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Technologie > Smart Office

Intelligente Bürogebäude senken die Kosten

Mit Hilfe von IoT-Technologien können Büros Daten zu seinen Nutzern erfassen, analysieren und bewerten. Die neue Technik soll die Kosten der Immobilie senken und das Wohlbefinden der Mitarbeiter steigern.

Alles wird einfacher – mit diesem Mantra versuchen die Planer des futuristisch designten Bürogebäudes „Cube“ in Berlin, das Gebäudemanagement zu verbessern. Mit Hilfe von IoT-Technologien sollen alle Informationen und Daten zu dem Bürokomplex und seinen Nutzern erfasst, analysiert und bewertet werden.

Der Plan: eine gezielte Steuerung und Verbesserung der Prozesse. Zusammengeführt und vernetzt werden die Datenströme in einer Zentrale. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) soll zu besseren Entscheidungen durch die Gebäudeverwalter führen. Dadurch verwandelt sich ein gewöhnliches Gebäude in ein Smart Building. Die Fertigstellung von „Cube“ ist für 2019 geplant.

Bewirtschaftung nach Bedarf

Die Nutzung über den gesamten Tag ist sehr unterschiedlich“, sagt Klaus Dederichs, Associate Partner und Head of ICT beim Beratungs- und Projektmanagementunternehmen Drees und Sommer mit Hauptsitz in Stuttgart: „Zum Beispiel ist es mit einem Tracking über Sensoren möglich zu erkennen, wie viele Menschen sich in einem Raum befinden. Entsprechend müssen die Belüftung, Kühlung und Heizung angepasst werden. Und wenn sich kein Nutzer in dem Raum aufhält, werden Licht, Lüftung und Klimaanlage ausgeschaltet oder der Anzahl der im Raum befindlichen Personen angepasst.“ Das klingt simpel, bedeutet aber einen hohen Aufwand, was die Steuer-, Mess- und Regeltechnik angeht.

So soll beim „Cube“ lernende Software in Verbindung mit Big-Data-Analysen den Haustechnikern vorschlagen, wie sie den Einsatz der Gebäudetechnik optimieren können. Auf diese Weise soll der Energieverbrauch sinken. Etliche Analysemethoden wie Predictive Maintenance gibt es bereits. Bislang sind sie aber noch nicht mit einer Big-Data-Analyse vernetzt. Durch die Analyse können die gewonnenen Informationen besser ausgewertet werden. Zudem lassen sich anhand der Daten Muster über die Nutzung des Gebäudes erkennen.

Das gelingt erst mit einer gewerkeübergreifenden Kommunikation der Gebäudetechnik durch eine selbstlernende und sich selbst optimierende KI und vernetzte Sensorik. Die digitale Infrastruktur eines Gebäudes übernimmt so auch Vorgänge wie die Buchung von Ladestationen für Smartphones, das Parkraummanagement oder die Bereitstellung von Arbeitsplätzen oder Konferenzräumen. Aber erst eine intelligente Vernetzung – das Zusammenspiel der Daten von Planung, Gebäude und Nutzung – bringt verwertbare Ergebnisse für Entwickler, Eigentümer, Betreiber und Nutzer.

Doch mit dem hochintelligenten Gebäude kommt noch eine neue Anforderung auf die Planer zu – die persönlichen Daten der Nutzer des Hauses. „Digitalisierte, vernetzte Gebäude sind Neuland für die meisten Planer und Architekten und stellt sie vor große Herausforderungen. Beispielsweise muss der Schutz personenbezogener Daten gewährleistet sein und natürlich der Datenschutz-Grundverordnung entsprechen“, sagt Dederichs.

Informationen auswerten

Die gewonnenen Daten werden je nach Interesse der beteiligten Planer, Inhaber oder Mieter eingesetzt. So will der Nutzer digitale Technologien verwenden, die ihm die Bedienung des Gebäudes erleichtern, etwa durch Inhouse-Navigation oder das Tracking von Gegenständen oder Personen. Für Entwickler, Eigentümer und Betreiber sind wiederum andere Aspekte interessant. Sie können mit Hilfe eines digitalen Zwillings, eines 3-D-Softwaremodells, über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes die Planung und Gebäudeausrüstung verbessern. Das gilt auch für den Betrieb, weil im digitalen Modell sämtliche Verträge, Prozesse und Belegungspläne hinterlegt sind. Wenn Updates notwendig sind, ist der Aufwand gering. „Smarte Gebäude können durch ein Software-Update wieder auf den neuesten Stand gebracht werden, und auch Sensoren lassen sich kostengünstig nachrüsten“, sagt Klaus Dederichs.

Dabei scheint es zunächst einmal gar nicht so einfach, die Übersicht über die im Gebäude verbaute Informationstechnik zu behalten. Rund 3.750 Sensoren wird es in dem Berliner Neubau „Cube“ geben. Über sie werden die Daten aller technischen Anlagen zentral zusammengeführt. In dieser Informationszentrale orientieren sich die Regelungs- und Steuerungsfunktionen der Gebäudetechnik am Verhalten der Nutzer. Denn so sollen Energie- und Betriebskosten sinken. Erleichtert wird auch die Zutrittskontrolle, indem Berechtigungen digital vergeben oder entzogen werden oder Informationen vorliegen, wenn externe Gäste zu Besuch kommen. Über Bluetooth-Geräte lassen sich Personen tracken und so die Buchung von Plätzen an Schreibtischen oder die Belegung von Büros steuern. Zudem können die üblichen Routen der Menschen im Gebäude und die Auslastung von Räumen dargestellt werden.

Individuelle Steuerung

Bei der Raumplanung geht es um die individuelle Steuerung von Beleuchtung und Temperatur per Smartphone oder die Arbeitsplatz-Konfiguration – unabhängig von festen Büros. Auch die Navigation zu Personen oder Räumlichkeiten sowie die Zuordnung von Paketanlieferungen sind möglich. Neben dem Buchungssystem für Parkplätze zur Mehrfachnutzung sind auch die Ladestationen für die E-Mobilität, etwa für ein Lastmanagement (Laden oder Entladen der Fahrzeugbatterie), ansteuerbar.

Noch ist einiges von dem hier Genannten Zukunftsmusik – „Cube“ wird gerade erst gebaut. Aber der Einsatz der Technologien wird bereits fleißig trainiert. Schon seit dem vergangenen Jahr werden die Vernetzungskonzepte im Testcenter an der RWTH Aachen auf ihre Praxisreife getestet. Auch Penetrationstests finden hier statt. Auf der Suche nach Sicherheitslücken werden sämtliche Systembestandteile und Anwendungen mit den Methoden von Hackern überprüft. „Derzeit ist es möglich, so gut wie jede Gebäudetechnik zu hacken“, sagt Dederichs von Drees und Sommer. Bekannt seien Fälle von attackierten Aufzugsanlagen, Gefahrenmeldeanlagen und Zutrittskontrollen. Hier sollen Sicherheitssimulationen helfen. Selbst bei einem Total-Stromausfall muss sich kein Mieter sorgen, ob seine Daten verschwunden sind. Diese sind über eine redundante Data-Center-Anbindung gesichert. Die Energieversorgung läuft über Notstromaggregate.

Ausgaben verringern

Vom Normalbetrieb in Gewerbeimmobilien sind solche Hightech-Szenarien noch weit entfernt. Die meisten Betreiber sind schon zufrieden damit, wenn sie bei den Energie-kosten Einsparungen erreichen. Bei der Nutzung von Heizung und Lüftung, die in der Regel elektrische Energie benötigen, hat Martin Steyer, Vorstandsvorsitzender von Printvision in Freising, einem Anbieter von Lösungen zum Dokumentenmanagement mit 58 Mitarbeitern, bereits eine konsequente Lösung gefunden: Er wählte den Weg in die Selbsterzeugung von Energie – schon 2010 beim Neubau seines Firmengebäudes ließ er eine Gastherme installieren. Vor fünf Jahren kam eine 360 Quadratmeter große Photovoltaikanlage hinzu. Ergänzt wurde der „grüne“ Umstieg um drei Elektroautos. „Beim Strom sind wir fast autark“, sagt der Unternehmer. Fast – das bedeutet: bis auf den Winter. Weil kein Energiespeicher vorhanden ist, muss das Unternehmen dann grünen Strom von den Stadtwerken beziehen. Dennoch ist Steyer stolz auf die Einsparungen bei den Betriebskosten: „Wir haben sie um 70 Prozent senken können“, freut er sich.

Im Sommer wird die Fußbodenheizung zur Klimaanlage umfunktioniert und mit Kühlwasser befüllt. Zudem sind die Gebäude so gedämmt, dass sie nur wenig Energie verlieren. Zum Heizen und Kühlen dient ein Grundwasserwärmetauscher. Für die energiesparende Beleuchtung kommt eine LED-Beleuchtung zum Einsatz, die ihren Strom aus der bestehenden Photovoltaikanlage bezieht. All dies sorgt dafür, dass Printvision zu den energiebewusstesten Unternehmen der Region zählt.

Geringere Kosten durch Abwärme

 

Zuschuss für Verstromung von individueller Abwärme

 

Bei Verwaltungsgebäuden sind die Kosten über die Bauweise und die technischen Ausrüstungen schnell ermittelt. Anders dagegen ist es in den Produktionshallen energieintensiver Betriebe: Die Prozesswärme macht pro Jahr mit 455 Terawattstunden zwei Drittel des industriellen Endverbrauchs aus. In der Metallverarbeitung oder in der chemischen Industrie entsteht bei Produktionsprozessen Abwärme von 400 bis 1.000 Grad, die zur Vorwärmung von Verbrennungsluft eingesetzt werden könnte.

 

Interessanter dagegen ist die Nutzung von Abwärme zur Strom-erzeugung, rät Martin Pehnt, Geschäftsführer des Instituts für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) in Heidelberg. Denn hier werden Unternehmen mit dem „KfW-Energieeffizienzprogramm – Abwärme“ mit Krediten bis zu 25 Millionen Euro pro Vorhaben unterstützt.

 

Zudem spendiert das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie einen Tilgungszuschuss von bis zu 40 Prozent des Kreditvolumens, der sich für kleine und mittlere Unternehmen sogar auf 50 Prozent aufstocken lässt.

 

 

Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

Energiesparende Konzepte verfolgt auch das Fertigbauunternehmen Regnauer aus Seebruck am Chiemsee – durch die Verwendung des Baustoffs Holz. „Das dämmt hervorragend“, sagt Firmenchef Michael Regnauer. Zudem würden Unternehmen, die sich ein Firmengebäude aus Holz bauen, ihr Umweltbewusstsein demonstrieren – und die Mitarbeiter von einem angenehmen Raumklima profitieren: „Auch in Bürogebäuden soll man sich wohlfühlen“, sagt Michael Regnauer, „das fängt bei der Gebäudehülle an.“ Er beobachtet auch eine Entwicklung, die im Gewerbeimmobilienbau wohl der Veränderung des Klimas geschuldet ist. „Früher lag der Schwerpunkt auf dem Heizen des Gebäudes, seit etwa zehn Jahren ist der Schutz vor sommerlicher Hitze wichtiger geworden“, beobachtet der Firmenchef. Forscher haben festgestellt, dass sich ab einer Lufttemperatur von 26 Grad die Konzentrationsfähigkeit von Mitarbeitern deutlich verringert. Daher empfiehlt er, stets außenliegenden Sonnenschutz einzusetzen, um einen besseren Schutz vor UV-Strahlung zu erzielen und damit den Wärmeeintrag ins Gebäude zu verringern.


Der Artikel gehört zu einem Thema aus der „Markt und Mittelstand“-Ausgabe September 2018, die am 7. September erscheint. Hier können Sie das Heft bestellen und „Markt und Mittelstand“ abonnieren.

 

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