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Energie & Rohstoffe > Energiekrise

Die nächste Subvention: Industriestrom

Wirtschaftsminister Robert Habeck möchte, dass Industriestrom nur sechs Cent pro Kilowattstunde kostet. Den Rest soll Finanzminister Christan Lindner aus dem Steuertopf dazuschießen. Der möchte aber nicht.

Hier fließt Industriestrom in Massen. Wenn Christian Lindner seine Schatulle öffnet, könnte er bald subventioniert werden. Bildnachweis: picture alliance / imageBROKER | Arnulf Hettrich

Die Ampel-Koalition hat den nächsten Streitpunkt: nach Gasumlage und Heizungsaus geht es jetzt um Strom für die Industrie. Ebenso heftig wie über subventionierte Wärmepumpen debattiert die Bundesregierung über die Frage, ob der Staat aus Steuergelder den Strom für Grundstoffindustrien wie Chemie und Stahl bezuschussen soll. 

Habeck hat das Problem erkannt. In kaum einem Industrieland ist Strom so teuer wie in Deutschland. Der alte grüne Wahlkampfslogan: „Die Sonne schickt keine Rechnung“ hat sich nicht bewahrheitet. Seit kein Gas aus Russland fließt, die Atomkraftwerke abgeschaltet sind und die Energiewende mit Eifer vorangetrieben wird, sind die Stromkosten in Deutschland noch immer so hoch, wie fast nirgends auf der Welt – was für besonders energieintensive Unternehmen ein globaler Wettbewerbsnachteil ist.
 

Deshalb will der grüne Wirtschaftsminister im Kabinett einen Preis von 6 Cent pro Kilowattstunde für 80 Prozent des Basisverbrauchs durchsetzen. Dieser sogenannte Brückenstrompreis, der über Steuersubvention fließt, soll Unternehmen ünberzeugen, hierzubleiben und nicht Produktion, Arbeitsplätze und Steuerzahlungen ins Ausland zu verlagern. Die Subvention ist an Bedingungen wie Tariftreue, Transformationspflicht und Standortgarantie geknüpft.
Mehrere Branchen-Lobbyisten fordern wie der Verband der Chemischen Industrie einen Preis zwischen vier und sechs Cent pro Kilowattstunde. Vier Cent entsprächen etwa dem subventionierten Preis für Industriestrom in Frankreich. 

Laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft liegt der aktuelle Strompreis für kleine bis mittlere Industriebetriebe (ohne Stromsteuer) bei Neuabschlüssen bei 26,84 ct/kWh. Damit hat er sich gegenüber dem 2. Halbjahr 2022 nahezu halbiert. Gegenteilig sieht es beim Strompreis für private Haushalte aus. Der liegt im Schnitt bei 46,91 ct/kWh und damit um 17 Prozent höher als im 2. Halbjahr 2022. 

Im Detail erklärt Habeck in seinem Arbeitspapier: Um Industrieunternehmen den Zugang zu kostengünstigen Erneuerbaren Energien (EE) zu ermöglichen, soll Strom aus neuen EE-Anlagen zu Preisen nahe an den Gestehungskosten an die Industrie weitergereicht werden. Dies setzt EE-Anlagen voraus, die mittels Contracts for Difference (CfD) - Verträge zur Absicherung volatiler Preise - finanziert werden. Zugleich solle der Abschluss von sogenannten Power Purchase Agreements (PPA) - bilaterale Stromlieferverträge zwischen Stromverkäufer und Abnehmer - über Bürgschaften abgesichert werden, um die Risikoprämien dieser Verträge zu reduzieren. Die gute Nachricht für KMUs: Auch für mittelständische Unternehmen will Habeck den Zugang zu PPA-Modellen verbessern.

Spätestens 2030 soll diese staatliche Hilfe auslaufen. Bis dahin würde diese Subvention geschätzte 25 bis 30 Milliarden Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds verschlingen. Genau das aber sei rechtlich unmöglich, kritisiert Bundesfinanzminister Christian Linder (FDP) Habecks Arbeitspapier. „Für dieses Vorhaben stehen keine Finanzmittel zur Verfügung", ließ er eine Sprecherin erklären. Zudem sei eine „Umwidmung der Mittel" im Wirtschaftsstabilierungsfonds aus seiner Sicht verfassungsrechtlich nicht möglich. Desweiteren halte er es für ungerecht, dass der verbilligt Industriestrom nur bestimmten Industrien zugutekomme. 

Oliver Holtemöller, Vize am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Halle, kritisiert die Förderpläne der Ampel-Koalition. „Preise haben in der Marktwirtschaft eine Funktion. Sie sollen Knappheit anzeigen und entsprechend das Verhalten beeinflussen. Wenn die Regierung mit Preiskappungen diese Preissignale außer Kraft setzt, führt das erstmal zu ökonomisch ineffizienten Ergebnissen.“ Ähnlich sieht es auch das unternehmensnahe Münchner ifo-Instituts. Dessen Präsident Clemens Fuest beklagt, dass Subventionen aus Steuergeldern für die Unternehmen keinen Anreiz setzen, in die Senkung des eigenen Stromverbrauchs zu investieren.

Es ist anzunehmen, dass der finale Industriestrompreis innerhalb der Koalitionäre noch ähnlich lange verhandelt werden wird wie Habecks Heizungsgesetz.
Nachdem die Ampel ursprünglich ab dem Jahr 2024 den Einbau neuer Gas- und Ölheizungen verbieten wollte, zeigt sich Habeck inzwischen offen für einen späteren Start des Heizungsgesetzes. 

Das komplette Arbeitspapier finden Sie hier www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/W/wettbewerbsfaehige-strompreise-fuer-die-energieintensiven-unternehmen-in-deutschland-und-europa-sicherstellen.html

Rückfragen beantwortet das Bundeswirtschaftsministerium über die kostenfreie Telefonhotline 0800-78 88 900.

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