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Technologie > Batteriefabriken

Elektroautos: Deutschland lädt auf

Nirgendwo entstehen so viel Batteriefabriken wie in Deutschland. Doch der Mittelstand geht bisher leer aus.

Daimler, BMW, Volkswagen - alle Autokonzerne wollen in den kommenden Jahren Milliarden ausgeben und die Mobilitätswende herbeiführen. Und dank der zentralsten aller dafür notwendigen Komponenten könnte das auch viel besser klappen als bis dato angenommen. Denn inzwischen lässt sich ein regelrechter Batterierausch in Deutschland identifizieren. Nirgendwo sonst in Europa wird so vehement in die Zellenfertigung investiert.

Die "European Battery Alliance" schätzt das Marktpotenzial für den Kontinent bis 2025 auf 250 Milliarden Euro. An acht Standorten in Deutschland werden aktuell größere Produktionsanlagen gebaut oder sind in Planung. Darunter vielleicht die größte der Welt. Das zumindest kündigte Elon Musk im Herbst des vergangenen Jahres gewohnt vollmundig für den deutschen Tesla-Standort Grünheide an. Zunächst 100, später bis zu 250 Gigawattstunden an Produktionskapazität seien geplant, erklärte der Chef des inzwischen wertvollsten Automobilherstellers der Welt.

Derweil will im nur rund 50 Kilometer weit entfernten Ludwigsfelde Microvast, ein US-amerikanischer Batteriesysteme-Hersteller einen dreistelligen Millionenbetrag in seine neue Europazentrale investieren. Der chinesische Konzern Farasis Energy hat sich mit Hilfe von Tochter Farasis Europe 16 Gigawattstunden im Jahr als Ziel für seine Fabrik in Deutschland gesetzt. 2022 soll das Werk in Bitterfeld-Wolfen fertig sein. Und mit CATL hat auch Chinas Batteriekrösus bald ein Werk auf deutschem Boden. In Arnstadt entsteht für 1,8 Milliarden Euro eine riesige Produktionsstätte.

Noch in der Planung ist das Werk einer weiteren chinesischen Firma. Svolt, will im Laufe des Jahres in Überherrn im Saarland den ersten Spatenstich setzen. Ähnlich groß angelegt ist das Projekt des französischen Autokonzerns PSA und des Batterieherstellers Saft, der zu Total gehört. Über ein Joint Venture sollen ab 2023 in Kaiserslautern rund eine Million Batterien vom Band laufen. In Leipzig wiederum will BMW ab diesem Jahr sogar selbst in die Serienfertigung von Batteriemodulen einsteigen. Die nationale Konkurrenz in Form von Volkswagen setzt auf eine Zusammenarbeit mit Northvolt. Gemeinsam mit den Schweden investiert VW eine Milliarde Euro in sein bereits bestehen des Werk in Salzgitter. Daimler wiederum baut mithilfe von Tochter Deutsche Accumotive im sächsischen Kamenz Akkus für die eigene Fahrzeugflotte. Kleinere Batterie-Projekte laufen überdies im baden-württembergischen Willstätt und dem unterfränkischen Karlstein.

Zahlen und Fakten

  • 2.000 GWh Akkuleistung wird der internationale Markt bis 2030 nachfragen – heute sind es 200 GWh.
  • Ein Drittel des Weltmarktbedarfs soll in Deutschland und Europa gefertigt, verkauft und exportiert werden.
  • 250 Milliarden Euro könnte das Marktpotenzial für automobi le Batterien in Europa Mitte der 2020er Jahre betragen.
  • 40 Prozent zur Wertschöpfung eines Elektroautos trägt die Batterie bei.

Quelle: BMWI

Der Batterie-Boom hat drei wesentliche Gründe

Im Vergleich zu den großangelegten Offensiven von Tesla oder CATL ist das nur die Spitze eines breiten Booms, der im Wesentlichen drei Gründe hat. Erstens hat Deutschland durch seine zentrale Lage im wichtigen europäischen Absatzmarkt einen Standortvorteil. "Das Saarland befindet sich im Herzen Europas und von hier aus kann man die Kernmärkte Deutschland und Frankreich sehr gut beliefern", begründete so auch Svolt-Chef Yang Hongxin die Entscheidung seines Unternehmens für den Produktionsstandort Überherrn.

Zweitens haben drei der weltweit absatzstärksten Autohersteller ihren Sitz sowie zahlreiche Werke in der Bundesrepublik. Drittens fördern die Europäische Union (EU) und insbesondere die deutsche Regierung den Ausbau der Batterieproduktion massiv. Allein Deutschland gibt in diesem Rahmen für die Projekte, die im eigenen Land realisiert werden, fünf Milliarden Euro aus. Das stützt die Forderung von Anja Karliczek: "Deutschland und Europa müssen in der Batterie-technologie international in der Champions League spielen", hatte die Bildungs- und Forschungsministerin bereits im Juli des vergangenen Jahres gesagt.

Allein, bis dahin könnte es noch ein weiter Weg werden. Für den Moment jedenfalls sieht es danach aus, als würden weiter fast ausschließlich ausländische Hersteller in der Champions League spielen – nur eben vermehrt auf deutschem Boden. Und wächst dann doch mal ein zartes Pflänzchen heran, reißen es die Big Player aus dem Ausland direkt wieder heraus. Jüngstes Beispiel dafür ist die Übernahme von Akasol durch den US-Zulieferer Borg-Warner. Der Mittelständler aus Darmstadt stellt Batteriesysteme für schwere Fahrzeuge, unter anderem Busse, Bahnen, Lastwagen und Schiffe her. Erst im Oktober war Akasol mit einer eigenen Gigafactory in die Serienproduktion gestartet. Die Geschäfte laufen gut. Der Auftragsbestand lag zuletzt bei rund zwei Milliarden Euro.

Mit 300 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz 2019 von 47,6 Millionen Euro waren die Hessen im internationalen Vergleich aber bis zuletzt ein kleiner Spezialist – und damit der perfekte Übernahmekandidat für einen Branchenriesen wie Borg-Warner. Damit hat die Investitionsoffensive einen entscheidenden Makel. Produziert und geliefert wird das Herzstück einer neuen Auto-Generation von ausländischen Firmen, womit auch die Technologieführerschaft dort haften bleibt. Arbeitsplätze entstehen vergleichsweise wenige. Die geplanten Produktionsstätten sind hoch-automatisiert. Bei Microvast könnten es zunächst 250 Mitarbeiter werden, bei Svolt 400.

Im Werk von PSA und CATL könnten immerhin 2.000 Beschäftigte Unterschlupf finden. In Salzgitter dürften VW und Northvolt rund 1.000 Jobs schaffen. Es gibt aber auch Lichtblicke. Das Familienunternehmen Mennekes mit Sitz in Kirchhundem hat ursprünglich den Ladestecker für Daimlers E-Smart entwickelt, der inzwischen EU-Standard ist. So wurde die Firma innerhalb von zehn Jahren überhaupt erst zum Autozulieferer. Bei Trumpf in Ditzingen hat man spezielle Lasermaschinen zum Schweißen von Kupfer, das in Elektroautos besonders häufig vorkommt, gebaut. Die Lage ist also bedrohlich – aber noch nicht verfahren.

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