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Technologie > KI und Robotik

Hannover Messe: Deutsche Industrie sucht neue Impulse

Die Hannover Messe ist seit jeher ein Spiegel für den Wandel. 2025 wird der Druck aus China immer größer. Die Industrie ist zwiegespalten wie selten. Was Hoffnung macht und erledigt werden muss.

Ein Besucher begrüßt einen Roboter bei der Industriemesse Hannover Messe 2025. (Foto: picture alliance)

Von Thorsten Giersch

Gemessen an der Größe ist die Hannover Messe (HMI) im Rückwärtsgang: Das Branchentreffen der Maschi­nen­bau­er, Elektro- und Digital­in­dus­trie wird kleiner. Dafür wird sie digitaler und gut 4.000 Ausstel­lern und 130.000 Besucher sind ja immer noch ein Wort. In dieser Woche bewies die Messe abermals, warum die große Politik in Scharen nach Hannover pilgert: Wer auf einen Schlag wissen will, was künstliche Intelligenz (KI) für Deutschlands wirtschaftliches Herz konkret leisten kann, fand dort in dieser Woche Antworten.

Messestände sagen mehr als Umsätze. In Letzteren spiegelt sich die Bedeutung von KI noch nicht wider. Für die gar nicht so gerne Zukunft allerdings kann die Bedeutung der neuen Technologie, die noch so viel mehr ist, gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sie wird die indus­tri­el­le Produk­ti­on auf ein neues Niveau heben. Dabei helfen, neue Produkte zu entwickeln, Abläufe zu überwachen, programmieren, Roboter zu bisher ungeahnten Höchstleistungen treiben und Wertschöp­fungs­ket­ten optimieren. Alles wird erstmal schwieriger, um dann einfacher, schneller, präziser und facettenreicher zu sein.

KI weckt neue Hoffnung

Oder doch nicht? Ähnlich positiv sprachen auch wir Medien einst von der Indus­trie 4.0 – über viele Jahre die Heldenerzählung der HMI. In den Artikeln über die Messe ist über diese „kluge Fabrik" seit rund 20 Jahren die Rede. Ein Konzept Made in Germany, nicht zuletzt von SAP, von Siemens und Bosch. Daten werden zu Werkzeugen. Was hier als Höhenflug begann, war am Ende eher eine Pflichtübung, die überdies viele Betriebe nur unzureichend erfüllten. Mal abgesehen von Riesen wie Siemens sorgte Indus­trie 4.0 in der Breite der deutschen Industrie nicht zu übermäßig vielen neuartigen Geschäftsmodellen.

Vieles spricht dafür, dass es bei KI anders läuft. Erstens, weil der Veränderungsdruck deutlich höher ist. Wer nicht spürt, dass die Fat-and-Happy-Zeiten vorbei sind, dem ist nicht zu helfen. Als Beleg mögen die Messestände von chinesischen Unternehmen dienen, die es Hannover seit Jahren gibt. Aber noch nie mit so einer Wucht. Die Aussteller aus Fernost haben exzellente Argumente auf ihrer Seite – das sollte anspornen. Die Ebenbür­tig­keit der chinesischen Produk­te gepaart mit staatlichen Subventionen ist im Maschinenbau längst spürbar. Aber auch im Automobilsektor, dessen Schwäche nach den Strafzöllen der USA noch deutlicher wurde. Auf der Messe ist spürbar, dass sich Riesen wie Siemens von der Autobranche unabhängiger machen wollen.

Zukunftsszenarien: Zwischen Re-Industrialisierung und De-Industrialisierung

Niemand kann seriös vorhersagen, ob die Optimisten oder die Pessimisten recht behalten werden. Also die einen, die sagen, dass KI unsere Industrie inklusive smarter Roboter zur Re-Indus­tria­li­sie­rung treiben wird. Noch die anderen, die Deutschlands Standortnachteile trotz allem für zu groß halten und eine De-Indus­tria­li­sie­rung fürchten. Vermutlich geht der Weg durch die Mitte: Die deutsche Wirtschaft sind eben viele verschiedene Unternehmen. Viele werden international mithalten, wie man auf der HMI sehen kann. Aber viele eben auch nicht. Und diese Gruppe stellt auf der kleiner werdenden Hannover Messe eben nicht mehr aus.

Dem darf auch die Politik nicht einfach zusehen – und auch eine simple Doppelwahrheit akzeptieren: Auf der einen Seite geht der KI-Erfolg der großen US-Technologieriesen zu nennenswerten Teilen auf deutsche Forschung zurück. Und in den Konzernen sowie an ameri­ka­ni­schen Spitzen­-Unis finden sich erstaunlich viele Deutsche. Aber genau darin liegt auch schon die Kehrseite: Warum bleiben all die Talen­te nicht hier?

Die neue Regierung muss für finan­zi­el­le Anrei­ze sorgen inklusive der notwendigen Infra­struk­tur. Es braucht ein anderes Miteinander von Privat­wirt­schaft und Hochschu­len – gute Ansätze sind hier aber schon erkennbar. Und „dank" Trump war es vermutlich nie leichter, großartige Forschende aus den USA nach Deutschland zu locken.

Industrial AI: Deutschlands Chance im globalen KI-Wettbewerb

Zudem lässt sich Gewinn aus der Tatsache schlagen, dass die Welt bei KI vor allem an „Large Language Models" (LLM) denkt. Diese Anwendungen für die Massen bringen den zumeist börsennotierten Konzernen viel mehr Geld ein als indus­trie­spe­zi­fi­sche Lösun­gen, wie sie hierzulande entwickelt werden. Bei dieser „Indus­tri­al AI" braucht sich Deutschland nicht zu verstecken. Das Gros der Daten im Endkundensegment mag in den USA liegen. Aber die Daten, die zwischen Maschinen generiert wurden in den Fabrikhallten, da gibt es hier enorme Mengen.

Forschung und Betriebe müssen diese Daten allerdings auch nützen dürfen. Der EU AI Act ist in der jetzigen Fassung nicht optimal. Die Unter­neh­men aus der Elektro- und Digital­in­dus­trie fürchten zurecht, dass eigentlich unkri­ti­sche Produk­te von den Regulierern bald in den Hochri­si­ko-Bereich geschoben werden. Warum wird ein von KI unterstütztes Ceran­koch­feld dort einsortiert, als wäre es der nächste Terminator?

Deutschland ist wie eine Schatzkarte voller Kreuze: Überall liegen Daten, aber wir tun uns traditionell schwer, sie zu heben. Hoffnung machen indus­tri­el­le Daten­öko­sys­te­me wie Manufac­tu­ring-X oder Catena-X, aber es machen noch zu wenige Firmen mit. Umso wichtiger ist die Initiative SCALE-MX vom Bundes­mi­nis­te­ri­um für Wirtschaft und Klima­schutz, das die Mehrwer­te des Daten­öko­sys­tems erklä­rt und vernetzt.

Kleine Geschichte der KI in Deutschland – ein Kurzüberblick

1950er–1970er: Frühe Anfänge

  • Erste Diskussionen über Maschinenintelligenz nach dem Vorbild von Alan Turing.

  • Erste Programme mit einfacher Logik & Mustererkennung an deutschen Unis.

  • Fokus auf formaler Logik und mathematischer Modellierung.

1988: Gründung des DFKI

  • Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern.

  • Bedeutender Meilenstein: Verknüpfung von Forschung, Industrie und Praxis.

  • Fokus auf Sprachtechnologie, Robotik, maschinelles Lernen.

1990er: Fortschritte durch Computerleistung

  • KI-Ansätze in automatisierter Fertigung und Spracherkennung.

  • Erste Anwendungen in der Industrie, aber noch mit begrenzter Rechenpower.

2000er: KI in der Nische

  • KI bleibt eher wissenschaftlich – wenig öffentliche oder politische Aufmerksamkeit.

  • Anwendung in Expertensystemen, Data Mining, Medizin.

ab 2010: Durchbruch durch Machine Learning

  • Große Datenmengen & Rechenleistung ermöglichen Deep Learning.

  • Deutschland erkennt KI-Potenzial: mehr Fördermittel und Startups entstehen.

  • Industrie 4.0 als Treiber für KI in der Produktion.

2018: Nationale KI-Strategie

  • Bundesregierung beschließt eine bundesweite Strategie mit 5 Milliarden Euro Förderung (bis 2025).

  • Ziel: Deutschland zu einem der führenden KI-Standorte weltweit zu machen.

2020er: KI wird Mainstream

  • Einsatz in Verwaltung, Justiz, Gesundheitswesen und Bildung.

  • Diskussionen über ethische Regeln, Transparenz und KI-Gesetze.

  • Ausbau von KI-Zentren, Professuren & europäischen KI-Netzwerken.

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