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Technologie > Unkonventioneller Macher

Die Digitalisierung beschleunigen

Serhan Ili entwickelt für Unternehmen binnen 24 Wochen die Geldbringer von morgen. Er nutzt Gamification, künstliche Intelligenz und die Kreativität seines Teams.

Serhan Ili
Lässig-innovativ: Serhan Ili geht viele Themen unkonventionell an. Bild: Ili.Digital

Wer Serhan Ili anruft, erwischt ihn schon mal in roten Trainingsklamotten auf dem Weg zum Fußball. Der Unternehmer ist im besten Sinne unkonventionell und ein Macher. Die F-Jugendmannschaft, die er in etwas chaotischem Zustand übernommen hat, ist da ein gutes Beispiel: zuletzt 22 von 24 Spielen gewonnen, 150 Tore. „Man muss authentisch und einheitlich handeln“, sagt Ili, was auch für den digitalen Wandel in Unternehmen gilt. Und das ist sein Geschäftsfeld. Die Kunden: Konzerne aus dem Deutschen Aktienindex (Dax), Banken, Mittelstand.

Die etwas andere Idee, ein überzeugendes Konzept und Tempo sind für den Chef von Ili.Digital wichtig. Dann sind auch Augenringe kein Problem, wenn er eine Idee vorstellt, wie bei BASF. Keine Maßanzüge, übersichtliche Präsentation, dafür das Versprechen eines direkt messbaren Sparpotenzials. Inzwischen ist der Chemiekonzern ein großer Kunde.
Da ist zum Beispiel die Sache mit den Shrimps. Die Tiere werden in großen Anlagen gezüchtet, brauchen Futter und Medikamente. Die Idee: Die Tanks mit Sensoren auszustatten, Daten zu sammeln und über eine App auswerten zu lassen. Der Shrimpzüchter weiß dann immer, wie gesund die Tiere sind, in welcher Wachstumsphase sie stecken, wann sie Futter oder Medikamente benötigen und wann beides ausgeht. Wenn der Shrimpszüchter ein Digitalabo mit BASF abschließt, werden punktgenau Futter und Medikamente geliefert. Ein Gewinn für beide Seiten.

Sein Geschäftsmodell beschreibt Ili in einem Satz: „Wir helfen bei der digitalen Transformation.“ Sein Unternehmen verbessert dank Datenanalyse mit künstlicher Intelligenz die Produktivität, macht Firmen nachhaltiger und verkauft ganz generell die Geldbringer von morgen. Das ist der Anspruch. Am Anfang steht die Frage der Kunden: Wie verdienen wir in drei bis fünf Jahren Geld? Auftritt Ili: „Wir entwickeln Chancen, daraus entstehen dann die Geschäftsmodelle.“ Wie für die Volksbank Karlsruhe. Ilis Team entwickelte ein Programm, dass sehr vereinfacht aus der betriebswirtschaftlichen Auswertung der Unternehmen den CO2-Fußabruck berechnet. Und diesen Service kann die Volksbanken-Gruppe jetzt ihren mittelständischen Kunden anbieten – und vor allem verkaufen.

Ili verspricht Tempo: nach drei Tagen Ideen, nach sechs Wochen Konzepte, nach zwölf Wochen einen Prototyp und nach 24 Wochen ein digitales Produkt. Äußerst sportlich, aber offenbar erfolgreich für den Unternehmer. Dabei war Ilis Ziel ursprünglich ein anderes: Assistent beim Vorstandschef von Porsche. Der Wirtschaftsingenieur arbeitete bei Porsche in verschiedenen Positionen, promovierte berufsbegleitend. Mit der Doktorarbeit lief sein Vertrag aus, gleichzeitig scheiterte Porsches Versuch, VW zu übernehmen, der Porsche-Chef musste gehen. Ili bewarb sich bei anderen Firmen („98 Bewerbungen, 98 Absagen“) und gründete („Ich hatte so eine Art Coming-out des Unternehmer-Gens“). Seine Beratung startete 2009 langsam: 2000 Euro Umsatz in sechs Monaten, was ihn nicht verzagen ließ. Inzwischen setzt sein Unternehmen Ili.Digital einen zweistelligen Millionen­betrag um.

Von der reinen Strategieberatung hat sich das Team entfernt. „Wir haben zuerst nur Ideen geliefert. Irgendwann hat jemand gefragt, ob wir das umsetzen könnten. Wir haben Ja gesagt“, erinnert sich Ili. Und: „Ich habe dann einen Entwickler eingestellt.“ Der ist heute CTO, stammt aus Pakistan, was über die Jahre zu einem großen Entwicklungsstandort in Lahore (Pakistan) führte. Denn von den fast 160 Mitarbeitern bei Ili.Digital arbeiten im Techcenter in Pakistan etwa 130. Ili gerät ins Schwärmen. Sieben Tage die Woche ansprechbar, pünktlich fertig, immer im Plan. Es gälten die Standards aus Deutschland, etwa Krankenversicherung.

Dann gibt es noch ein Pop-up-Office, wie Ili es nennt, in der koreanischen Hauptstadt Seoul mit einigen Mitarbeitern. In Deutschland hat das Team gut 25 Beschäftigte, die meisten in der Zentrale in Karlsruhe, im achten Stock eines Bürobaus mit direktem Blick auf das KIT, die technische Universität der Stadt und eines der Zentren für die Forschung an künstlicher Intelligenz in Deutschland. Die setzt auch Ili.Digital ein, etwa in einem Programm für den Vertrieb. Der Mitarbeiter kann schon beim Kunden dessen Anforderungen eingeben, das Programm greift auf alle Projekte zu, die bereits realisiert wurden, gibt aus, ob es ein ähnliches Projekt bereits gab, ob es machbar ist, der Zeithorizont realistisch erscheint und welches Risiko es birgt. Das spart im Idealfall Zeit und verhindert böse Überraschungen.

Manche Idee vermarktet Ili auch selbst. Etwa die App, mit der langweilige Sicherheitstrainings und -tests plötzlich interessant werden. „Wir haben das gamifiziert“, sagt der Macher. „Man kann im Team spielen, gegeneinander antreten, sich gegenseitig herausfordern. Es gibt Multiple Choice, ein Format wie ,Wer wird Millionär?‘. Und ein Ranking der Kollegen.“ Ili zufolge sind sicherheitsrelevante Vorfälle in Firmen, die die App nutzen, gesunken. Sie ist bei Apple und Google im App-Store zu finden und kann mit eigenen Sicherheitsfragen gefüllt werden.

Woher kommen solche Ideen? Bei Gamification kann geholfen haben, dass einer der Kollegen selbst Gamer ist. Sonst gilt: „Wir haben Einblicke in verschiedene Industrien. Was für Chemie gut ist, kann auch für Automotive gut sein. Was für Pharma funktioniert, läuft auch im Flugbereich.“ Und dann ist da das Team: „Wir sprechen vier Sprachen im Büro, haben 45 Prozent Frauen, eine breite Altersstruktur, lassen viel Freiraum“, sagt Ili. Das fördere Kreativität. Ganz wichtig: Nicht „Ja, aber“, sondern „Ja und“. Wie der Kollege, der fürs Büro im Baumarkt etwas besorgt hat und nicht mehr zurücklaufen wollte. Er hat dann beim Italiener am Baumarkt Pizza fürs Büro bestellt und den Lieferfahrer gebeten, ihn mit der Pizza ins Büro zu fahren.

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