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Technologie > KI-Infrastruktur Deutschland

Deutsche Tech-Konzerne planen KI-Gigafactory

SAP, Telekom und Partner bewerben sich für EU-Projekt zum Aufbau eines Rechenzentrums mit 100.000 KI-Chips. Standortfrage noch offen.

In Hyperscale-Rechenzentren – den digitalen Tresoren unserer Zeit – lagern und strömen unvorstellbare Datenmengen. Sie sind das Rückgrat der vernetzten Welt und speichern den Rohstoff unserer Zukunft: Informationen. (Foto: picture alliance)

Ein Konsortium führender deutscher Technologieunternehmen bereitet sich darauf vor, in den Wettbewerb um den Bau einer der größten KI-Rechenzentren Europas einzusteigen. SAP, Deutsche Telekom, Ionos, die Schwarz Gruppe und Siemens verhandeln über eine gemeinsame Bewerbung bei der Europäischen Union für den Aufbau einer sogenannten KI-Gigafactory. Diese Anlage soll mit rund 100.000 KI-Chips ausgestattet werden - eine Kapazität, die etwa viermal so groß ist wie die derzeit leistungsfähigsten KI-Rechenzentren.

Das deutsche Konsortium: Wer ist beteiligt?

Die Zusammensetzung des Konsortiums spiegelt die Breite der deutschen Technologielandschaft wider:

  • Deutsche Telekom: Führender Telekommunikationsanbieter
  • Ionos: Spezialist für Cloud-Infrastruktur
  • SAP: Europas größter Softwarehersteller
  • Schwarz Gruppe: Mutterkonzern von Lidl und Kaufland mit eigener Digitalsparte (Schwarz Digits)
  • Siemens: Technologiekonzern mit Fokus auf Industrie 4.0

SAP-Vorstandsmitglied Thomas Saueressig betonte die Notwendigkeit der Partnerschaft: "Es geht nur in Partnerschaft, das ist ganz klar. Welches Modell das richtige ist, wird gerade diskutiert." 

Rolf Schumann, Chef der Digitalsparte der Schwarz Gruppe, äußerte sich optimistisch: "Wir hoffen, dass wir alle zusammenbringen, die Sache hinbekommen und es gemeinsam durchziehen."

EU-Initiative für KI-Rechenzentren

Die Pläne des deutschen Konsortiums sind Teil einer größeren EU-Initiative. Die Europäische Kommission hat den Bau von insgesamt fünf KI-Gigafabriken in Europa vorgeschlagen. Diese Anlagen sollen die nötige Rechenleistung für das Training großer Sprachmodelle bereitstellen, wie sie beispielsweise von OpenAI für den Chatbot ChatGPT genutzt werden. Durch den Aufbau dieser Infrastruktur zielt die EU darauf ab, Europas Position im globalen KI-Wettbewerb zu stärken und die Abhängigkeit von ausländischen Technologieanbietern zu reduzieren.

Herausforderungen und offene Fragen

Trotz der fortgeschrittenen Planungen bleiben einige wichtige Details noch ungeklärt. Eine zentrale Frage ist die Standortwahl für die KI-Gigafactory. Die Entscheidung über den Standort wird verschiedene Faktoren berücksichtigen müssen, darunter die Verfügbarkeit von Fachkräften, die Anbindung an Forschungseinrichtungen und nicht zuletzt die Energieversorgung für den Betrieb der energieintensiven Anlage.

Zudem steht das Konsortium unter zeitlichem Druck: Die Frist für die erste Interessenbekundung bei der EU läuft am 20. Juni ab. Bis dahin müssen die Partner ihre Pläne konkretisieren und ein überzeugendes Konzept vorlegen, das sich gegen potenzielle Mitbewerber aus anderen EU-Ländern durchsetzen kann.

Von physischen Giganten und elektrischen Kolossen

Rechenzentren sind nicht gleich Rechenzentren. Ihre Größe wird oft fälschlich anhand der Fläche gemessen – beeindruckend zwar, aber irreführend. Eine Halle von einer Million Quadratmeter ist noch lange kein digitales Kraftwerk. Entscheidend ist vielmehr die Leistung, die sie bereitstellen – gemessen in Megawatt (MW). Je mehr Strom ein Zentrum aufnehmen und verarbeiten kann, desto größer ist seine rechnerische Kapazität.

Laut einer aktuellen Analyse der internationalen Immobilienberatungsfirma Cushman & Wakefield wurden weltweit 63 bedeutende Datacenter-Standorte unter die Lupe genommen – und zwar basierend auf ihrer elektrischen Gesamtleistung. Diese Methodik gibt nicht nur Aufschluss über die „Größe“, sondern auch über strategische Bedeutung und wirtschaftliche Durchschlagskraft eines Rechenzentrums-Hubs.

Die kombinierte Leistung der analysierten Rechenzentren stieg 2023 von 4,9 auf 7,4 Gigawatt – ein Zuwachs von über 50 Prozent innerhalb nur eines Jahres. Der Haupttreiber dieser Expansion: Künstliche Intelligenz. Technologien wie generative Sprachmodelle, neuronale Netze oder automatisierte Entscheidungsfindungssysteme benötigen Rechenleistung im astronomischen Maßstab. KI wird – so die düstere Prognose – schon bald ein Drittel des weltweiten Strombedarfs verschlingen.

Wo stehen die digitalen Kraftwerke der Welt?

Die größten Rechenzentrums-Standorte der Welt sind keineswegs gleichmäßig verteilt. Die USA dominieren den Markt mit über 40 Prozent aller Rechenzentren. Doch in der Top 10 der leistungsfähigsten Hubs tummeln sich auch asiatische und europäische Standorte. Ein differenzierter Blick offenbart geopolitische Strategien, wirtschaftliche Schwerpunkte – und technische Ambitionen.

1 Northern Virginia 🇺🇸 USA 2.552 Leistung (MW)  
2 Peking 🇨🇳 China 1.799 Leistung (MW)
3 London 🇬🇧 Großbritannien 1.053 Leistung (MW)
4 Singapur 🇸🇬 Singapur 876 Leistung (MW)
5 Tokio 🇯🇵 Japan 865 Leistung (MW)
6 Frankfurt am Main 🇩🇪 Deutschland 864 Leistung (MW)
7 Shanghai 🇨🇳 China 725 Leistung (MW)
8 Sydney 🇦🇺 Australien 667 Leistung (MW)
9 Dallas 🇺🇸 USA 654 Leistung (MW)
10 Silicon Valley 🇺🇸 USA 615 Leistung (MW)

Historische Einordnung

In den 1950er Jahren begannen Forscher mit einfachen Computern, grundlegende KI-Algorithmen zu entwickeln. Mit dem Fortschritt der Computertechnologie in den 1980er und 1990er Jahren entstanden die ersten spezialisierten Rechenzentren für KI-Anwendungen, oft an Universitäten und Forschungseinrichtungen.

Ein historischer Wendepunkt war der Sieg des IBM-Computers Deep Blue über den Schachweltmeister Garry Kasparov im Jahr 1997. Dieses Ereignis demonstrierte das Potenzial spezialisierter Hochleistungsrechner für KI-Aufgaben und löste verstärkte Investitionen in diesem Bereich aus.

In den 2000er Jahren führte der Boom des Cloud Computing zu einer neuen Generation von Rechenzentren, die flexibel für verschiedene Aufgaben, einschließlich KI, genutzt werden konnten. Unternehmen wie Google, Amazon und Microsoft begannen, massive Rechenzentren für ihre KI-Forschung und -Anwendungen zu errichten.

Die aktuelle Phase der KI-Rechenzentren-Entwicklung ist geprägt von der Notwendigkeit enormer Rechenleistung für das Training großer Sprachmodelle und anderer komplexer KI-Systeme. Dies führte zu Investitionen in spezialisierte Hardware wie KI-Chips und zur Planung von Gigafactories, wie sie nun auch in Europa entstehen sollen.

 

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