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Energie & Rohstoffe > Reduzierter Fördersatz

Italien erlebt Wärmepumpen-Desaster: Der Markt ist tot

Italien hat einen Boom für Wärmepumpen und Haussanierungen erlebt. Es war ein künstlich entfachter Investitionsschub mit zweifelhaftem Nutzen für den Klimaschutz. Jetzt gehen Rom die Fördergelder aus und der Markt bricht zusammen.

Frau an Heizungssystem
Fördergelder haben dafür gesorgt, dass Italien einen Boom für Wärmepumpen und Haussanierungen erlebt hat. Bild: Shutterstock

Wirtschaftsstimulus und Klimaschutz mit einem Handstreich durch den „Superbonus 110 Prozent“: So wollte die Regierung des linksgerichteten Ministerpräsidenten Giuseppe Conte 2020 die Bauaktivität in Italien wiederbeleben und gleichzeitig für effizientere Heizungen in den Häusern zwischen Alpen und Sizilien sorgen. Wer in die Modernisierung der Gebäude investierte, konnte großzügige Steuervergünstigungen in Anspruch nehmen. Die Haushalte konnten entweder die Renovierungskosten über einen Zeitraum von fünf Jahren von ihrer Steuererklärung abziehen oder sie an den Bauunternehmer weiterleiten und sofort einen Rabatt auf ihre Rechnung erhalten. Damit sollte erreicht werden, dass hunderttausende finanzschwache Immobilienbesitzer praktisch auf Kosten des Handwerks ihre vier Wände modernisieren konnten. Sie mussten oft keinen Cent dazu bezahlen. Die Betriebe bekamen so gleichzeitig Aufträge und die Möglichkeit über Jahre hinweg Steuern zu sparen. Oder sie konnten die Rechnung an eine Bank weiterverkaufen. Die 110 Prozent waren anstel­le von 100 Prozent einge­führt worden, weil bei jeder Trans­ak­ti­on ein Betei­lig­ter für entspre­chen­de Kommis­sio­nen die Hand aufhielt. Auch das deckte der Staat ab.

Der warme Geldregen aus Rom hat tatsächlich im Land eine ungewohnt intensive Modernisierungswelle ausgelöst. Auf einen Handwerker warten die Italiener viele Monate. Die Fachleute haben im vergangenen Jahr eine halbe Million Wärmepumpen installiert – ein europäischer Spitzenwert. In Deutschland war es knapp die Hälfte. „Der Markt ist mit unheimlicher Kraft nach oben gegangen“, bestätigt Stefano Negri, Marketing-Chef von Mitsubishi Electric in Italien der FAZ. Allerdings ist der Klimaeffekt sehr umstritten. Denn die wenigsten der installierten Wärmepumpen sind dazu geeignet, die Häuser allein heizen. Der Schwerpunkt liegt bei den Bewohnern auf dem sonnenverwöhnten Stiefel bei Klimageräten, die durch Luftaustausch sowohl kühlen als auch aufwärmen können. Die Anlagen arbeiten im Zusammenspiel mit einer Gasheizung. Die Brenner bringen in kalten Tagen dann Wohnräume und Wasser auf die nötige Temperatur, wenn die Wärmepumpen überfordert sind. Und auch für diese Kombination gab es erhebliche Subventionen, denn nur wenige Italiener wollen sich ganz von der Gasheizung verabschieden. Der Grund: Für die alternative Technik sind vor allem die Gebäude in den mittelalterlichen Stadtkernen nicht geeignet. Zwei Drittel des italienischen Wohnungsbestandes sind älter als 50 Jahre. Und neue Häuser entstehen auf dem Land eher wenige. Kein Wunder also, dass im vergangenen Jahr auch eine Million Gasheizungen neu installiert wurden, die der Superbonus dann gleich mitfinanziert hat.

„Fatta la legge, trovato l’inganno – Gesetz gemacht – Betrug gefunden“, sagt man zwischen Bozen und Palermo, wenn sich in Rom eine neue Steuer oder Abgabe ausgedacht hat. Und das gleiche Spiel gilt auch für Subventionen. Der Superbonus war für die findigen Italiener geradezu eine Einladung, nicht nur die Häuser, sondern auch die eigenen Kassen zu sanieren. Das bisherige System war „betrugsanfällig“, da der Kredit zunächst an eine Bank, einen Finanzvermittler oder ein Unternehmen überwiesen werden konnte, „ohne jegliche Begrenzung und zu Beginn ohne jegliche Kontrolle“, räumt die heutige Regierungschefin Giorgia Meloni ein, die inzwischen die Notbremse gezogen hat.

Tatsächlich wurden buchstäblich Potemkinsche Dörfer errichtet, die dem Staat emsige Sanierungsarbeiten vorgaukelten, während in Wahrheit kein Stein bewegt wurde. Im vergangenen Frühjahr hat die Finanzpolizei Betrügereien in Höhe von 3,2 Milliarden Euro aufgedeckt. Es wurden in den Anträgen sogar Gemeinden rund um das süditalienische Avellino erfunden. In den Geisterdörfern sollten angeblich 2411 Häuser saniert werden. In Norditalien wurden gleich mehrere Unternehmen entlarvt, die dutzende Millionen Euro an Steuerboni für energetische Fassadensanierungen abgerechnet haben, ohne dass sie je in der Lage gewesen wären, solche Arbeiten in Angriff zu nehmen. Insgesamt geht die Regierung in Rom heute davon aus, dass fast jeder zehnte Euro aus dem Subventionsprogramm erschlichen wurde.

Profitiert haben von dem Superbonus vor allem die reichen Immobilienbesitzer, die auf Kosten des Staates einen satten Wertzuwachs einheimsen konnten. Das hatte sich die linksgerichtete Regierung Conte eigentlich ganz anders gedacht. Außerdem hat der „Superbonus“ die ökonomischen Grundlagen ausgehebelt: „Keiner hat zum Vergleich Kostenvoranschläge eingeholt“, erklärt Negri. Die Folge war eine Preisexplosion für alle Arbeiten und Gerätschaften. Die Rechnung bekam Rom präsentiert. In Italiens schwachen Kassen haben die verschiedenen Bauförderprogramme seit 2020 ein zusätzliches Loch von mehr als 110 Milliarden Euro gerissen – was mehr ist als beispielsweise das Sondervermögen, das Deutschland in seine Bundeswehr steckt. Allein 2022 flossen 65 Milliarden in die Modernisierung der Immobilien. Es ist mehr als der Staat für die Bildung vom Kindergarten bis in die Universitäten ausgibt.

 

Angesichts der Lücken in Gesetz und der Staatskasse hat die konservative Regierung von Meloni das Ganze jetzt eingedampft. Der Fördersatz wurde auf maximal 90 Prozent zurückgefahren und soll nur noch für bestimmte Immobilien gelten. Das sorgt natürlich für viel Unmut im Land.  Die Wirtschaftszeitung „Il Sole 24 Ore“ schätzt, dass derzeit Projekte im Volumen von 32 Milliarden Euro von dem Bremsmanöver in Rom betroffen sind. Sie harren einer neuen Rechtsgrundlage, um doch noch für die Modernisierung der italienischen Immobiliensubstanz eingesetzt zu werden. Das dürfte nicht so einfach sein, denn aus Brüssel kam dieser Tage die Warnung, dass aus dem Wiederaufbauprogramm der EU nur dann neues Geld fließt, wenn Rom für transparente Ausgaben sorgt.

„Die Regierung hat der Bauwirtschaft einen Todesstoß versetzt“, ätzt Ex-Premier Conte, der stolz darauf verweist, dass Italien in den vergangenen zwei Jahren um 6,7 respektive 3,8 Prozent gewachsen ist. Die Rechnung des Chefs der linkspopulistischen „Fünf-Sterne-Bewegung“ mag nicht jeder nachvollziehen. „Wenn man gesundes Wachstum generieren will, dann bekommt der Staat am Ende mehr herein als er ausgegeben hat,“ belehrt die Zeitung „Italia Oggi“ den Politiker. Tatsächlich hat der Verband der italienischen Steuerberater errechnet, dass nur 43 Prozent der ausgegebenen Subventionen für die Bauwirtschaft je wieder zu einem Rücklauf als Steuer führen werden.

Die Bremsmanöver in Rom hat die Hausbesitzer und Investoren verschreckt. In der Hauptstadt selbst wurde der Bau von 1500 Sozialwohnungen eingestellt, weil die Finanzierung wackelt. Tatsächlich müssen nach dem Ende der Subvention viele Bauherren wieder genauer rechnen, was leistbar ist und was nicht. In Italien werden für Baukredite zwischen 4,2 und 4,8 Prozent Zinsen fällig. Ohne „Superbonus“ winken viele Hausbesitzer ab und verzichten auf die teure Sanierung. Auch die Nachfrage nach Wärmepumpen ist in Italien eingebrochen. „Der Markt ist jetzt praktisch tot“, stellt Mitsubishi-Mann Negri fest. Auch der Chef von Vaillant Italia blickt düster in die Zukunft: „Die Nachfrage wird in diesem Jahr stark schrumpfen.“ Jetzt fordern die Heizungsbauer eine Neuauflage des Bonus, damit das Geschäft wieder in Gang kommt.

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