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Technologie > Nutzlose Windräder

Deutschland produziert immer mehr „Geisterstrom“. Das wird teuer

Die Bundesregierung will, dass in Deutschland vier bis fünf neue Windräder gebaut werden - am Tag. Das Problem: Wenn der Wind bläst, produzieren sie zu viel Strom und müssen abgeschaltet werden. Dafür erhalten die Betreiber der Anlagen eine Entschädigung. Es fließen Millionen Euro dafür, dass keine Millionen Kilowattstunden Strom produziert werden. Ein absurdes System.

Eigentlich soll jetzt alles ganz schnell gehen: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Ausbau der Windkraft offenbar zur Chefsache gemacht und pocht auf mehr Tempo. Bis 2030 sollen an Land im Schnitt vier bis fünf Windräder jeden Tag errichtet werden, kündigte der Kanzler an. Der Ausbau werde „generalstabsmäßig“ angegangen. Die Ansage kommt, nachdem am 1. Februar das „Wind-an-Land-Gesetz“ in Kraft getreten ist. Es soll Planungs- und Genehmigungsverfahren für Windräder beschleunigen und zwingt die Länder in den nächsten neun Jahren zwei Prozent der Bundesfläche für die Windenergie auszuweisen.

 

Tatsächlich gibt es noch immer eine entscheidende Hürde beim Ausbau der Windenergie, die weder Scholz noch der grüne Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck öffentlich zum Thema gemacht haben. Es geht um „Geisterstrom“. Das Wort geistert seit bald einem Jahrzehnt durch die Windkraft-Debatte und die FDP hat es jetzt angesichts der Ausbaupläne von Scholz und Habeck wieder hervorgeholt. FDP-Energieexperte Michael Kruse betont, dass neue Windräder ohne Speicher und Netzausbau nichts nützten. Bereits heute müssten „hunderte Millionen Euro für Geisterstrom ausgegeben“ werden, der nicht durch die Netze passt, nicht gebraucht wird oder ins Ausland fließt.  Die Liberalen halten die Pläne von Scholz und Habeck deswegen für zu teuer und einseitig. Bundestags-Vize Wolfgang Kubicki (FDP) sagt: Wer massiv zusätzlich Windkrafträder durchpeitsche, „aber keine Speicher hat, der löst keine Probleme, der verschlimmert die bestehenden“.

 

Was ist „Geisterstrom“?

 

Die Betreiber der Stromnetze haben einen technischeren Begriff dafür. Sie sprechen von „Einspeisemanagement“, und meinen damit das zwangsweise Abschalten der Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien. Es wird notwendig, wenn einzelne Abschnitte eines Übertragungsnetzes überlastet sind und keinen Strom mehr abtransportieren können. Konkret bedeutet dies, dass Windkraftanlagen aus dem Wind gedreht oder Wechselrichter bei Solaranlagen ausgeschaltet werden. Die so nicht produzierte Energie trägt in der Fachsprache den hübschen Namen „Ausfallarbeit“. Der Name macht klar, wo das nächste Problem entsteht: Arbeit muss schließlich bezahlt werden. Für ihre „Ausfallarbeit“, also die zwangsweise nicht produzierte Energiemenge erhalten die Anlagenbetreiber eine finanzielle Entschädigung in der Höhe, die bei einem normalen Netzbetrieb bezahlt worden wäre. Es fließt also Geld in Deutschland, obwohl kein Strom fließt. „Geisterstrom“ ist kein schlechtes Wort für dieses Phänomen.

In den letzten Jahren ist die Menge des „Geisterstroms“ kontinuierlich angestiegen. Besonders in Gebieten, in denen der Ausbau der Erneuerbaren Energien rasch fortgeschritten ist, etwa in Küstennähe, hinken nämlich die Netzkapazitäten zum Abtransport oder zum Speichern des produzierten Stroms deutlich hinterher. Allein 2022 sind gut drei Milliarden Kilowattstunden Windkraft, die von Anlagen am Land hätten produziert werden können, abgeregelt worden, schätzt der Bundesverband der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft. Das produziert nicht nur Kosten, die nach Angaben der Bundesnetzagentur schon im Jahr 2021 bei mehr als 800 Millionen Euro gelegen haben, sondern mit dem Strom hätte sich auch viel bewegen lassen können: Rund sechs Millionen E-Autos könnten damit ein Vierteljahr lang fahren. In etwa so viele PKW sind derzeit in Schleswig-Holstein und Niedersachsen zusammen gemeldet. Genauso könnte man aus dem abgeregelten Strom auch grünen Wasserstoff herstellen, um etwa 100.000 Haushalte ein Jahr lang zu beheizen. Kerstin Andreae, Chefin des Bundesverbands der Energiewirtschaft plädiert deswegen auch dafür, dass gleichzeitig mit dem Ausbaugesetz für die Windkraft ein Wasserstoffgesetz kommt, das klar regele, wann Überschussstrom für die Wasserstoff-Produktion genutzt werden kann.

 

Für die kommenden Jahre ist ein erneuter Anstieg der „Geisterstrom“-Produktion nicht auszuschließen. Das liegt in erster Linie am wieder ansteigenden Zubau erneuerbarer Erzeugungskapazitäten.

 

Tobias Goldschmidt, grüner Umweltminister im windreichen Schleswig-Holstein fordert deswegen etwas weitsichtiger als Scholz und Habeck: „Der Fokus muss nun vor allem auch auf den großen Stromautobahnen liegen.“ Kommen sie, könnten „erhebliche Mengen an Ökostrom aus unserem Netz ausgespeist“ werden. Und er fordert von der Bundesregierung Unterstützung für „die Ansiedlung energieintensiver Betriebe beispielsweise zur Erzeugung und Verarbeitung von grünem Wasserstoff“, die im Zweifelsfall überschüssigen Strom sofort nutzen könnten.


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