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Energie & Rohstoffe > Nachhaltigkeit & Klimastrategien

Berliner Start-up Goodcarbon: Biodiversität als Geschäftsmodell für Firmen und Klima

| Björn Hartmann

Goodcarbon setzt auf geprüfte CO₂-Zertifikate und baut Ökosysteme – ein Geschäftsmodell zwischen Klimaschutz und Unternehmensnutzen.

 Jérôme Cochet (l.) und David Diallo
Smarte Weltenretter: Jérôme Cochet (l.) und David Diallo haben Goodcarbon gegründet. (Foto: Goodcarbon)

Biodiversität hilft Menschen, Klima und Unternehmen. Goodcarbon entwickelte daraus ein Geschäftsmodell. Die Berliner bauen Portfolios mit geprüften CO2-Zertifikaten. 

24.10.2025 von Björn Hartmann für Markt und Mittelstand

Wo fängt man an mit der Rettung der Welt? Beziehungsweise dem Versuch, dazu beizutragen? Mit einer etwas labberigen, knubbeligen Visitenkarte, wie sie Jérôme Cochet überreicht? Das Stück Papier hat einiges mit Geschäftssinn und ja, den Kräften der Natur zu tun. Der Manager sitzt in einem Großraumbüro, wie es viele gibt in Berlin-Mitte. Erster Stock, Altbau, Holzboden. Auf eine kuriose Weise bezeichnend ist auch die Adresse seines Start-ups, das die Welt verbessern will: In der Münzstraße reihen sich Markenläden an Schuhgeschäfte, und Designershops. Es geht um Handel und das ist letztlich auch das Geschäft von Goodcarbon, dessen Co-Chef er ist. 

Cochet fängt ganz groß an. „Die Welt steckt in einer dreifachen Krise: Wir haben zu viel CO₂ in der Luft. Die Biodiversität nimmt ab, was hohen Finanzierungsbedarf bedeutet. Und die Erderwärmung trifft die Ärmsten im globalen Süden am stärksten“, sagt er. „Unser naturbasierter Ansatz hilft bei allen drei Krisen.“ Es geht um eine bessere Welt, darum, Geld zu verdienen, um ein Geschäftsmodell, bei dem tatsächlich alle gewinnen – Industriefirmen, der globale Süden und auch Goodcarbon auch Goodcarbon. Cochet sagt: „Wir wollten kein Spendengeld einsammeln, sondern den freiwilligen CO₂-Zertifikate-Markt nutzen, um Natur wiederherzustellen.“ Idealerweise in Regionen, in denen es besonders üppig wächst – rund um den Äquator zum Beispiel. „Der Preis für eine Tonne in der Natur gebundenes CO₂ liegt bei zehn bis 35 Dollar“, sagt Cochet. „Technische Maßnahmen kosten ein Vielfaches. Zudem ist Natur sofort verfügbar.“ Und manche Anlagen, die CO₂ aus der Luft holten, seien noch nicht im großen Stil einsetzbar. Ganz anders sieht es beim Wald aus. Die grundsätzliche Idee: Unternehmen, die CO₂-Zertifikate suchen, können sie finden. Die Projekte, die diese Zertifikate ausgeben, sollen geprüft sein. Und das Geld, das die Firmen für die Zertifikate zahlen, kommt den Projekten zugute. 

Cochet und sein Co-Chef David Diallo gründeten Goodcarbon 2021. Beide kennen sich von der Uni, studierten Betriebswirtschaft unter anderem in Paris, Oxford und Berlin. Cochet arbeitete bei der Beratungsfirma McKinsey und mehrere Jahre beim Onlinehändler Zalando sowie bei einer Firma, die sich mit künstlicher Intelligenz beschäftigte. Diallo ist Seriengründer. 

Jetzt also CO₂-Zertifikate: „Auch wenn Klimaneutralität auf vielen Gebieten noch nicht verpflichtend ist, steigt der Druck in der Gesellschaft auf die Unternehmen, etwas zu tun“, ist Cochet sicher. „Die Freiwilligkeit wird wegfallen. CO₂-Zertifikate werden auch über energieintensive Branchen hinaus verpflichtend werden.“ Goodcarbon setzt auf drei Geschäftsfelder: „Wir beraten Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität und helfen, Strategien im Umgang mit CO₂ zu erarbeiten“, sagt der Co-Chef. So weit, so klassisch.  

Wir pflanzen nicht einfach nur Bäume, sondern bauen ein ganzes Ökosystem.

Jérôme Cochet, Goodcarbon-Mitgründer

Eine Lösung für Jahre

Was, wenn ein Unternehmen seinen CO₂-Ausstoß freiwillig ausgleichen will? Schließlich müssen nicht alle Branchen in der EU verpflichtend am Emissionshandel teilnehmen und die entsprechenden Zertifikate kaufen. „Wir bauen Portfolien mit CO₂-Zertifikaten aus Projekten unterschiedlicher Größe für Firmen unterschiedlicher Größe“, sagt Cochet. Diese Portfolios sollten auch zum Geschäft passen. Ein Kaffeeunternehmen habe die Natur zum Beispiel schon in der Wertschöpfungskette. Da sei das Interesse groß, diese Kette mit dem CO₂-Ausgleich auch zu verbessern. Und natürlich müssen die Projekte auch halten, was sie versprechen. Schließlich sind die Portfolios so angelegt, dass die Zertifikate nicht sofort, sondern über die Jahre geliefert werden – ideal abgestimmt auf den jährlichen Bedarf des jeweiligen Unternehmens. 

„Wir prüfen die Projekte, deren CO₂-Zertifikate in einzelne Portfolios aufgenommen werden sollen, intensiv anhand von mehr als 160 Kriterien“, sagt Cochet. „Später kontrollieren wir, damit sicher ist, dass das Projekt auch die geplanten Liefertermine für CO₂-Zertifikate einhalten kann.“ Von mehr als 500 Projekten, die sie bisher analysiert hätten, hätten sie nur fünf Prozent ausgewählt, die den Kriterien entsprochen hätten. 

Goodcarbon geht noch etwas weiter, baut ein drittes Geschäftsfeld auf. „Wir entwickeln eigene Projekte“, erklärt Chochet. „Diese setzen einen neuen Standard bei Qualität: in Bezug auf langfristige Speicherung von CO₂, auf Wiederherstellung der Biodiversität und sozialem Impact. Das Risiko ist geringer, die Integrität der Projekte sehr hoch.“ Das Unternehmen nennt diese Projekte Goodcarbon Originals, angelehnt an Amazon und die Produkte, die der US-Onlinehändler unter eigenem Namen verkauft. Für die eigenen Projekte arbeitet das Unternehmen jeweils mit großen Partnern vor Ort zusammen. So forsten die Berliner in Äthiopien gemeinsam mit der Stiftung Menschen für Menschen von Karlheinz Böhm mehr als 7000 Hektar Wald auf. „Wobei wir nicht einfach nur Bäume pflanzen“, sagt Cochet, „sondern ein Ökosystem bauen. Und wir vermarkten die CO₂-Zertifikate.“ Weitere Projekte laufen in Sri Lanka, wo neue Mangroven wachsen sollen, und in Mexiko. Auch dort soll neuer Wald entstehen. 

Warum sollte ein Unternehmen bereits jetzt in CO₂-Zertifikate investieren, deren Biomasse-Gegenwert erst in den kommenden Jahren gewachsen ist? Die Firmen könnten auch darauf setzen, CO₂-Zertifikate in den kommenden Jahren jeweils bei Bedarf zu kaufen, sagt der Goodcarbon-Chef. Dabei bestehe ein Risiko, keine hochwertigen Zertifikate zu bekommen. Und es könne teuer werden, weil viele gleichzeitig Zertifikate haben wollten, die dann aber knapp seien. „Unsere Portfolien sind längerfristig angelegt. Bezahlt wird bei Lieferung. Es gibt kein Preisrisiko. Und das Unternehmen hat eine glaubhafte langfristige Klimastrategie, was für die Außendarstellung wichtig ist.“ 

Inzwischen arbeiten rund 15 Beschäftigte für das Start-up. Investoren glauben an das Geschäft: Goodcarbon hat die zweite Finanzierungsrunde hinter sich. Geld gab es bisher unter anderem von den Risikokapitalgebern Planet A, 468 Capital (beide Berlin), Greenfield One (Hamburg) und Ocean 14 Capital (London). Der Umsatz verfünffacht sich jedes Jahr, allerdings noch von niedrigem Niveau. Zu den Kunden gehören unter anderem Bertelsmann, die Deutsche Telekom, Melitta, Miele und SAP. Das Geschäft ist nicht allein auf Deutschland beschränkt, Anfragen erreichten die Berliner auch aus den USA. Überhaupt die USA. „Die Amerikaner machen es uns wieder vor“, sagt Cochet. „Tech-Konzerne wie Microsoft, Meta, Google und Salesforce sind die größten Käufer solcher in die Zukunft gerichteter CO₂-Zertifikat-Portfolios.“ 

Goodcarbon hat einen besonderen Einsatz, ist aber nicht allein im Geschäft. „Was machen wir besser als andere?“ Cochet muss nicht lange nachdenken: „Wir haben starke Partner vor Ort, pflanzen native Arten und bauen ein Ökosystem, das langfristig hält.“ Dann bleibt jetzt nur die Visitenkarte, so gar nicht geschäftsmäßig glänzt. Aber sie hat es in sich. In einem Blumentopf mit Erde, gut gewässert und sonnenbeschienen, wachsen aus ihr Blumen. 

Faktenbox: Jérôme Cochet & David Diallo – Goodcarbon

  • Gründer: Jérôme Cochet (ehem. McKinsey, Zalando, KI-Unternehmen) & David Diallo (Seriengründer)
  • Gründung: 2021 in Berlin

  • Geschäftsmodell: Aufbau geprüfter CO₂-Zertifikate-Portfolios, Beratung zu Klimastrategien, Entwicklung eigener Projekte („Goodcarbon Originals“)

  • Schwerpunkte:

    • Wiederherstellung von Biodiversität

    • Langfristige CO₂-Speicherung

    • Sozialer Impact in Projektregionen

  • Projektbeispiele:

    • Aufforstung von 7.000 Hektar Wald in Äthiopien mit Menschen für Menschen

    • Mangrovenprojekte in Sri Lanka

    • Waldprojekte in Mexiko

  • Prüfkriterien: >160 Standards für Qualität und Nachhaltigkeit; nur ca. 5 % der geprüften Projekte werden aufgenommen

  • Kunden: u. a. Bertelsmann, Deutsche Telekom, Melitta, Miele, SAP

  • Investoren: Planet A, 468 Capital, Greenfield One, Ocean 14 Capital

  • Mitarbeiterzahl: rund 15 (Stand 2025)

  • Umsatz: verfünffacht sich jährlich (von niedrigem Niveau)

  • Vision: Naturbasierte Lösungen für die dreifache Krise – CO₂-Reduktion, Biodiversitätsverlust, Klimafolgen für den globalen Süden

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