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Der Mittelstand hat sich digitalisiert, die Vermögensberatung von Mittelständlern aber nicht

Der digitale Wandel hat den Mittelstand massiv geprägt und verändert. Viele Mittelständler haben ihre Prozesse, Geschäftsmodelle, sogar die Unternehmenskultur im Rahmen dieses Wandels angepasst. Gleichzeitig müssen sich viele mittelständische Unternehmer nach wie vor mit einer analogen und veralteten Betreuung ihres Vermögens begnügen. Das ist schon lange nicht mehr zeitgemäß.

Vom Internet 1.0 bis 4.0 – die Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte alten Unternehmen des deutschen Mittelstandes sahen sich in den letzten Jahren großen Veränderungsherausforderungen gegenüber. Und sie haben sie fast durchgängig gemeistert. Durch die Umstellung auf digitale Prozesse oder die Einführung digitaler Produktionsstätten haben Unternehmenslenker ihre Firmen auf Kurs gehalten oder deren Stellung im internationalen Wettbewerb sogar verbessert. Sie wissen, was der digitale Standard ist und kennen die von Tech-Unternehmen wie Amazon geprägten, modernen Kundenerwartungen. Entsprechend gehen die Geschäftsmodelle auch immer mehr in Richtung Digitalisierung: Cloud, Big Data, IoT. In der eigenen Kundenerfahrung bei der Betreuung ihrer Vermögen spiegelt ¬sich dieser digitale und zeitgemäße Standard oftmals aber noch nicht wider. Das führt nicht nur zu Unzufriedenheit, sondern kann auch Nachteile bedeuten.

Dabei sollte jede Vermögensberatung mit einer strategischen Betrachtung des Vermögens und einer idealen Allokation des Vermögens auf verschiedene Anlageklassen beginnen – der sogenannten Strategischen Asset Allokation (SAA). In der der tradierten Welt der Vermögensberatung läuft dieser Prozess oftmals noch über mehrere Wochen hinweg ab, Gesprächsergebnisse werden in Excel-Tabellen notiert, Kalkulationen gelaufen, diese wieder dem Kunden präsentiert und schließlich angepasst. Dabei geht wertvolle Zeit verloren und das Ergebnis ist alles andere als flexibel. Anpassungen an der Allokation werden im Nachgang so gut wie nicht mehr gemacht. Moderne Family Offices bilden die Strategische Asset Allokation gänzlich digital ab, bieten dem Kunden innerhalb weniger Minuten den Blick auf das Ergebnis und – am allerwichtigsten – ermöglichen eine ad hoc Anpassung der Allokation, sollten sich die Bedürfnisse oder Ziele des Kunden oder auch das Marktumfeld ändern.

Ein weiterer Fehler, der im Rahmen der strategischen Asset Allokation von Unternehmern zu häufig begangen wird: das Betriebsvermögen wird unabhängig (teilweise auch gar nicht) vom Privatvermögen betrachtet. Das ist fahrlässig. Steckt beispielsweise fast das ganze Vermögen im Unternehmen, können spontane Belastungen – beispielsweise das Entrichten einer Erbschaftssteuer – schnell zur Herausforderung werden. Moderne Family Offices bewahren Kunden nicht nur vor diesen Fallstricken, sondern können auch individuell und jederzeit flexibel auf sich ändernde Bedürfnisse eingehen. Dafür ist eine digitale Infrastruktur unerlässlich.

Das Vermögen jederzeit im Blick

Mittelständler steuern ihre Unternehmen heutzutage über digitale Dashboards. Der Zugriff auf die wichtigsten KPIs ist jederzeit digital möglich. Der Überblick über das Vermögen hingegen erfolgt viel zu oft einmal im Monat oder gar Quartal per seitenlangem PDF. Eine digitale Vermögensplattform, die 24/7 erreichbar ist, sowohl per Desktop als auch App angesteuert werden kann und einen Überblick über alle Vermögenswerte und deren Entwicklung in Echtzeit ermöglicht, ist das Pendant zum KPI-Dashboard im Unternehmen. Eine solche Plattform ist nicht nur angenehmer in der Kundenerfahrung, sie schützt auch das Vermögen. Entwicklungen an den Märkten und die Folgen auf alle Vermögenswerte (nicht nur Aktien und Fonds) werden in Real-Time abgebildet. Die Kommunikation zu den Beratern kann über die Plattform digital und im Anschluss persönlich erfolgen. Somit kann bei Bedarf schnell und verzahnt mit exzellenter Beratung reagiert werden. Leider sind solche Vermögensplattformen bislang noch eine Seltenheit.

Bei allen Möglichkeiten durch den Fortschritt der Digitalisierung: Unternehmer gehen mit Augenmaß vor. Sie vereinen digitale Technik mit der DNA und der Historie des Unternehmens. Um genau diese Verbindung muss es auch bei fortschrittlichen Family Offices gehen. Digitalisierung muss Hand in Hand mit persönlicher, exzellenter Beratung und dem Bewahren langjähriger Werten gehen. Nur so können die Vermögen von Unternehmenslenkern auch langfristig erfolgreich und nachhaltig betreut werden.

Über den Autor

Christian Neuhaus ist einer der Gründer von FINVIA. Als Chief Client Officer (CCO) verantwortet er die Kundenzufriedenheit. Nach ersten beruflichen Erfahrungen bei der UBS Sauerborn, wo er Mitglied des Investmentkomitees war, wechselte der diplomierte Kaufmann 2011 gemeinsam mit einigen der heutigen FINVIA-Gründer zur HQ Trust GmbH, dem Multi Family Office der Familie Harald Quandt. Hier beriet er bis 2016 komplexe Großvermögen zur Vermögensstrukturierung. Anschließend war er am Aufbau des digitalen Vermögensverwalters LIQID beteiligt – einem Beteiligungsunternehmen der HQ Trust GmbH, zu der er schließlich zurückkehrte, um die Digitalstrategie mit zu entwickeln.

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