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Technologie > Lebenszykluskosten

Deutscher Maschinenbau setzt auf Lebenszyklusmanagement statt Marktanteile

| Midia Nuri

Maschinenbauer punkten mit Effizienz, Service und Nachhaltigkeit – entscheidend sind die Kosten über den gesamten Lebenszyklus.

Eine Waffelmaschine des deutschen Herstellers Hebenstreit
Gut gebacken: Eine Waffelmaschine des deutschen Herstellers Hebenstreit hat mit klassischen Waffeleisen nicht mehr viel zu tun. (Foto: Hebenstreit)

Statt auf Marktanteile zu schauen, bringt es Unternehmen mehr, den Nutzen der eigenen Produkte aus Sicht der Kunden zu erfassen. Wichtig dabei: die Kosten.  

06.10.2025 von Midia Nuri für Markt und Mittelstand

Wenn der Teig aus dem Waffeleisen quillt, ist das eine willkommene Zusatzleckerei für den Bäcker, anwesende Kinder und Kuchengäste zu Hause. Bei Süßwarenherstellern mit quadratischen oder halbkugelig geformten Flach- und Hohlwaffeln unter der Schokolade ist überquellender Teig industrieller Ausschuss, verschwendete Rohstoffe – und angesichts steigender Preise auch ein beträchtlicher Kostenfaktor. „Ausschuss haben Sie immer“, sagt Marcel Monti Fackert, Geschäftsführer des Maschinenherstellers Hebenstreit aus Mörfelden-Walldorf. „Die Frage ist, wie viel und was mit dem Ausschuss passiert.“ Die Antwort wird Hebenstreit auf der Interpack 2026 geben, mit einem patentierten Verfahren. „Damit reduzieren unsere Kunden den Ausschuss deutlich“, verspricht der Chef. 

Gerade Hersteller hochwertigerer Produkte wie etwa Maschinen, aber auch von Fahrzeugen oder anderen Geräten, zerbrechen sich den Kopf für ihre Kunden. Vielleicht sogar gemeinsam mit ihnen. Das bindet die Kunden an den Hersteller. Und für den Kunden rechnet es sich. Besonders ausgeklügelte Maschinen anzuschaffen, kostet vielleicht mehr, dafür lässt sich aber langfristig enorm Kosten sparen. Und die Maschinen sind in der Regel effizienter und nachhaltiger, bringen eine höhere Qualität mit. „Diese strategische Ausrichtung ist aus unserer Sicht ein Grundpfeiler für nachhaltigen Erfolg – sowohl ökonomisch als auch ökologisch“, sagt Fackert. Und das von jeher, wie er bewegt feststellte, als er im vergangenen Jahr seinen Geschäftsführerposten antrat. „Als ich bei Hebenstreit angefangen habe und mit unserem Sales-Leiter auf Kundenbesuch war, war das ein ganz besonderes Gefühl, neben einer Maschine zu stehen, die der Kunde seit mehr als 30 Jahren 24 Stunden täglich im Einsatz hat.“ Auf diesen langen Lebenszyklus hin sind Hebenstreits Maschinen ausgelegt. „Die Anlage ist nicht günstig, dafür lohnt es sich bei den Betriebskosten dann wieder“, sagt Fackert. 

Je hochwertiger das Produkt, desto wichtiger ist es, den ganzen Lebenszyklus zu betrachten. Daher sind Maschinenbauhersteller führend darin, die wahren Kosten zu kennen. Das Lebenszyklusmanagement und Lebenszykluskosten strategisch anzugehen und nicht beispielsweise einfach hohe Anforderungen zu stellen und die Kosten in nachgelagerte Bereiche wie Fertigung und Montage zu verschieben, lohnt sich nicht nur für die eigenen Maschinen, sondern auch und gerade als Anbieter von Maschinen oder anderen Produkten und Dienstleistungen. Dabei gilt es, nicht nur genau zu rechnen, sondern auch einheitlich, und die Standards intern gut zu kommunizieren. 

„Wer billig kauft, kauft zweimal“, sagt schon der Volksmund. Auch die meisten Mittelständler wissen, dass Qualität ihren Preis hat und sich mittel- bis langfristig auszahlt. Das liegt an den Kosten, die Produkte immer haben. Diese einzukalkulieren, lohnt sich für Nutzer wie auch Hersteller. „Ich will billig einkaufen andererseits auch nicht verteufeln“, sagt Frank Bünting, stellvertretender Abteilungsleiter Business Advisory Qualitätsmanagement des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA). „In China rechnen Kunden zum Teil mit Lebenszyklen von fünf Jahren“, sagt Bünting. Dann werden Maschinen ausrangiert. „Solche Produkte könnten Sie natürlich in Europa nie anbieten“, sagt der Experte. „Anbieter von Waren müssen eben wissen, was die Zielrichtung ihrer Kunden ist.“ 

Als Käufer müssten sie die Balance aus Leistung, Qualität und Lebenszykluskosten ihrer Investitionsgüter nicht nur selbst strategisch fürs eigene Unternehmen geklärt haben, sondern diese Strategie auch einheitlich anwenden. Ebenso als Verkäufer. „Das Problem ist oft, dass die Einkaufsabteilung vielleicht mit ganz eigenen Kriterien arbeitet, wenn die Beteiligten sich nicht gut über ihre Präferenzen und auch die Gründe für ihre Abwägung abgesprochen haben“, warnt Bünting. Schlimmstenfalls schlägt dann der Verkäufer bei einem doch zu niedrigen Preis ein, statt die Vorzüge für die mittel- bis langfristige Kalkulation hervorzuheben. Die können höchst vielfältig sein, auch und gerade bei Maschinen und Anlagen. 

So kümmert sich der Lackiermaschinenhersteller Dürr mit Blick auf die Lebenszykluskosten beispielsweise um die Energieströme im Lackierprozess. Das 2024 vorgestellte nachhaltige Energiemanagementsystem für seine Anlagen „ermöglicht es, überschüssige Wärme und Kälte an anderer Stelle zum Heizen oder Kühlen zu nutzen“, verspricht der Hersteller. „Eine andere Möglichkeit kann sein, wenn ich dem Kunden, der für seine Anlage viel Spezial-Öl braucht, lieber das Bauteil anbiete, das mit Standard-Öl läuft“, sagt VDMA-Mann Bünting. „Die Lebenszykluskostenbetrachtung ermöglicht ein ganz anderes Auftreten gegenüber dem Kunden und dem für ihn attraktiven USP.“ 

Manchen Kunden helfen auch Alternativen zu Kauf und Verkauf, wie etwa Leasing- oder Serviceangebote. Doch die muss der Hersteller über den Lebenszyklus hinweg dann auch gewährleisten – Teil des Lebenszyklusmanagements. „Ein möglicher Service-GAU und damit Abbruch an der Qualität wäre hierbei, dass es die Motoren für eine langlebige Maschine dann irgendwann nicht mehr gibt oder nach ein paar Jahren nicht ganz klar ist, welche Updates auf der Maschine drauf sind“, warnt Bünting. Auch Programmierer sollen schon in Rente gegangen sein, ohne den Nachwuchs für die jahrzehntealten Rechner oder Maschinen entsprechend auszubilden. 

Der Maschinenhersteller Heidelberger Druckmaschinen bietet seinen Kunden Inzahlungnahme und auch Rückkauf ihrer gebrauchten Maschinen an. Auch die Grob Werke, Anlagen- und Werkzeugmaschinenhersteller aus Mindelheim, kauft Gebrauchtmaschinen zurück. Leasen lässt sich längst auch bei Herstellern kleinerer Geräte für verschiedene Branchen oder auch Softwareanbietern – längst nicht mehr nur bei Maschinen- und Autobauern. 

Passend optimieren 

Je nach Bereich können Betreibermodelle interessant sein, bei denen der Hersteller nicht die Maschine verkauft, sondern die Stückzahl oder das Volumen der damit hergestellten Güter. Der Hersteller stellt die Maschine dafür beim Kunden auf. Aber Achtung! „Das hat einige Unternehmen fast in die Pleite getrieben“, erinnert sich Bünting. „Ein erfolgreiches Modell für ein solches Contracting gibt es im Maschinenbau eigentlich nur bei Druckluft“, berichtet er. Das sei ein gut kalkulierbares Umfeld. Was im Maschinenbau noch seine Tücken hat, ist in anderen Bereichen wie etwa bei Energie dagegen längst gang und gäbe, und das auch bei guter Qualität und nachhaltig, beispielsweise bei Wärmepumpen. 

Wo solche Angebote nicht infrage kommen, gilt es für Anbieter, die Lebenszykluskalkulation des Kunden zu verstehen und passende Optimierungen für dessen Geschäft anzubieten. Wichtige Voraussetzung dafür ist natürlich: „Sie brauchen eine einheitliche Berechnungsgrundlage und ein einheitliches Berechnungsmodell für die jeweiligen Lebenszykluskosten“, sagt Bünting. Maschinenbauern bietet der VDMA daher seit mehr als 15 Jahren Excel-Tabellen für die Lebenszykluskostenberechnung an, die auf dem VDMA-Einheitsblatt 34160 beruhen. Zur Kostenanalyse über den gesamten Lebenszyklus hinweg unterscheiden die Vorlagen zwischen Kosten in Vorbereitungsphase und Betriebsphase sowie der weiteren Nutzungsphase und bieten die Möglichkeit, im Detail sämtliche in allen Phasen anfallenden Kosten etwa für Inbetriebnahme, Material oder Werkzeug, für Installation oder auch Personal einfließen zu lassen. Auch die Ausgaben für die Qualifizierung von Mitarbeitern können einfließen. Total Cost of Ownership also – umfassender Kostenüberblick für Eigentum oder Besitz an der Anlage. Die so entstehende Vorausschau lässt viele, durchaus unterschiedliche Rückschlüsse für das Lebenszyklusmanagement zu – je nach Bereich und Bedarf des Unternehmens und dessen Kunden. 

Kunden als Partner 

Deren Belange kennt Maschinenbauer Hebenstreit dank langjähriger Partnerschaften bestens. „Partnerschaften bestehen bei uns über Generationen“, sagt Geschäftsführer Fackert. Die wichtigsten Kosten sind stets die für Rohstoff sowie Service und Energie. Auch die vorbeugende Instandhaltung zählt er zu den wichtigen Stellschrauben an den Lebenszykluskosten der Maschinen und Anlagen – an denen sein Unternehmen für die Kunden und sich selbst dreht. „Unsere Kunden können unsere Maschinen leicht von Gasantrieb auf Elektromotoren umrüsten und brauchen dafür keine neue Anlage zu kaufen“, erklärt er. „Das bedeutet für die Kunden nicht nur geringere Betriebskosten, sondern auch eine erhöhte Verfügbarkeit und Sicherheit, dass sich die Investition auf lange Sicht rechnet.“ 

„Darauf schaut man gerade im Mittelstand schon“, beobachtet Bünting. Damit das auch praktisch alle Mitarbeiter umsetzen, brauchen sie die entsprechende Qualifikation. Diejenigen, die sich beispielsweise für das Unternehmen um öffentliche Ausschreibungen bemühen, brauchen ein technisches Verständnis, um gemäß der unternehmenseigenen Strategie mit dem Thema Lebenszykluskosten umgehen zu können. 

„Neben den Produkten Serviceinnovation anzubieten, ist in Zeiten von Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel eine weitere Möglichkeit, seinen Kunden Lösungen für ihr Lebenszykluskostenmanagement anzubieten“, empfiehlt Stefan Schweiger, Professor für Industrielle Projektplanung & Prozessmanagement an der Hochschule Konstanz für Technik, Wirtschaft und Gestaltung. „Selfservice, Automatisierung, Montageprozesse, digitale Lösungen“, zählt er auf. Chatbots übernehmen hierbei zunehmend den unmittelbaren Kontakt. „Wo es geht, wird versucht, weniger Arbeitskraft zu brauchen“, sagt Schweiger. Wer den Schritt weg von der klassischen Betrachtung von Produkt, Wachstumsmarkt und Marktanteil hin zur Betrachtung der Profitabilität, Lösungsorientierung und Nutzenführerschaft getan habe, schaffe den heute nötigen Paradigmenwechsel. 

Der erlaubt den Kunden von Hebenstreit etwa, bei geringen Kosten, effizient und mit hoher Qualität das praktisch gleiche Produkt allen recht zu machen. Zum Beispiel den europäischen Naschkatzen die Waffel mit Vollmilch- oder weißer Schokolade in verschiedenen Größen und Formen. Und den japanischen Fans Waffelhäppchen in verschiedenen Geschmäckern, von Double Berry & Nuts, Erdbeere und Orange über Schokolade-Minz-Eiscreme, Apfelkuchen und Milchtee bis zu Koi Matcha und Blaubeerkäse oder Wasabi. 

Wer billig kauft, kauft zweimal – auf den Lebenszyklus kommt es an.“

Volksmund

Faktenbox: Lebenszykluskosten im Überblick

Definition:

  • Lebenszykluskosten (LCC) umfassen sämtliche Kosten, die über die gesamte Nutzungsdauer eines Produkts entstehen – von der Beschaffung bis zur Entsorgung.

Phasen und Kostenarten (nach VDMA-Einheitsblatt 34160):

  • Vorbereitungsphase: Beschaffung, Infrastruktur, Erstellungskosten

  • Betriebsphase: Wartung, Reparaturen, Energie, Material, Personal, Werkzeuge, Lagerung

  • Nutzungsende: Demontage, Entsorgung, Restwert

Nutzen für Unternehmen:

  • Transparenz über Total Cost of Ownership

  • Bessere Investitionsentscheidungen

  • Effizienzsteigerung und Ressourcenschonung

  • Nachhaltige Kundenbindung durch Service und Qualität

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