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Lieferkette 4.0: Wie IoT die Logistik verändert

Wie smarte Sensoren und Process Mining dabei helfen, Produktions- und Lieferketten neu zu definieren.

Im Mai dieses Jahres schloss die chinesische Regierung im Kampf gegen die Corona-Pandemie den Containerhafen von Yantian. Im August musste auch ein Teil des Hafens von Ningbo – der drittgrößte Containerhafen der Welt – vorübergehend die Schotten dichtmachen. Im März lief mit der Evergiven eines der größten Containerschiffe der Welt im Suezkanal auf Grund und blockierte eine der wichtigsten internationalen Handelsrouten über Tage hinweg. Jedes dieser Ereignisse für sich genommen, störte die vielfältigen globalen Verflechtungen erheblich, die unsere Wirtschaft heute ausmachen. Verzögerte Lieferungen waren die Folge. Engpässe in der Produktion. Stillstand in betroffenen Werken, die auf wichtige Bauteile warten mussten.

Gerade Deutschland profitiert als Exportweltmeister massiv von der Globalisierung. Richtig ist jedoch auch, was uns diese Beispiele sehr deutlich machen: Globaler Handel bedeutet auch globale Abhängigkeiten. Das gilt sowohl für global agierende Unternehmen wie Automobilhersteller als auch die mittelständische Betriebe – für Letztere vielleicht sogar noch ungleich mehr. Siekönnen sehr viel seltener ihrer Produktionen kurzfristig an internationale Standorte auslagern, um regionale Engpässe zu umgehen. Gleichzeitig sind siebesonders abhängig vom erfolgreichen Abschluss weniger umsatzstarker Geschäfte. Damit Unternehmen erfolgreich sein können, sind sie darauf angewiesen, dass Rohstoffe, Komponenten und Produkte, wenn auch nicht permanent, so doch zumindest verlässlich verfügbar sind. Und genau das ist die Achillesferse der Just-in-time-Ökonomie.

Chipmangel bedroht die Weltwirtschaft

Nirgendwo wird die Fragilität dieses Systems derzeit so offenkundig wie beim weltweiten Mangel an Chips. Das Fehlen dieser Bauteile wächst sich zu einer Krise der gesamten Weltwirtschaft aus, auch weil sich in den vergangenen Jahren ein fundamentaler Wandel in der Produktion vollzogen hat. Die Bedeutung von Software und Elektronik ist massiv gestiegen. Vom Computerspiel über das Smartphone, die smarte Waschmaschine oder den E-Roller auf dem Gehweg – kaum etwas in unserem Alltag kommt ohne jede Menge Chips und andere Elektrobauteile aus.

In einem modernen Auto sind heutzutage bis zu 1400 Computerchips verbaut – Tendenz steigend. Und so leiden in Deutschland besonders die Autohersteller unter dem Chipmangel – und mit ihnen Zulieferer, Partnerfirmen und das gesamte wirtschaftliche Ökosystem, das sich rund um die Autoindustrie etabliert hat. Fehlen Computerchips für den Bau der Fahrzeuge, dann trifft das beispielsweise auch jene Firmen, die bislang eigentlich mit dem Transport der Neufahrzeuge quer durch die Republik ihr Geld verdient haben.

Innovative Technologien für Transparenz entlang der Wertschöpfungskette

Was braucht es nun also, um die Planungssicherheit zu erhöhen? Zunächst einmal deutlich mehr Transparenz entlang der Wertschöpfungsketten. Warum ist Transparenz wichtig? Weil sie dabei hilft, Lieferketten agiler zu planen und zu gestalten. Eventuelle Verzögerungen lassen sich frühzeitig erkennen, alternative Lieferanten ausfindig machen oder auch die eigenen Produktionsabläufe leichter anpassen. Die Technologien dafür stehen heutzutage bereits zur Verfügung – was es nun jedoch braucht, ist die Bereitschaft, sie auch einzusetzen. Insbesondere ein smartes, industrielles Internet of Things (IoT) und Methoden wie das Process Mining können als wichtige Enabler fungieren und mehr Planungssicherheit schaffen.

Gemeinsam mit DMG MORI, DÜRR, ZEISS sowie ASM PT hat die Software AG daher 2017 die Allianz ADAMOS gegründet. Der Name der Allianz steht für ADAptive Manufacturing Open Solutions. ADAMOS bringt das Wissen der Maschinen- und Anlagenbauer mit dem Know-how von Unternehmen wie der Software AG zusammen und schafft auf diese Weise Lösungen, um die Digitalisierung im Mittelstand zu beschleunigen, unter andere anderem mit einer herstellerneutralen IIOT-Plattform, die das Auswerten von Maschinen- und Prozessdaten erlaubt.

Um die Möglichkeiten dieser Technologien für die Logistik zu verstehen, hilft ein Blick auf einen klassischen Container – ein Herzstück der heutigen Transportwelt. Standardcontainer messen rund 2,4 Meter mal 2,6 Meter mal 6 Meter. Doch diese Container sind nicht smart. Sie liefern keine relevanten Daten, aus denen sich Aussagen zum Logistikprozess ableiten lassen können. Erst der Einsatz von smarten Sensoren machte diese Container zu einem Bestandteil größerer, umfassender IoT-Lösungen. Die Container könnten neben ihrem exakten Standort auch beispielsweise Informationen zur jeweiligen Innenraum-Temperatur übermitteln, sie könnten andere klimatische Bedingungen dokumentieren und über eine Cloud-Lösung bereitstellen. Ist es zu feucht im Container? Ist die Salzkonzentration der Luft zu hoch? Kommt es zu Erschütterungen? All solche Informationen können dabei helfen, besser zu verstehen, was eigentlich mit dem jeweiligen Container und seiner Fracht passiert – und inwieweit mit seinem rechtzeitigen Eintreffen und der Unversehrtheit der Waren zu rechnen ist.

Smarte Sensoren entlang der gesamten Supply-Chain

Doch der Container ist nur ein einzelner Baustein entlang der gesamten Supply-Chain. IoT kann smarte Lagerhäuser schaffen, in denen Sensoren in Echtzeit die jeweiligen Bestände kontrollieren sowie deren Zustand. Die Verbrauchsdaten von eingesetzten Lastwagen-Flotten, das Verhalten der Fahrer und die Standorte der Fahrzeuge lassen sich in Echtzeit mittels IoT abrufen und über eine Cloud-Infrastruktur wie Cumulocity mit anderen Daten zusammenführen. Und schon in der Produktion – beispielsweise eben von Computerchips oder auch Impfstoffen – kann IoT dazu beitragen, Daten wichtiger Prozesse auszulesen, indem Sensoren smarte Produktionsanlagen schaffen und alle wichtigen Kennzahlen dabei vollautomatisch im Blick behalten. Kommt es zu Abweichungen im Produktionsprozess, können die IoT-gestützten Lösungen selbstständig die möglichen Ursachen ermitteln und Maßnahmen zur Optimierung der Produktion vorschlagen.

Spätestens an dieser Stelle sollte klar sein, dass IoT auch weit über die in der Logistik ansonsten verbreitete RIFD-Technologie hinausgeht, die zwar die Zuordnung von Waren bei ihrer Ankunft am Zielort oder an einer Zwischenstation erlauben, jedoch keinerlei Aussagen über all das zulassen, was auf dem Weg dorthin geschieht. IoT-Lösungen machen es hingegen möglich, die gesamte Wertschöpfungskette eines Produktes in den Blick zu nehmen.

Process Mining – Durchblick im Dickicht der Prozesse

Viele Prozesse sind historisch gewachsen – seien es solche in der Produktion oder in der Logistik. In den seltensten Fällen wurden sie am Reißbrett geplant. Genau hier kommt das Process Mining ins Spiel. Während klassische Methoden zur Prozessanalyse nämlich nur Teilprozesse abbilden und jede einzelne Abteilung oder jeder einzelne Partner sich letztlich seinen Prozessschritt analysiert, sorgt Process Mining für einen Blick auf die Gesamtzusammenhänge.

Wie greifen verschiedene Prozess ineinander? Welche Wechselwirkung entfalten sie? Das sind die zentralen Fragen, auf die das Process Mining Antworten liefert. Dabei greift das Process Mining einerseits auf die üblichen Business-Daten zurück, die Unternehmen in ihren ERP-Systemen ohnehin bereits vorliegen.

Doch diese Daten verbindet das Process Mining mit einer Vielzahl weiterer verfügbarer Datenquellen und kann dabei insbesondere von all jenen Informationen profitieren, die die IoT-Lösungen beitragen. Der gesamte Verlauf der Wertschöpfung wird damit unter das digitale Mikroskop gelegt und lässt sich bis in die letzten Feinheiten hinein sezieren. Wieso benötigt eine bestimmte Fracht länger als die sonst übliche Durchschnittsdauer? Wieso kommt es in der Produktion zu Abweichungen?

Die Zukunft der Logistik: Flexibel, agil – und datengesteuert

Diese vernetzten Produktions- und Lieferketten – wenn sie konsequent umgesetzt werden – ermöglichen es den Unternehmen, in völlig neuer Weise auf drohende Lieferengpässe zu reagieren. Mögliche Verzögerungen lassen sich frühzeitig erkennen – in Echtzeit und samt Ursache. Warum bleibt ein bestimmter Prozessschritt unter dem zeitlichen Optimum? IoT liefert die Daten, das Process Mining die Antworten. Solche Cloud-gestützten Systeme lassen sich obendrein mit Machine Learning und künstlicher Intelligenz verknüpfen, um so fortwährend Optimierungspotenziale zu heben. Im Ergebnis lassen sich auch voll automatisierte Auftragsvergaben etablieren oder digitale Auktionen. Bei beteiligten Speditionen und Reedereien kann das zu einer besseren Auslastung der Fracht- und Transportkapazitäten führen. Gleichzeitig erhalten Käufer und Hersteller mehr Transparenz und mehr Verlässlichkeit bei An- und Abnahme ihrer Waren und eine Logistik, die genau auf ihre jeweiligen Bedürfnisse angepasst ist.

Natürlich baut IoT keine Chipfabriken. Natürlich ersetzt Process Mining keine Containerschiffe. Doch in der Kombination können beide Technologien für mehr Einsichten in die Prozesse der Unternehmen sorgen – und so verhindern, das angespannte Supply-Chains reißen.

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