der Markt für Kfz- Zulieferteile ist deshalb ein klassischer Käufermarkt, in dem die Marktmacht bei den OEM liegt. Warum sollten die also die Kompetenzen ihrer Zulieferer betonen und damit ihre eigene Verhandlungsposition schwächen?

Das heißt, ein Zulieferer hätte nur in Bereichen eine Chance auf ein Inbrand, wenn er sich außer Konkurrenz bewegt?
Autohersteller reklamieren für sich in der Regel das Fahrzeugdesign, die Antriebs- und Fahrwerktechnik, den Antrieb, die Sicherheit durch Assistenzsysteme und teilweise auch die Elektronik.

Für den Zulieferer bleibt da nicht mehr viel übrig.
Eben. Aber es gibt durchaus auch Beispiele für Nischen: Nehmen sie etwa Hifi-Systeme. Mit Marken wie Bose oder Bang & Olufsen werben die Autohersteller sogar ganz oofensiv. Oder auch Poltrona Frau, das ist ein italienischer Möbelhersteller, dessen Lederschneiderei liefert die Sitzbezüge für Maserati- Modelle liefert. All diese Kooperationen zwischen OEM und Zulieferern werten das Fahrzeug emotional auf. Dabei kommt es aber nicht zu Konflikten mit den Kompetenzdomänen der Autobauer. Außerdem ist der Nutzen für den Endkunden direkt wahrnehmbar, was für eine Zündkerze nicht gilt.

Derzeit wird die Autowelt tüchtig durchgeschüttelt – Stichwort Elektromobilität. Etliche OEM schieben den Bau von Batteriewerken auf ihre Zulieferer ab. Könnte das nicht doch noch den lang gehegten Wunsch erfüllen, ein Inbrand zu werden?
Das glaube ich eher nicht. Erstens hat selbst Bosch, der größte Automobilzulieferer der Welt, sich dagegen entschieden, eine eigene Batteriefabrik zu bauen. Zweitens: Vollelektrische Modelle wie der BMW i3 oder der Fiat 500e werden längst in Serie produziert, aber der Name des Zulieferers erscheint dennoch nicht am Heck.

Welchem Unternehmen geben Sie Chancen, eine neue „Inside“-Marke durchzusetzen?
Vor ein paar Jahren habe ich gute Chancen für Google gesehen. Ohne Google wäre das Thema fahrerloses Auto nicht annähernd so weit, wie es jetzt ist. Damit wäre zumindest eine wichtige Voraussetzung für ein Inbrand erfüllt gewese.

Warum hat es nicht geklappt?
Unter anderem, weil die Google-Mutter Alphabet vor zwei Jahren für ihre Self-driving-Aktivitäten die eigentlich starke Marke Google durch die Kunstmarke Waymo ersetzt hat. Erfolgreiche Marken wie Intel und Gore, aber auch Bosch, dem es mittlerweile gelungen ist, zumindest auf E-Bikes für die Endkunden sichtbar zu sein, setzen alle auf eine Dachmarkenstrategie. Alphabet mit Google und Waymo diversifiziert sich markentechnisch meiner Ansicht nach nun zu sehr.

Zur Person:

Steffen Wettengl (Jahrgang 1969) ist Professor für BWL sowie Leiter des Instituts für Fremdsprachen und Management (IFM) an der Hochschule Ulm. Vor seiner Zeit als Hochschullehrer war Wettengl in der Automobilzulieferindustrie tätig.


Dieser Text gehört zu einem Thema aus der Markt-und-Mittelstand-Ausgabe 11/2018. Hier können Sie das Heft bestellen und „Markt und Mittelstand“ abonnieren.

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