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Technologie > Verpackungen

Die Hülle hat ihren Charme

Fünf Gründe, warum es Verpackung auch in 50 Jahren noch geben wird.

Zum Beispiel Döner. Da wird ein Brötchen mit Soße, Salat, Fleisch oder Gemüse gefüllt und dann mit mehreren Lagen Alufolie umwickelt, bevor er über den Tresen gereicht wird. Alufolie – mal abgesehen davon, dass sich das Päckchen zum Essen schwer öffnen lässt: schlechte Energiebilanz, unter Klimagesichtspunkten nicht gut, und dann der ganze Müll. Und schon regt sich das schlechte Gewissen. Aber geht es wirklich ohne Verpackung? Zwei Brüder aus Bayern haben die Lösung: den Kebag, eine Tüte aus fettresistentem Pergamentpapier, verschließbar, voll recycelfähig. Und einfach zu füllen. Zum Essen lässt sich der obere Teil abreißen.

Bilal und Cihan Dalgic hoffen, mit dem Produkt den Markt aufzurollen. Einen Preis der Verpackungsindustrie haben sie dafür schon gewonnen. Wer einen Döner bestellt, möchte ihn mit nach Hause nehmen. Dabei sollen weder die Sachen in der Tasche dreckig werden, noch etwas an den Döner kommen, herabfallendes Laub zum Beispiel oder Regen. Und er soll nicht zu sehr abkühlen, bevor er gegessen wird. Aus Sicht des Verkäufers kann ein Logo nicht schaden, nebst Schriftzug, wie toll der Döner doch ist. Das Beispiel ist vielleicht banal. Aber es zeigt im Kleinen die Lage der Verpackungsindustrie: innovativ und absolut nicht überflüssig. Zunächst einmal: "Alles ist verpackt", sagt Winfried Batzke, Geschäftsführer des Deutschen Verpackungsinstituts, "außer vielleicht Schüttgut wie Kohle oder Kies".

Sonst stecken die Waren in Folien, Tüten, Kisten, Flaschen. Sind umgeben von Holzwolle, Styroporflips, den Verfall bremsendem Gas. Und im weitesten Sinn sind sogar Container und Kesselwagen Verpackung. Nachteil: Es entsteht viel Müll. Und was nicht wiederverwertet wird, erzeugt Energie, schnöde gesagt: wird verbrannt, vor allem Kunststoff – Rohstoffe werden verschwendet. Und so fordern Umweltverbände, Verpackung zu verringern, bestimmte Produkte gar zu verbieten, zuletzt waren es Plastiktüten. Die Branche steht unter Druck. In Deutschland beschäftigten sich 2020 allein rund 700 Firmen mit rund 117.000 Beschäftigten mit Verpackung, wie das Statistische Bundesamt ermittelt hat. Die meist mittelständischen Betriebe setzten 26,26 Milliarden Euro um. Und es gibt fünf Gründe, warum die Branche auch weiter gute Geschäfte machen wird:

1.Transport

Warum werden Dinge verpackt? Um sie von A nach B zu bringen. Das gilt für den Döner wie für die Industrie. So bekommt ein Autohersteller zum Beispiel komplette Achsen oder Armaturenbretter in speziellen Kisten oder auf Paletten geliefert. Fahrzeugtüren werden in Holzhalterungen gehängt und palettenweise transportiert. Selbst wer empfindliche Teile von einer Werkshalle zur anderen bewegt, wird sie einpacken, um sie nicht zu beschädigen. Selbst Unverpackt-Läden, wo vieles lose verkauft wird, um Müll zu vermeiden, müssen mit Waren beliefert werden. Auch sie sind für den Transport natürlich verpackt.

2. Schutz

Einfach alles rein in die Kiste und dann von A nach B fahren, ist vielleicht für weniger empfindliche Dinge wie Schrauben geeignet. Da reichen auch Pappschachteln, gestapelt auf einer Palette. Für Kunstwerke hingegen werden eigens Kästen angefertigt, sie werden besonders gepolstert und befestigt, manchmal sogar klimatisiert. Und wer Computerchips als Zuladung in einem Flugzeug sicher durch Turbulenzen bringen will, achtet auch auf passende Kisten und Füllmaterialien. Verpackung schützt den Inhalt, etwa Kekse, davor, feucht und damit labbrig zu werden. Oder sie verlängert die Haltbarkeit, zum Beispiel von Fleisch, dass unter CO2 luftdicht verpackt wird und Bakterien so länger daran hindert, es ungenießbar zu machen. 

3. Lager

Mancher kennt es vom Umzug: Die alte Wohnung muss bereits geräumt werden, die neue ist noch nicht bezugsfertig. Da werden die verpackten Sachen in Umzugskartons zwischengelagert. In der Wirtschaft lagern Ersatzteile oft Monate, vielleicht sogar Jahre, bevor sie benötigt werden. Rundes muss gestapelt werden, Computerteile dürfen nicht einstauben. Oder ein Lebensmittelhersteller produziert Saisonware wie Spekulatius vor. Ordert ein Laden nach, muss noch genug Ware im Lager sein.

4. Information

Wer ein Produkt kauft, zum Beispiel eine Marmelade, will sich vorher informieren, ob sie für Käufer oder Käuferin unverträgliche Stoffe enthält. Diese Informationen sind meist auf der Verpackung aufgedruckt. Eine Schachtel informiert auch darüber, ob sie kurze Schrauben aus Messing mit Kreuzschlitz und flachem Kopf enthält. Auf Blisterpackungen mit Medikamenten ist immer zu sehen, was eingeschweißt ist, sonst lassen sich runde weiße Pillen nur schwer unterscheiden. Und Blutdrucksenker oder Schmerzmittel sollten nicht vertauscht werden. Inzwischen arbeitet die Industrie auch daran, dass Verpackungen etwa von Medikamenten nachverfolgbar sind. So sollen zum Beispiel gefälschte Potenzpillen sofort auffliegen. Die Schachtel an sich kann ein digitales Wasserzeichen tragen, in denen Produktionsort, Produktart, Produktionszeit, Verkaufsländer hinterlegt sind. Spezialkameras können das auslesen. Wird die Schachtel im Werk versiegelt, lässt sich beim Kauf genau feststellen, ob das, was drin sein soll, auch wirklich drin ist.

5. Marketing

Vor allem bei Konsumgütern ist wichtig, wie etwas verpackt ist. Der Verkäufer macht zum Beispiel mit der der Gestaltung einer Verpackung auf das Produkt aufmerksam, transportiert vielleicht ein bestimmtes Lebensgefühl. Das ist auch für den Käufer wichtig. Oder, wie Sven Sängerlaub, Professor für Verpackungstechnik der Hochschule München, es formuliert: "Verpackung ist ein stummer Verkäufer. Wir kaufen ein Produkt sehr oft, weil es schön aussieht." Für einen Autostoßdämpfer, den der Mechaniker einer Werkstatt auspackt, reicht ein grauer Karton mit der Seriennummer, das besonders verführerische Parfüm sollte anspruchsvoller inszeniert werden. Und so haben Flakons schon mal die Form von weiblichen Oberkörpern.

Verpackung wird gebraucht, die Frage ist nur, welche Materialien, welche Formen. Hier ist Innovation gefragt. Denn Verpackung bedeutet immer auch Kosten. Deutschland als Land der Maschinenbauer ist bei Techniken, Materialforschung und Ideen vorn dabei, wie DVI-Geschäftsführer Batzke sagt. So wird durch Innovation beim Kebag Alufolie durch Papier ersetzt. Das Unternehmen G. Gühring aus Baden-Württemberg, Spezialist für Industrieholzverpackungen, gestaltet eine neue Hängebox für Autoseitenwände so, dass im Versandcontainer 36 statt 18 Teile transportiert werden können. Die Transportkosten sinken, der CO2-Ausstoß pro Teil auch.

Noch ein paar Zahlen: 52 Prozent aller Verpackungen in Deutschland werden im Geschäft von Firmen mit Firmen eingesetzt. Der Verbraucher bekommt sie nie zu sehen. Er oder sie kommt in den Läden vor allem mit Kunststoff in Kontakt, der auch den meisten Verpackungsmüll ausmacht. Die EU gibt vor, dass alle Kunststoffe bis 2030 wiederverwertbar sein sollen. Der Recyclinganteil soll auf 55 Prozent steigen. Derzeit liegt der EU-Schnitt etwas über 40 Prozent. Größtes Problem bisher: Weil Folien verschiedene Funktionen haben müssen, etwa Wasserdampf aussperren, vor Licht schützen, reißfest sein, werden meist mehrschichtige Folien unterschiedlicher Materialien verwendet, die sich gesamt nur schwer recyceln lassen, wie Verpackungsprofessor Sängerlaub sagt. Forscher arbeiteten jetzt daran, nur eine Kunststoffart zu verwenden und sie mit neuen Funktionen auszustatten.

Oder eben, wie beim Kebag, Papier mit recyclingfreundlicher Beschichtung zu verwenden. Und gut aussehen sollte eine Verpackung für den Endkunden bei allem natürlich auch. Einer, der das besser wusste als alle anderen, war der Verpackungskünstler Christo. Nach seinen Plänen war im Sommer der Arc de Triomphe in Paris für zwei Wochen mit silbrigem Stoff verhüllt. Und klar wurde: Manchmal ist Verpackung einfach große Kunst.

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