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Technologie > Gastbeitrag

KI ist nicht nur Machine Learning

Künstliche Intelligenz nimmt in den Digitalisierungsstrategien von Unternehmen eine wichtige Rolle ein, doch häufig fokussieren sie sich zu sehr auf Machine Learning. Damit ziehen sie zwar wichtige Erkenntnisse aus ihren Daten, um aber gute operative Entscheidungen zu treffen, benötigen sie mit Operations Research oft eine andere KI-Disziplin.

Data
KI löst viele geschäftliche Probleme, ist aber weitaus mehr als das im Rampenlicht stehende Machine Learning (Quelle: INFORM)

Mit kaum einer Technologie sind in Unternehmen aktuell so große Erwartungen verknüpft wie mit künstlicher Intelligenz. KI soll Prozesse effizienter machen und Entscheidungen verbessern, aber auch zu neuen Produkten und Services führen. Allerdings setzen Unternehmen KI immer wieder mit Machine Learning gleich und übersehen, dass andere KI-Disziplinen wie Operations Research womöglich besser zu ihren konkreten Anwendungsfällen passen.

 

Die Stärke von Machine Learning ist es, Muster in umfangreichen Datenbeständen aufzuspüren, selbst wenn die Verbindungen zwischen den Daten nicht linear sind. Die Verfahren sind nicht auf ein spezifisches Problem beschränkt, sondern eignen sich für eine ganze Problemklasse. Einem Algorithmus zur Auswertung von Sensordaten ist es egal, ob er Produktionsanlagen oder Generatoren in Umspannwerken überwacht. Wichtig ist, dass er mit gutem und umfangreichen Trainingsmaterial gefüttert wurde, um schrittweise zu lernen, auf welche Zusammenhänge oder Anomalien er achten soll.

Gute Ergebnisse liefert Machine Learning auch bei Lieferzeitprognosen in der Bestandsplanung und bei der Vorhersage von Kundenabwanderungen. An seine Grenzen stößt es indes, sobald schnelle und gute operative Entscheidungen in einem dynamischen Geschäftsumfeld gefragt sind. Hier fehlen geeignete Trainingsdaten, um den Algorithmen die komplexen Dispositionsentscheidungen beizubringen, die etwa bei der Optimierung eines Logistiknetzwerks oder einer Produktionsplanung getroffen werden müssen. Menschliche Entscheidungen sind für das Training ungeeignet, da sie in Situationen mit unzähligen Parametern und Abhängigkeiten selten optimal sind.

 

Operations Research meistert Komplexität

Bei dringlichen und komplexen Planungsentscheidungen hat sich Operations Research bewährt. Auf Basis von Business-Know-how und Annahmen rund um Mengen- und Zeitaufwände, Kapazitäten und Auslastungen erstellt Operations Research ein Modell der Realität und überprüft mit heuristischen und mathematischen Methoden die Auswirkungen von veränderten Parametern. So kann es binnen Sekunden eine Vielzahl von Szenarien durchspielen und konkrete Entscheidungen berechnen, die in einer bestimmten Situation zu einem optimalen Ergebnis führen.

 

In einem Logistiknetz mit tausenden Routen, in dem Faktoren wie Kosten, Termine, Transportkapazitäten sowie die Tarife und Zuverlässigkeit von Spediteuren zu berücksichtigen sind, vermag Operations Research alle Touren optimal zu planen – und das sogar auf mehrere Ziele hin. Neben pünktlichen Lieferungen stellt es beispielsweise auch eine gute Balance aus Kosten und Umweltfreundlichkeit sicher. In der Produktion des Maschinen- und Anlagenbaus sorgen die Modelle dafür, dass tausende Arbeitsschritte perfekt aufeinander abgestimmt sind und für jeden Fertigungsauftrag alle notwendigen Ressourcen zum richtigen Zeitpunkt bereitstehen. Gibt es einen Materialengpass, weil eine Lieferung ausfällt, lassen sich die vorhandenen Rohstoffe und die verfügbaren Produktionskapazitäten agil neu planen. Auf diese Weise macht Operations Research die Prozesse von Unternehmen robuster gegenüber Störungen.

 

Unterschiedliche Technologien im Zusammenspiel

In einigen Anwendungsfällen ergänzen sich daten- und wissensgetriebene KI-Verfahren zudem. So nutzen Finanzunternehmen Fuzzy Logic, ebenfalls ein wissensgetriebenes Verfahren, um selbst uneindeutige Daten aus verschiedenen Quellen in Echtzeit hinsichtlich ihres Betrugsrisikos zu bewerten, verdächtige Transaktionen zu sperren und neue Betrugsmuster in anwendbare Regeln zu übersetzen, die nicht erst per Machine Learning erlernt werden müssen. Das sonst übliche Anlernen der Algorithmen würde zu lange dauern und Schäden während der Lernphase nur unzureichend verhindern. Dennoch sind auch die durch Machine Learning gefundenen, zusätzlichen Betrugsmuster wichtige Werkzeuge im Kampf gegen Finanzkriminalität. Darüber hinaus kann Machine Learning auch die Datenbasis für Operations Research verbessern und etwa Modelle für die Bestandsoptimierung mit erlernten Lieferzeitprognosen versorgen.

Statt sich von vornherein auf Machine Learning oder Operations Research festzulegen, sollten Unternehmen deshalb umfassend prüfen, mit welchen Werkzeugen oder welcher Kombination aus Werkzeugen sie ihre jeweiligen Herausforderungen am besten lösen können.

Matthias Berlit ist Geschäftsführer des Aachener Optimierungsspezialisten INFORM GmbH.

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