Energiewende im Norden: Küstenländer fordern mehr Unterstützung vom Bund
Norddeutsche Küstenländer streben nach Vorreiterrolle bei der Energiewende - Forderungen nach mehr Zusammenarbeit und Unterstützung vom Bund
Die Energiewende in Deutschland nimmt Fahrt auf, und die norddeutschen Küstenländer wollen dabei eine Schlüsselrolle spielen. Doch reichen die bisherigen Bemühungen aus, um die Region zum "grünen Kraftwerk" der Nation zu machen? Ein Blick auf die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen zeigt: Der Weg zur Energiewende-Vorzeigeregion ist noch weit.
Windkraft und Wasserstoff: Das Potenzial des Nordens
Die norddeutschen Küstenländer Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Bremen verfügen über ideale Voraussetzungen, um bei der Energiewende eine Vorreiterrolle einzunehmen. Insbesondere die Windkraft spielt dabei eine zentrale Rolle. "Nirgends bläst der Wind so stark wie an der Nordseeküste", betont Laura Pooth, Vorsitzende des DGB-Bezirks Nord (Quelle: vdi-nachrichten.de). Doch nicht nur die Windenergie, auch die Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft steht im Fokus der norddeutschen Länder.
Olaf Lies, Niedersächsischer Wirtschafts- und Verkehrsminister, unterstreicht die Bedeutung des Nordens für die Energiewende: "An der Küste führt kein Weg vorbei. Über die Küste werden die Waren für unsere Exportnation umgeschlagen und an der Küste kommen die Leitungen und Pipelines an. Und hier liegen die Gasterminals für unsere künftige unabhängige und saubere Energieversorgung." (Quelle: KüWiVerMinKo 2024)
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Gemeinsame Industriepolitik gefordert
Trotz des großen Potenzials sehen Experten und Politiker noch erheblichen Handlungsbedarf. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert eine gemeinsame Industriepolitik der fünf norddeutschen Küstenländer, um die Energiewende erfolgreich umzusetzen.
"Mit Kleinstaaterei kommen wir an dieser Stelle nicht voran", mahnt Laura Pooth. Sie kritisiert die fehlende Erneuerung der Windenergie-Allianz und das Ausbleiben einer übergreifenden Strategie für Hafenkonzepte und Wasserstoff-Terminals. (Quelle: vdi-nachrichten.de)
Die Wirtschafts- und Verkehrsminister der Küstenländer haben bei ihrer Konferenz (KüWiVerMinKo) in Oldenburg ebenfalls eine stärkere Unterstützung des Bundes gefordert. Insbesondere bei der Finanzierung und Entwicklung der Häfen sehen sie Handlungsbedarf.
"Wir brauchen die Rahmenbedingungen, und wir brauchen eine gute Finanzierung durch den Bund. Denn das machen wir nicht für unsere fünf Länder, das machen wir für ganz Deutschland. Das ist im nationalen Interesse", betont Olaf Lies.
Schwerpunkt: Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft
Um die ambitionierten Ziele zu erreichen, setzen die Küstenländer auf verschiedene Maßnahmen und Projekte. Ein Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft. Seit 2019 arbeiten die norddeutschen Länder gemeinsam an der Umsetzung der "Norddeutschen Wasserstoffstrategie". Sie fordern vom Bund bessere Rahmenbedingungen, um den Markthochlauf von Wasserstoff zu beschleunigen und langfristige Investitionssicherheit zu gewährleisten.
Auch die Stärkung der maritimen Industrie und der Hafeninfrastruktur steht im Fokus. Die Konferenz der Wirtschafts- und Verkehrsminister fordert eine deutliche Erhöhung der Mittel für die Hafenfinanzierung, um notwendige Investitionen in die Infrastruktur zügig umsetzen zu können. Zudem soll die Schienen- und Straßeninfrastruktur im Norden modernisiert und ausgebaut werden, um die Effizienz des Güterverkehrs zu steigern und den Transport von Windenergiekomponenten zu erleichtern.
Auswirkungen auf regionale Wirtschaft und Arbeitsmarkt
Die Energiewende bietet nicht nur Chancen für den Klimaschutz, sondern auch für die regionale Wirtschaft und den Arbeitsmarkt. Der DGB sieht in der Energiewende eine "Jahrhundertchance" für die Küste. Laura Pooth betont, dass die norddeutschen Bundesländer das Potenzial besitzen, eine weltweit anerkannte Vorzeigeregion in Sachen Energiewende zu werden. Dies soll zugleich zu guten und sicheren Arbeitsplätzen in der Region führen.
Chancen und Risiken für KMUs
Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in den Küstenregionen könnte die Energiewende sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich bringen. Einerseits müssen sich viele Betriebe auf neue Technologien und veränderte Marktbedingungen einstellen. Andererseits eröffnen sich neue Geschäftsfelder, etwa in den Bereichen erneuerbare Energien, Energieeffizienz und nachhaltige Mobilität. KMU, die sich frühzeitig auf diese Entwicklungen einstellen und innovative Lösungen anbieten, könnten von der Transformation besonders profitieren.
Mögliche Beispiele dazu wären:
- Die Fischerei-Genossenschaft in Cuxhaven stellt ihre Kutterflotte schrittweise auf Hybrid-Antriebe um und spart dadurch 30% Treibstoffkosten, während sie gleichzeitig ihr "grünes Image" für bessere Vermarktung ihrer Produkte nutzt.
- Ein mittelständischer Metallbaubetrieb in Kiel hat sich auf die Fertigung von Offshore-Windkraftanlagen-Komponenten spezialisiert und konnte dadurch seinen Umsatz verdoppeln.
- Eine traditionelle Werft in Bremerhaven bietet nun Wartungsservices für Windkraftanlagen an und schult ihre Mitarbeiter gezielt für diese neue Aufgabe.
- Ein Kioskbetreiber am Strand von Sylt hat in Solarpanels und einen Stromspeicher investiert, versorgt sich komplett selbst mit Energie und bietet zusätzlich E-Bike-Ladestationen für Touristen an.
- Ein Logistikunternehmen in Rostock hat seine komplette Flotte auf Elektrotransporter umgestellt und wirbt erfolgreich mit CO2-neutralen Lieferungen in der Region.
- Eine mittelgroße Hotelkette an der Ostsee nutzt Wärmepumpen mit Meerwasser und konnte ihre Heizkosten um 60% reduzieren.
- Ein Wassersportanbieter in Wilhelmshaven hat sein Angebot um "Green Water Sports" erweitert und bietet Touren mit Solar-Katamaranen an, was besonders bei umweltbewussten Touristen gut ankommt.
- Ein Hafendienstleister in Lübeck investiert in elektrische Hafenfahrzeuge und Ladestationen, wodurch er neue Aufträge von umweltorientierten Reedereien gewinnt.
Ausblick
Die norddeutschen Küstenländer haben das Potenzial, eine Vorreiterrolle bei der Energiewende einzunehmen. Doch um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es einer verstärkten Zusammenarbeit und gezielter Unterstützung durch den Bund. Die Forderungen des DGB nach einer gemeinsamen Industriepolitik wurden teilweise aufgegriffen, wie die Beschlüsse der KüWiVerMinKo zeigen. Dennoch bleibt abzuwarten, ob die geplanten Maßnahmen ausreichen, um die ambitionierten Ziele zu erreichen und die Region tatsächlich zum "grünen Kraftwerk" Deutschlands zu machen. Für Unternehmen und Arbeitnehmer in der Region bietet die Energiewende jedenfalls große Chancen – vorausgesetzt, die notwendigen Rahmenbedingungen werden geschaffen und die Herausforderungen gemeinsam angegangen.