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Technologie > Vorbereitungen auf Energiewende

Eon-Chefin Ossadnik: „Die Energieversorgung ist sicher“

Wie Unternehmen höhere Stromkosten durch die Energiewende vermeiden können und wie sich die Energieversorgung Deutschlands in Zukunft ändern muss – Ein Interview mit Victoria Ossadnik, Geschäftsführerin von Eon Energie Deutschland.

Frau Ossadnik, derzeit wird wieder heftig über die Energiewende diskutiert. Müssen mittelständische Unternehmen um die Versorgungssicherheit fürchten?

Nein, keinesfalls. Die Energieversorgung ist sicher. Ich finde es aber wichtig, dass wir endlich eine breite öffentliche Diskussion darüber führen, wie wir die Energiewende wollen und wie sie erfolgreich umgesetzt werden kann. 

Nur diskutieren hilft aber nicht.

Stimmt. Man darf die Dinge nicht totreden. Wir brauchen eine ehrliche, vernünftige und offene Diskussion. Und dann muss eine politische Entscheidung getroffen werden. 

Hat die Politik bislang versagt?

Nein. Von Versagen kann keine Rede sein. Schauen Sie sich nur die Industrie und insbesondere den Mittelstand an: Der Wirtschaft geht es gut. 

Aber die Energiewende steht vorm Scheitern.

Einiges muss schneller gehen. Wenn der Widerstand gegen Windräder, Überlandleitungen oder Erdkabel weiter so stark bleibt und die Umsetzung der Pläne blockiert, wird es schwer. Vor allem muss endlich offen gesagt werden: Politische Entscheidungen zum Klimaschutz sollen eine Lenkungswirkung haben, es soll ja eben nicht alles so weitergehen wie bisher. Ob die Energiewende Realität wird, hat letztlich auch mit Geld zu tun – wenn man auf ökologische Energie umstellen will, ist das ohne Investitionen nicht zu haben. Ich bin aber überzeugt, dass die Energiewende gelingen wird.

Das heißt: Durch die Energiewende wird Strom noch teurer?

Das kann man so einfach nicht sagen. In der Stromwirtschaft wird ja heute bereits massiv investiert. In den Ausbau der Erneuerbaren, in die Verteilnetze, in Speicher und Flexibilität oder in Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. Das heutige System bringt es aber mit sich, dass Strom immer teurer wird, je grüner seine Erzeugung ist. Schon heute machen staatliche Abgaben – Steuern, Abgaben oder Umlagen – rund die Hälfte des Strompreises aus, den Unternehmen zahlen müssen. Strom muss also preiswerter werden. Wir brauchen daher eine Neujustierung der Steuern, Umlagen und Abgaben. Deswegen setzen wir uns für eine CO2-Bepreisung ein, die nicht für zusätzliche Staatseinnahmen sorgen soll, sondern durch die Senkung der Strompreise gegenfinanziert wird.

 

Wie können Mittelständler höheren Stromkosten gegensteuern?

Ich sehe zwei Ansätze: Gerade in mittelständischen Unternehmen gibt es noch erhebliche Potentiale, Energie einzusparen und die Effizienz zu erhöhen. Denken Sie an die großen Stromfresser im industriell produzierenden Mittelstand: Bei der Beleuchtung und der Klimatisierung von Gewerbeimmobilien wie Fabrik- und Montagehallen etwa lässt sich noch einiges herausholen – etwa mit Kälte-Wärme-Kopplung. Selbst Unternehmen, die sich erst vor zehn Jahren auf den damaligen Stand der Energietechnik gebracht haben, besitzen mittlerweile schon wieder erhebliches Optimierungspotential. Gerade der Solarbereich hat sich in den vergangenen Jahren enorm weiterentwickelt. Hinzu kommt die Smart-Meter-Technologie: Wenn Unternehmen die schlauen Stromzähler installieren, erhalten sie einen wahren Schatz an relevanten Daten zu Verbrauchsprofilen. Wer diese Informationen klug auswertet, steigert seine Energieeffizienz erheblich. 

Und der zweite Ansatz?

Das zweite Schlagwort heißt: autarke Energieversorgung. Immer mehr Mittelständler setzen auf energetische Eigenversorgung. Sie montieren sich Solarzellen aufs Hallendach oder stellen sich ein Blockheizkraftwerk in den Keller. Mittlerweile gibt es sogar kleine und dennoch hocheffiziente Windräder, die Unternehmen auf dem Firmengelände errichten können. Die Genehmigung dafür ist relativ einfach zu bekommen, und die Amortisationszeit liegt bei acht bis zehn Jahren. Bei der energetischen Eigenversorgung tut sich wirklich viel, da geht die Energiewende vorwärts. 

Eon lebt vom Stromverkauf. Insofern dürften Sie sich über diese Entwicklung nicht freuen.

Machen Sie sich keine Sorgen. Wir leben längst nicht mehr nur vom Stromverkauf, sondern verstehen uns als Komplettanbieter: Wir beraten unsere Unternehmenskunden dabei, wie sie ihren Energieverbrauch senken können. Die Systeme, die sie dafür brauchen, bieten wir ihnen auch an. Unser Geschäftsmodell reicht von der Analyse über die Konzeption und Finanzierung bis hin zur Umsetzung. Wir bauen, wir betreiben, und wir finanzieren. Der eigentliche Stromverkauf ist nur ein Element unter vielen.

Droht eine Zweiklassengesellschaft: die Betriebe, die sich die Eigenproduktion leisten können, und die, die teuer Strom einkaufen müssen?

Nein, das sehe ich nicht. Wir setzen uns ja für die Reduzierung der Strompreise ein. Hinzu kommt: Deutschland arbeitet derzeit nicht nur an der Dekarbonisierung seines Energiesystems, sondern wir durchlaufen auch den sehr dynamischen Prozess der Digitalisierung. Stichwort: Industrie 4.0. Die Vernetzung der Industrieanlagen und -maschinen schafft ein extrem empfindliches Umfeld. Wenn es hier bei der Stromversorgung zu Spannungsschwankungen kommt, kann das fatale Folgen haben. Um das Gesamtsystem sauber und stabil zu managen, wird es daher auch in Zukunft immer einen Anteil Netzstrom brauchen. 

Ab wann wird es auch ohne Kohle gehen?

Schwierige Frage. Das hängt davon ab, wie schnell und in welche Richtung sich die Industrie entwickelt; im Stromsektor ist ja das Enddatum politisch vereinbart. Nehmen Sie das Beispiel „grüner Stahl“: Technisch ließe sich Stahl „grün“ – also CO2-neutral – herstellen. Doch wirtschaftlich ist das Verfahren unter den aktuellen Rahmenbedingungen noch nicht. Wenn sich die Konjunktur tatsächlich abschwächt, kann sich das auch auf die Innovationsfreudigkeit der Unternehmen niederschlagen. 

Letzte Frage: Ist die E-Mobilität als Thema im Mittelstand angekommen?

Ja, ich glaube schon. Wir stellen fest, dass immer mehr Unternehmen auf ihrem Firmengelände Ladestationen einrichten, um auch ihren Mitarbeitern das Stromzapfen zu ermöglichen. Wenn sich die Betriebe dann auch noch Solarpaneele aufs Dach setzen, wird wirklich emissionsfreie Mobilität möglich. Diesen Trend beobachten wir. Ob es aber ein Riesentrend wird, wage ich noch nicht zu prognostizieren. 

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