Hundesteuer digital? Schön. Aber Europas KI-Zukunft liegt woanders
KI, Datensouveränität & Vertrauen: Europas Digitalstrategie braucht Mut, Skills – und mehr als sichere Hundesteuerbescheide.

Von Midia Nuri
Für Bürokratie und Regulierung – und damit auch das Bemühen um Sicherheit etwa bei künstlicher Intelligenz (KI) – wird gern das Bild der Bremse bemüht. „Ich will die beste Bremse, um schnell fahren zu können“, sagt Walid Mehanna, Chief Data & AI Officer des Pharmaunternehmens Merck Group, auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee.
Das Thema der Diskussionsrunde: „Wie KI Sicherheit, Wachstum und Wohlstand schaffen kann“. Es gehe nicht darum, dass die Bremse schlecht sei. Sie solle greifen, wenn man sie brauche, erklärt Mehanna. Sicherheit ist aus seiner Sicht notwendig, um schnell fahren zu können. „Und wir wollen schnell fahren.“ Die härteste Währung bei KI sei Vertrauen, sagt Mehanna. Daran arbeite sein Unternehmen mit einem Code of Digital Ethics. „Wenn es um Menschenleben geht, muss mehr Verbindlichkeit und mehr Vorsicht sein“, ist er überzeugt.
Mit Blick auf Sicherheit ist Fabian Mehring, bayerischer Staatsminister für Digitales, zuallererst wichtig, Abhängigkeit zu vermeiden. „Wir brauchen ja nur bestehende Märkte zu betrachten“, sagt er mit Blick auf den Ukraine-Krieg und die langjährige deutsche Abhängigkeit von billigem Gas aus Russland. Mehring sieht die Gefahr auch für die Digitalwirtschaft, „dass wir nicht mehr in der Lage sind, souverän zu entscheiden.“ Daten seien der Schatz der Zukunft – aber wen auch immer er frage, „wie wir den schützen sollen, antwortet das Gegenüber: ,Vielleicht Hosting bei chinesischen Trägern und hoffen‘“, kritisiert Mehring. „Das ist die falsche Strategie.“ Er fordert: „Wir brauchen europäische Champions – wie Airbus in der Luft- und Raumfahrt“. Multicloud-Services aus eigener europäischer Hand müssten her. „Es muss nicht jeder Hundesteuerbescheid sicher in Deutschland gelagert werden“, sagt er, „aber sensible Daten zu Sicherheit, Gesundheit schon.“
Souveränität gibt’s nicht im App-Store – Europa muss endlich liefern!
„Buy European“ gibt auch Arno Huhn, Geschäftsführer der Schwarz IT, als Motto aus. „Wir müssen uns einig werden, was Souveränität bedeutet“, fordert er, „als Gesellschaft, als Unternehmen. Auch der Staat spielt dabei eine wichtige Rolle.“ Mit der oft bemühten Datenhoheit könne nicht nur gemeint sein, den Firmensitz hier zu haben, sondern auch, sich an die Spielregeln zu halten. Bei Unternehmen verspürt Huhn ein Umdenken und verweist auf eine Umfrage seiner Firma. „80 Prozent nannten darin Souveränität als wichtiges Thema“, sagt er. 20 Prozent hätten erklärt, sie seien digital souverän.
„Früher hatten wir große Outsourcing-Wellen“, erinnert Mehanna. Gerade für große Unternehmen wie Merck sei die Inhouse-Fähigkeit aber wichtig. Große Unternehmen hätten da vielleicht bessere Startvoraussetzungen, weil sie die Mittel und Erfahrung haben, sagt Mercks KI-Chef. Klar sei praktisch, dass dank der Stärke seines Unternehmens in den USA und China Ökosysteme bekannt seien, Kollegen vor Ort Einblick hätten und Rückmeldungen geben könnten und auch Clouds und Data Center intern bereit stünden. Souveränität bedeutet für ihn, „dass wir die Fähigkeit haben, die Daten, Applikationen und auch künstliche Intelligenz interoperabel und selbstbestimmt im globalen, aber auch lokalen Kontext ausführen zu können“, sagt Mehanna. Also nicht mehr nur „Kann ich mir Souveränität zukaufen?“, sondern „Kann ich mir Souveränität erarbeiten?“.
Wir hätten in Deutschland alle Parameter beisammen, um digital erfolgreich zu sein, freut sich Carsten Puschmann, Serienunternehmer und Start-up-Investor. „Aber das Geld fehlt“, sagt er, „30 Milliarden Euro Venture Capital fehlen.“ Investoren wollten nicht in Deutschland investieren wegen der Bürokratie, weil es Schwierigkeiten mit Visa und Arbeitsgenehmigungen gebe, weil Migrant Founders Wochen und Monate auf die IHK-Genehmigung warteten. „Wir müssen die Rahmenbedingungen hier verbessern“, fordert er. „Und gemeinsam als Europäer müssen wir über Exit- und Rahmenbedingungen reden, damit Geld im europäischen Kreislauf bleibt.“ Auch das bedeute Sicherheit. Man müsse „die Family-Offices gewinnen“, regt Bayerns Digitalminister Mehring an.
Panel: Wie KI Sicherheit, Wachstum und Wohlstand schaffen kann

- Arno Huhn, Geschäftsführer Schwarz IT KG
- Walid Mehanna, Chief Data & AI Officer Merck Group
- Dr. Fabian Mehring, Bayerischer Staatsminister für Digitales
- Carsten Puschmann, Serial Entrepreneur und Startup Investor
- Moderation: Frauke Holzmeier, Ressortleiterin Wirtschaft bei RTL NEWS
Fünf vor zwölf für KI – Deutschland muss mehr wagen
Und es brauche Vertrauen, das fehle hier systematisch, sagt Puschmann. „Hier schauen Kunden: Was hat schon funktioniert? Kann ich das auch vom Marktführer kaufen?“ sagt er. „Wir müssen die Start-ups beauftragen“ – nicht nur Unternehmen, auch Länder und Kommunen, „auch wenn die keine 17 Bilanzen und keine 17 Bankbürgschaften haben.“ Start-ups müssten nicht nur mit der etablierten Wirtschaft vernetzt werden, sondern auch mit der Politik.
Und wichtig sei auch Selbstvertrauen. „Mehr Mentality, mehr Vertrauen, auch in der Politik“, wünscht sich der Investor. „Wir haben Top-Unis, richtig gute Corporates, geile Gründer“, zählt er auf. Wir müssten nach vorn gehen, pflichtet Schwarz-IT-Geschäftsführer Huhn bei. „Für neue Businessmodelle mit KI ist es fünf vor zwölf.“
KI kann mehr als PowerPoint – Deutschland muss Ärmel hochkrempeln
Mit Blick auf KI und Digitalwirtschaft könne es nicht nur darum gehen, neue Geschäftsmodelle zu entdecken, sondern auch darum, etablierte Geschäftsmodelle mit KI neu zu erfinden, sagt Merck-KI-Chef Mehanna. „Das eine tun und das andere nicht lassen“, fordert er. Und neben das auch aus seiner Sicht wichtige Mindset will er gern das Skillset stellen. „Wollen, aber auch können, darum geht’s. Das braucht Investition“, sagt er, „strategisch in die Themen, aber auch in die Menschen.“ Weiterbildung ist Mehannas Devise.
„Während es in den USA bei 60prozentigen Ideen schon heißt, das ist das große Ding, kommen wir hier mit 99-prozentigen Neuerungen und sagen dennoch: ,Wir wissen noch nicht, ob es funktioniert‘“, bemängelt Mehring. „Wir waren mal als Wirtschaftswunderland bekannt, als Ärmelaufkrempler.“
„Wer klug ist, kommt zu uns“ – Bayerns Digitalminister teilt gegen Daten-Drama und KI-Hype aus
Auch unsere Haltung zum Thema Datennutzung müssten wir hierzulande überdenken, schon mit Blick auf die Nutzung mit dem Ziel, Menschenleben zu retten, findet Bayerns Digitalminister. „Wo immer sinnvoll, sollten Daten genutzt werden und, wo sinnvoll, sollten sie geschützt werden“, schlägt er vor.
Zu dem vielfachen Wunsch nach regulatorischer Vereinfachung und Angleichung erklärt Mehring, Bayern sei bei der Digitalisierung seiner Verwaltung unter allen Bundesländern und europaweit führend. „Das kann jetzt ja nicht heißen, dass wir uns Thüringen anschließen“, wehrt er ab. „Andererseits dürfe es auch nicht wie bei der DSGVO in allen EU-Ländern eigene Umsetzungen und in Deutschland dann nochmal in jedem Bundesland eigene Regeln geben. „Da sind wir mit Kleinstaaterei sicher nicht auf Augenhöhe“, gibt er zu. Hier müsse ein goldener Mittelweg her.
Dem Hype um die US-KI-Szene gewinnt Mehring zumindest derzeit wenig ab. „Ich nehme da gerade viel Frust wahr. Da werden Forschungsbedingungen gestrichen“, berichtet er. „Das ist eine riesige Chance für Europa.“ Man solle sie nutzen. „Bei uns gibt es genauso gute Voraussetzungen“, sagt er, „Top-Forschungseinrichtungen und -unternehmen, eine verlässliche Demokratie“, schwärmt Mehring weiter. Hier sei man nicht den Launen eines Präsidenten ausgeliefert. „Wer klug ist, kommt zu uns.“
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8.5.2025 - Ludwig-Erhard-Gipfel 2025 - Tag 2
9.5.2025 - Ludwig-Erhard-Gipfel 2025 - Tag 3
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