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Technologie > Vertrieb

KI im Vertrieb: Mensch oder Maschine?

So hilft Künstliche Intelligenz im Vertrieb – und warum persönliche Gespräche, Vertrauen und Erfahrung im B2B-Geschäft weiterhin den Unterschied machen.

wie man sich KI vorstellt
(Foto: shutterstock)

Von Thorsten Giersch 

Vertrieb per Faxgerät – das gibt es noch. An dieser Erfahrung kamen auch Jakob und Benedikt Sons nicht vorbei. Als sie 2017 Cansativa gründeten, um innovativ mit medizinischem Cannabis zu handeln, war eine der ersten Investitionen ein Faxgerät. Heute sind die beiden „Deutschlands größte Dealer“ und Cansativa einer der bedeutendsten Cannabis-Händler hierzulande. Aber um Apotheken die Medizin anzubieten oder zu verkaufen, war das gute alte Fax unersetzlich. Als es dann irgendwann nicht mehr still stand vor lauter Aufträgen, fühlte sich das auf der anderen Seite emotionaler an als das Ping einer E-Mail. 

Technologie hat Vertriebsprozesse seit jeher an vielen Stellen verändert. Aber ein Allheilmittel waren neue Geräte nie. Auch die Möglichkeit, per Massenmail mit der Gießkanne möglichst viele Menschen in kurzer Zeit zu erreichen, entpuppt sich nicht als der große Bringer. „Die zwei häufigsten Fehler im Vertrieb lauten: Nicht mit Entscheidungsträgern sprechen und nicht persönlich verkaufen“, sagt der renommierte Verkaufstrainer Patrick Utz. „Verbindlichkeit und Vertrauen baue ich im persönlichen Dialog besser auf als digital.“ Oft führe die Kombination aus Fachebene und Mail zu einem degenerativen Prozess. Viele machen es so, weil es einfacher und effizienter erscheint – was es nicht ist. 

Persönliche Ansprache

Utz kann auch dem vermeintlich logischen Argument nicht allzu viel abgewinnen, dass man digital viel mehr Menschen in kurzer Zeit erreichen kann als persönlich oder per Telefon. „Wenn ich das Resultat aus Erstkontakt und eingetragenem Termin in der Agenda betrachte, dann läuft es doch so: Bei einer digitalen Vorgehensweise ist der Anteil der Personen, die einen Termin machen, klein. Meist sprechen wir hier über drei bis fünf Prozent. Da bleibt viel Potenzial liegen. Wer das am Telefon gut macht, bekommt bei 30 bis 50 Prozent der angesprochenen Personen einen Termin. Gerade im B2B ist das relevant, weil ich da in der Regel nicht endlos lange Kundenlisten habe.“ 

Der Mensch und seine Herangehensweise sind elementar. Und jetzt kommt künstliche Intelligenz. Auch sie wird ihn nicht ersetzen, aber KI kann Vertrieblern helfen, Zeit und Ressourcen zu sparen und die Qualität der eigenen Entscheidungen zu verbessern. Nur wie? Die kurze Antwort lautet: Indem sie die eigenen Daten besser aufbereitet, Strategien optimiert und hilft, Trends frühzeitig zu erkennen. Aber das ist nur ein Teil der Möglichkeiten und vor allem kleine und mittelgroße Betriebe haben hier noch reichlich Möglichkeiten, besser zu werden. Wir zeigen einige. 

Recherche über Kunden

Chatbots wie ChatGPT, Gemini und Claude können bei der Recherche über Kunden enorm helfen. Das gilt vor allem für die Analyse und gewinnbringende Zusammenfassung von „Über-uns-“ Seiten auf Homepages. Eine entsprechende Suchanfrage einmalig zu programmieren, erhöht die Qualität der Ergebnisse. 

Vorhersage über den Erfolg

Die einen nennen es Bauchgefühl, andere sprechen von ­Vorurteilen. ­Wissenschaftlich bewiesen ist, dass sich der Vertrieb zu oft auf auffällige Charakteristiken einzelner Geschäfte oder Kundentypen konzentriert. KI-Systeme bringen mehr Objektivität in  die Vorhersagen. Predicitive-Analytics-Modelle durchkämmen Daten und Basisraten  und beziehen verschiedene Faktoren mit ein. Das soll den Wert menschlicher Erfahrung nicht schmälern, kombinierte Modelle sind am erfolgsträchtigsten. 

Termine vereinbaren

Wer viel mit anderen in Kontakt steht, muss Gespräche koordinieren. Bis heute läuft das oft noch ­asynchron: Person A schlägt Termine in der Regel per E-Mail vor, Person B schaut in seinen Kalender, was mehrfach hin- und hergehen kann. KI-unterstützte Tools wie Calendly, Hubspot oder Microsoft Booking helfen beim synchronen Ausmachen von Terminen: Person B bekommt einen Link und Einsicht in den stets aktuellen Kalender von Person A. Diese hat dem System zuvor klare Vorgaben gemacht: Wie lang darf der Termin sein, welche Blocker gelten für diese Sorte Gesprächspartner, welche nicht? 

Synchronisierung von Terminen im CRM

Das schnelle Vereinbaren von Terminen spart auch Zeit beim Kunden und sorgt dort für höhere Zufriedenheit. Im Fall von Hubspot wird der Termin auch gleich im CRM (Customer Relationship Management) synchronisiert, was weiter Zeit spart und auch anderen im Betrieb in Echtzeit dokumentiert, dass mit dem Kunden ein Termin zum Thema x oder y geplant ist. Zudem erstellt die KI ein Protokoll über das Gespräch, legt es im CRM ab und prüft Zusammenhänge mit früheren Gesprächen bei dem Kunden. 

Marketing-Kampagnen automatisiert ­personalisieren

Für E-Mail-Kampagnen und Ähnlichem können KI-gestützte Automatisierungslösungen  
bei der Analyse des Kundenverhaltens enorm helfen. Konkret geht es um Mustererkennung, sinnvolle Segmentierung und die Ableitungen daraus, die zu maßgeschneiderten Mails führen. 

 

Prozesse im vertriebsnahen Marketing

Social Selling, also Kundenpflege via Social Media, erfordert hohen Zeiteinsatz.  Der Mensch tut sich leichter, Texte zu verbessern, statt selbst weiße Flächen mit Buchstaben zu füllen. Entsprechend groß ist die Hilfe von KI-Werkzeugen bei Texten und auch Optiken für Social-Media-Posts. Zudem hilft KI bei der Korrektur solcher Posts. Umso mehr Zeit bleibt für die Entwicklung der Strategie und für die Nachbearbeitung der Postings, also die Kommunikation von denen, die Engagement zeigen. 

Leads generieren und Bedarfsanalyse

Chatbots wie ChatGPT, Gemini und Claude können bei der Recherche über Kunden enorm helfen. Das gilt vor allem für die Analyse und gewinnbringende Zusammenfassung von „Über-uns“-Seiten auf Homepages. Eine entsprechende Suchanfrage einmalig zu programmieren, erhöht die Qualität der Ergebnisse. 

Leads qualifizieren

KI kann die zur Verfügung stehenden Daten schneller und objektiver analysieren. Erfahrungen zeigen, dass die Maschine zunächst den menschlichen Korrektor braucht, aber schnell dazulernt. Grundsätzlich ist derzeit noch ein hybrides Modell zu empfehlen, aber im Einzelfall nimmt der menschliche Anteil mit der Zeit immer weiter ab. Dafür werden auch die sogenannten Conversational Agents sorgen, virtuelle KI-Assistenten, die immer komplexere Gespräche mit potenziellen Kunden führen können zur Vorbereitung des menschlichen Gesprächs. 

Erstellung von Angeboten

Die allermeisten Angebote sind ein Mix aus Standardisierung und individuellen Kundenwünschen. KI kann vor allem Wünsche anhand der hinterlegten Daten effektiv vorwegnehmen. Der Check durch den Menschen ist nötig, aber unterm Strich spart es mit einem guten System viel Zeit. 

Kommunikation mit (möglichen) Kunden

Viele Anfragen von aktuellen und künftigen Kunden ähneln sich. Künstliche Intelligenz kann Vertrieblern viel Zeit sparen im Vor-Formulieren von Antwortmails, die der Mensch am Ende nur noch korrigieren und absenden muss. 

ERP-Abgleich erleichtern

KI kann eine sehr große Hilfe leisten beim Abgleich von CRM- und ERP-Systemen: ERP steht für Enterprise Resource Planning, Unternehmens-Ressourcen-Planung. Die Software hilft entscheidend, zentrale Geschäftsprozesse zu optimieren und zu verwalten. Kaum ein Vertriebler würde bestreiten, dass ein ERP-System wichtig ist. Das Problem: Im Sinne des ERP ist ein Kunde erst relevant, wenn die Debitoren über ihn einen Datensatz anlegen. Bis dahin hat der Vertrieb aber das Gros seiner Arbeit in den Kunden schon investiert. So kam es vor gut 30 Jahren dazu, dass neben den ERP- auch CRM-Systeme groß geworden sind. Das große Problem ist die Schnittstelle zwischen beiden Systemen, gerade wegen der stark unterschiedlichen rechtlichen Anforderungen: Stammdaten im ERP unterliegen viel schärferen Kontrollprozessen. Im Ergebnis leiden viele Betriebe heute darunter, dass die Zuordnung einzelner Datensätze der beiden Systeme kompliziert ist, was KI deutlich erleichtert.

After-Sales-Support und Kundenservice

Zwei Entwicklungen finden zueinander: Die Kosten für den Betrieb von Callcentern sind in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen. Umgekehrt sind KI-Sprachmodelle so gut geworden, dass sie in Callcentern effektiv eingesetzt werden können. KI lässt sich rund um die Uhr und in großem Umfang einsetzen. Die Akzeptanz bei Kunden steigt, weil die KI im Idealfall bei einfachen Anfragen deutlich schneller die notwendige Antwort liefert. Und die Kunden, die komplexe Anfragen haben, bekommen schneller einen menschlichen Gesprächspartner vermittelt, weil die KI die Standardaufgaben übernimmt und allen anderen Zeit verschafft. Wichtig ist allerdings, dass die KI von ihren Fehlern mitbekommt und ständig lernen kann. 

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