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Energie & Rohstoffe > Dienstwagen-Debakel

E-Autos in der Flottenkrise: Warum Tesla & Co bei Dienstwagenanbietern an Vertrauen verlieren

Flottenmanager zweifeln an E-Autos: Wertverlust, Ladelücken, Rufschäden – vor allem Tesla steht bei Dienstwagenflotten zunehmend auf der Kippe.

Reichlich ramponiert: Teslas Ruf hat wegen technischer Probleme und seines Chefs Elon Musk gelitten. (Foto: KI-generiert/Leonardo.ai)

Von Andreas Kempf

Lange parkte der schwarze Tesla als Symbol von moderner Mobilität vor dem Rathaus des hessischen Weinbauortes Eltville. „Ein unglaublich tolles Auto – ein Computer auf Rädern“, schwärmt Bürgermeister Patrick Kunkel (CDU). Dennoch hat der Rathauschef die Bestellung für das Nachfolgefahrzeug storniert. „Der Tesla steht jetzt für autokratisches Denken“, begründet Kunkel die Entscheidung. In den vergangenen Monaten hätten Bürger ihn immer wieder auf den amerikanischen Dienstwagen angesprochen. Seit Tesla-Großaktionär und Chef Elon Musk politisch fragwürdig auftritt, wenden sich neben Privatkunden auch immer mehr Flottenbetreiber ab. Nach einer Studie des Marktbeobachters Deutsche Automobil Treuhand (DAT) überdenken 35 Prozent der Flottenmanager den Einsatz dieser Marke. Etwa jeder zehnte Nutzer will am liebsten das Auto zurückgeben.

Der Imageschaden von Tesla sei für viele Unternehmen ein Thema, bestätigt der Bundesverband Betriebliche Mobilität (BBM). Der Fachverband mit Schwerpunkt auf Fuhrparkmanagement zählt rund 640 Mitglieder mit insgesamt rund einer halben Million Fahrzeugen. Die Flottenprofis sind aus mehreren Gründen gegenüber Tesla skeptisch. „Andere Anbieter haben aufgeholt, was die Technologie betrifft. Tesla war in vielen Bereichen Pionier, das ist nicht mehr so“, sagt Martin Weiss, ­Leiter der DAT-Fahrzeugbewertung. Zudem ist das Servicenetz der Marke recht übersichtlich. Bei einer Panne oder einem Unfall müssen die defekten E-Mobile über weite Strecken transportiert werden. Das schreckt inzwischen viele Flottenbetreiber ab. Der Mietwagen-Konzern Sixt hat die Marke deshalb im vergangenen Herbst aussortiert. Grund waren hohe Reparaturkosten und Batterieschäden, die sogar Totalabschreibungen verursacht haben. Der erratische Konzernchef hat zudem mit seiner unberechenbaren Rabattpolitik einige Flottenmanager verärgert. Entsprechend sind die Restwerte der Tesla-Modelle drastisch eingebrochen.

Hoher Wertverfall

Preisstabilität ist vor allem für Leasinganbieter wichtig. Sie müssen planen können, wie sie die Rückläufer an den Handel weitergeben können. Doch gerade bei E-Fahrzeugen droht ein Verlustgeschäft. Waren die Neuwagen noch teurer als die vergleichbaren Verbrenner-Modelle, liegen sie als Gebrauchte 20 Prozent und mehr unter deren Wert. Besonders krass fallen die Unterschiede im hochpreisigen Segment aus. Leasinganbieter bauen dieses Risiko in die Raten mit ein. So sind die Monatstarife für Tesla zuletzt deutlich gestiegen. Die Einschätzung der Finanzdienstleister schlägt auf das Autogeschäft insgesamt durch, denn jedes zweite Fahrzeug ist geleast. Bei E-Autos sind es zuletzt sogar 56 Prozent gewesen. Das bereitet in der Branche offenbar Sorge. So verweigert Marktführer Deutsche Leasing trotz mehrfacher Nachfrage eine Auskunft über die Folgen dieser Trends auf ihre Flottenstrategie.

E-Fahrzeuge bleiben dennoch für Flottenbetreiber und Mitarbeiter durchaus interessant. Dienstwagenfahrer versteuern monatlich nur 0,25 Prozent des Listenpreises statt 0,5 Prozent (Plug-in-Hybride) oder eben 1,0 Prozent für Verbrenner. Werden die Fahrzeuge zudem über eine firmeneigene Solaranlage aufgeladen, sinken auch die Betriebskosten. Die sind bei E-Mobilen ohnehin geringer als bei Verbrennern, weil weniger Verschleißteile eingebaut sind. Auch der CO2-Fußabdruck verbessert sich durch die Stromer. Allerdings sind da die langen und beschwerlichen Ladebedingungen unterwegs, die vor allem Vertriebler mit engem Zeitrahmen abschrecken. Das Ladenetz wird auch nicht so schnell dichter, wie einst gedacht. Marktführer Energie Baden-Württemberg will den Ausbau mangels Nachfrage künftig deutlich langsamer vorantreiben. Auch Sixt musste feststellen, dass die Kunden großen Wert auf Reichweite legen. Die Tesla-Modelle werden mit Fahrzeugen des Luxusanbieters Lucid ersetzt, die bis zu 800 Kilometer mit einer Ladung schaffen sollen. Ob sich das Konzept durchsetzt, ist noch unklar, denn die chinesischen Luxus-Stromer kosten mehr als 100.000 Euro pro Stück.

Die Bedenken gegenüber dem Alltagsbetrieb will auch der chinesische Konzern BYD entkräften. Er hat jetzt ein Modell angekündigt, dessen Ladevorgang nicht länger dauern soll als ein klassischer Tankstopp. Doch selbst innovative Konzerne wie BYD oder Lucid haben noch einen langen Weg vor sich, bevor sie VW Passat oder Skoda Octavia vom Dienstwagenthron stoßen können. Neben einem guten Servicenetz und stabiler Wertentwicklung erwarten die Flottenmanager von den Herstellern auch professionelle Ansprechpartner für Großkunden. Dazu gehört beispielsweise auch eine Einweisung, wie sie von den Berufsgenossenschaften vorgeschrieben wird. Und natürlich sind gut aufgestellte Finanzpartner wichtig. Hier können die deutschen Hersteller mit ihren starken hauseigenen Banken punkten. All dies können chinesische Firmen derzeit noch nicht bieten. Entsprechend schauen Flottenmanager sehr skeptisch auf die Hersteller aus Fernost.

Hinzu kommt noch eine andere Schwierigkeit: Als die Anbieter Elaris und Fisker Insolvenz anmelden mussten, gingen ihre Server vom Netz und die Fahrzeuge waren nicht mehr nutzbar. Moderne Fahrzeuge sammeln gigantische Datenmengen und werten diese umfassend aus. Über das Rechenzentrum auf Rädern können Flottenmanager so den Verschleiß und die Belastung der einzelnen Fahrzeuge verfolgen und notfalls eingreifen. Allerdings kommt auch hier eine politische Komponente hinzu, denn die gesammelten Informationen legen auch viele Einzelheiten über den jeweiligen Fahrer offen, der den Dienstwagen auch privat verwendet. „Niemand will seinem Datenschutzbeauftragten im Nachhinein erklären müssen, dass personenbezogene Daten seiner Mitarbeiter auf amerikanischen oder chinesischen Servern liegen“, sagt BBM-Vorstandsvorsitzender Marc-Oliver Prinzing. Er rät: „Wer eine neue Marke aufnimmt, sollte vorher den Datenschutzbeauftragten mit an Bord nehmen.“

Auf dem Bürgermeisterparkplatz in Eltville steht jetzt ein heimisches E-Fabrikat. Die deutschen Hersteller machen in diesem Segment eindeutig gegen die Konkurrenz aus den USA oder China Boden gut. Für die Hersteller ist es aber nur ein kleiner Hoffnungsschimmer – selbst wenn in Deutschland der Marktanteil der batteriebetriebenen Modelle jetzt von 11,0 auf 16,8 Prozent gestiegen ist. „Die Branche hatte mit höheren Stückzahlen gerechnet, entsprechend amortisieren sich die hohen Investitionen nicht – weder bei den Herstellern noch bei den Zulieferern“, sagt Constantin Gall, Automarktexperte bei der Beratungsgesellschaft EY.

Egal ob Elektro oder Verbrenner: Für die deutschen Marken sind Dienstwagen ein entscheidender Faktor. Im vergangenen Jahr kamen zwei von drei Dienstwagen von deutschen Herstellern. Spitzenreiter ist VW, gefolgt von BMW und Mercedes. 2025 hat sich Skoda nach absoluten Zahlen vor Audi platziert. Bei BMW gehen 53 Prozent der deutschen Neuzulassungen in eine Flotte (42,2 Prozent) oder zu einem Vermieter (10,9). Bei Audi sind es sogar 56 Prozent, darunter 20 Prozent für Vermieter. Mercedes setzt in Deutschland 47 Prozent seiner Fahrzeuge bei Großkunden aus Flotte und Vermietung ab. Auch knapp 30 Prozent aller Porsche sind diesem Marktsegment zuzurechnen. Bei VW, Skoda, Opel und Ford findet jedes zweite Auto dort einen Abnehmer. Die Spitzenreiter kommen in diesem Vergleich allerdings aus dem Ausland: Volvo (59 Prozent) und Skoda (57,5 Prozent).

In Summe ist jedes dritte in Deutschland verkaufte Auto ein Dienstwagen. Bei Porsche ist dieses Segment 2024 sogar um 23 Prozent gewachsen. Auch BMW und Mercedes konnten hier leicht zulegen. Hingegen ist das Flottengeschäft bei Audi (minus 23,8 Prozent) Seat (minus 23,7 Prozent) und Opel (minus 22 Prozent) regelrecht eingebrochen. Die Aussichten sind für 2025 noch bescheidener, denn durch Rezession ist der Gesamtmarkt weiter rückläufig. In den ersten Monaten dieses Jahres lagen die Flottenzulassungen jeweils etwa mehr als 10.000 Autos hinter 2024. Im Vergleich zu 2019 liegt der Absatz sogar 27 Prozent darunter.

Die Großkunden stecken in einem mehrfachen Dilemma. In der Rezession muss man einerseits sparen. Neue – und oft teurere – Leasingverträge einzugehen, schreckt viele ab. Zudem herrscht große Verunsicherung am Markt. Wo werden die Restwerte liegen, wenn der Leasingvertrag ausläuft? Oder wenn die Flottenfahrzeuge wieder aus dem Betriebsvermögen ausscheiden? Befeuert wird die Verunsicherung durch die Debatte darüber, ob das Verbrenner-Verbot über 2035 hinaus verschoben werden soll, wie EY-Experte Gall sagt. Für zusätzliche Zweifel sorgen die hohen geopolitischen Risiken und die US-Zollpolitik. „Der Neuwagenmarkt wird weiter deutlich unter dem Vorkrisenniveau liegen, denn sowohl private als auch gewerbliche Kunden werden sich beim Autokauf zurückhalten“, meint Gall.

Polen lieben Dienstwagen

Doch gleichzeitig bestätigt eine Umfrage des BBM, dass für 40 Prozent der Beschäftigten ein Dienstwagen wichtiges Angebot bei der Wahl des Arbeitgebers ist. In ländlichen Regionen liegt dieser Anteil sogar bei 47 Prozent. In Zeiten des Fachkräftemangels wäre es also gefährlich, hier zu sparen. Immer mehr Flottenbetreiber versuchen, den Beschäftigten auch alternative Fortbewegungsmittel schmackhaft zu machen, etwa das Fahrrad. Gerade in Großstädten, wo Parkplätze knapp sind, finden die Zweiräder offenbar zunehmend Anklang. Inzwischen ist bereits jedes vierte hochwertige E-Bike geleast. Drei von vier Pedelecs auf deutschen Straßen werden übrigens in der EU produziert.

Für die Autokonzerne sind diese Entwicklungen wenig erfreulich. Ein Teil des lahmenden Flottengeschäfts können sie aber im Nachbarland Polen ausgleichen. Dort ist von Rezession keine Spur. Der Lebensstandard steigt kontinuierlich. So wird für dieses Jahr ein Wachstum von 3,4 Prozent erwartet. Das hebt auch die Ansprüche: „Dienstwagen werden als Bonus neben dem Gehalt immer wichtiger“, sagt Christopher Fuß vom bundeseigenen Wirtschaftsförderer Germany Trade and Invest. <<

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