Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Technologie > Handwerk & Digitalisierung

Digitalisierung im Handwerk: Wie Betriebe den Anschluss schaffen

| Thorsten Giersch

KI-Lösungen halten Einzug ins Handwerk. Doch viele Betriebe kämpfen mit Komplexität und Ressourcenmangel – dabei ist der Bedarf riesig.

Arbeiter blickt auf Mobiltelefon und liest Daten aus
Einfache Übersicht: Plancraft verlagert Teile des Büros ins Mobiltelefon. Mit dem Kettensägenhersteller Stihl arbeiten die Softwareentwickler inzwischen zusammen. (Foto: Stihl)

Die Digitalisierung im Handwerk hat zwar an Dynamik gewonnen, bleibt aber hinter anderen Branchen zurück. Dabei gibt es für vieles bereits Lösungen am Markt. 

Von Thorsten Giersch.

Das Handwerk reicht bei der Digitalisierung nicht an das Niveau der Industrie, des Handels, des Sozial- und Gesundheitswesens oder der Energie heran. Es hat jedoch in den vergangenen vier Jahren stark aufgeholt. Das belegt zum Beispiel die Studie „KI-Index Handwerk NRW“ von Ende 2024. Danach hat sich die Digitalisierung gegenüber 2020 im Schnitt um 58 Prozent verbessert, während der Durchschnitt aller Branchen bei lediglich 17 Prozent liegt. Es ist die deutschlandweit umfangreichste Studie zum Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) im Handwerk. Mehr als 820 Betriebe haben an der Befragung teilgenommen. Gerade für KI-Lösungen sei das Handwerk derzeit überdurchschnittlich aufgeschlossen, schreiben die Autoren. Nachholbedarf gebe es aber noch in der Fertigung und bei Dienstleistungen.  

Am stärksten setzt das Handwerk KI danach bereits in Chatbots, Sprachassistenten, Übersetzungssoftware oder Bild- und Videobearbeitung ein. Dagegen werden vorhandene oder mögliche Daten kaum analysiert. Viele sehen Möglichkeiten, um dem papierlosen Büro näherzukommen. Vielen fehlt aber schlicht der Überblick angesichts der Vielzahl an Tools. 

Viele Betriebe stehen vor der Übergabe, gleichzeitig fehlen Azubis, Fachkräfte und Übernehmende. „In einer derartigen (Über-)Lebensphase der Betriebe noch einen technologischen Transformationsschritt zu bewältigen, zeigt die immensen Herausforderungen, vor denen das Handwerk aktuell steht“, sagt Klaus Schafmeister, Forschungsdirektor an der Fachhochschule des Mittelstands in Bielefeld und Mitautor der ­Studie. „Mehr ältere und weniger jüngere Menschen erschweren den notwendigen Wissenstransfer, verzögern notwendige Innovationen und erhöhen den Anpassungs- und Veränderungsdruck“, erklärt Schafmeister.  

Die Studie zeigt, dass sich Betriebe Unterstützung wünschen, aber nicht von privaten Beratungsunternehmen. Das Vertrauen fällt dramatisch niedrig aus. Noch nicht einmal zehn Prozent der Befragten wünschen sich ihre Hilfe. Nötig sind offenbar einfach handhabbare, spezifische Angebote für Kleinstunternehmen. Dass es solche Angebote gibt, belegt Julian Wiedenhaus, der 2020 gemeinsam mit Richard Keil und Alexander Noll Plancraft gründete. Seitdem hat seine Software über 20.000 Kunden in Deutschland und Österreich mit über einer Milliarde Euro Bauvolumen abgewickelt. Seine Großväter waren Tischler und Schlosser, er selbst hat seine Kindheit und Jugend in der hauseigenen Holzwerkstatt verbracht. Der ehemalige Leistungssportler kam noch im Studium, gemeinsam mit seinem Mitgründer und Zimmerersohn Alexander Noll, auf die Idee, eine Software zu entwickeln, die Freiräume für Handwerker und Handwerkerinnen schafft. Plancraft hat vor gut einem Jahr eine zwölf Millionen Euro Finanzierung bekommen und ist seitdem stark gewachsen – über 100 Beschäftigte hat das Start-up mittlerweile. Inzwischen wendet sich der Unternehmen auch an Handwerksbetriebe in den Niederlanden, die für digitale Lösungen noch empfänglicher seien. Auch in weiteren Ländern wie Österreich oder Italien nutzen Handwerksbetriebe bereits Plancraft – Polen, Spanien und weiteren Ländern sollen folgen. 

Der Bedarf ist riesig. „Jeder, der mit Handwerk schon mal zu tun hatte, weiß, dass es da im Backoffice nicht immer super aussieht“, erklärt Wiedenhaus. Wenn die Betriebe im Schnitt ungefähr acht Mitarbeitende haben, dann kostet jede Kapazität, die im Büro zu tun hat, statt draußen zu sein, bares Geld. „Du kannst die beste Software der Welt bauen. Wenn Leute keine Zeit haben, sich damit auseinanderzusetzen, wird nie ein Wechsel passieren“, erklärt Wiedenhaus. „Insofern haben wir sehr großes Augenmerk darauf gelegt, dass das relativ schnell und einfach funktioniert.“ Bei Plancraft sei es nie nur um die Software gegangen, sondern auch um guten Service. „Handwerksbetriebe brauchen das gute Gefühl, dass sich wer kümmert.“ 

Digitalisierung im Handwerk: Fakten, Chancen und Hürden

Wie digital ist das Handwerk wirklich?

Eine aktuelle Studie („KI-Index Handwerk NRW“, 2024) zeigt:

  • +58 % Digitalisierungsfortschritt seit 2020 (branchenübergreifend: nur +17 %)

  • >820 befragte Betriebe, größte KI-Studie im Handwerk

  • Besonders stark: Einsatz von Chatbots, Sprachassistenten, Übersetzungs- & Bildbearbeitungssoftware

  • Schwächen: Datenanalyse, digitale Geschäftsprozesse, Tool-Vielfalt überfordert viele

Wichtige Herausforderungen:

  • Viele Betriebe stehen vor der Nachfolge oder Übergabe

  • Fachkräftemangel & Überalterung bremsen Innovation

  • Wunsch nach einfachen, praxisnahen Lösungen, kaum Vertrauen in klassische Beratung

Best Practice: Plancraft

  • 2020 gegründet von Julian Wiedenhaus, Alexander Noll & Richard Keil

  • Softwarelösung speziell für das Handwerk, über 20.000 Kunden, >1 Mrd. € abgewickeltes Bauvolumen

  • 12 Mio. € Investition, Expansion nach NL, AT, IT u. a.

  • Ziel: Mehr Zeit fürs Handwerk, weniger Bürokratie

Ähnliche Artikel