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Technologie > Fintech N26

Max und Valentin machen mal eben neun Milliarden

N26 ist wertvoller als die Commerzbank. Wer sind die Macher, die die klassische Mittelstandsbank so alt aussehen lässt?

In der Frankfurter Konzernzentrale der Commerzbank musste man kürzlich tief durchatmen. Die zweitgrößte deutsche Bank mit ihren 48.000 Mitarbeitern ist von einem Berliner Start-up eingeholt worden. N26 wird nach einer Finanzierungsrunde jetzt mit neun Milliarden Dollar bewertet. Die Berliner Bank ist damit zum wertvollsten deutschen Fintech aufgestiegen – und zeitweise wertvoller als die 151 Jahre alte Commerzbank. Und während sich die Commerzbank mit Personalabbau und Filialschließungen beschäftigt, meldet N26 jeden Tag so viele neue Kunden, dass jetzt die Bankenaufsicht einschreitet und das Wachstum künstlich begrenzt. Sie fürchtet offenbar, dass die Bank, vom eigenen Erfolg überrannt wird.

Mehr als sieben Millionen Kunden sind es bereits – und keiner davon war je in einer Filiale. Denn die gibt es nicht. N26 ist eine reine Smartphone-Bank – digital und weithin kostenlos. Klick und App statt Schalter und Papierkram. Kunden werden geduzt, und Konten kann man Samstagnacht eröffnen. Das Geschäft boomt. In deutschen Großstädten hängen Werbeplakate mit dem Spruch: "Nicht die Bank deines Opas." Denn der ist eher bei der Commerzbank, die ihr Filialnetz halbiert.

Während die Frankfurter Herren in Nadelstreifen verwundert die Augenbrauen hochziehen, haben die Berliner Gründerjungs illustre Investoren an Bord. Zu den Geldgebern gehören der Versicherungskonzern Allianz, der Staatsfonds GIC aus Singapur, der chinesische Internet-Riese Tencent, der Münchener Risikokapitalgeber Earlybird und der US-Investor Peter Thiel. Auch die Dragoneer Investment Group (San Francisco), Third Point Ventures (New York) und Coatue Management (New York) sind eingestiegen. Kurzum: Das ganz große Geld setzt auf N26. Die Fondsmanager pushen die Deutschen damit in den Start-up-Himmel. Dort thront bislang unangefochten die britische Newcomer-Bank Revolut. Sie ist aktuell 33 Milliarden Dollar wert und damit das Maß der Dinge. Die Commerzbank ist es schon länger nicht. Aber auch N26 muss sich noch strecken.

Doch wem vertrauen die Großkapitalisten da ihr Geld an? Max und Valentin, so nennen sich die Gründer auf der Homepage der Neo-Bank. Es handelt sich um zwei Österreicher, Valentin Stalf und Max Tayenthal, Mittdreißiger, die so wirken, als hätten zwei smarte Kumpel aus Wien gerade ein neues Edelrestaurant in Prenzlauer Berg eröffnet. In Wahrheit sind sie auf dem Weg, zu den neuen Elon Musks zumindest der deutschen Finanzindustrie zu werden.

Extremes Selbstbewusstsein

Begonnen haben die beiden 2013 in einem Wiener Wohnzimmer mit der Idee, eine App zu entwickeln, in die Eltern Guthaben für ihre Kinder laden können, um so deren Ausgaben zu managen. Papayer tauften sie das digitale Taschengeld. „Als das Produkt dann in der Testphase war, kamen immer mehr Tester auf uns zu, die das Produkt nicht für ihre Kinder, sondern für sich selbst verwenden wollten. Das Teenager-Produkt war der Anfang und hat uns den Weg zur größeren Idee gezeigt", berichtet Stalf, der nach seinem Wirtschaftsstudium in St. Gallen bei Rocket Internet, einem Berliner Entwickler von Online-Start-ups, gearbeitet hat. "Bei Rocket lernt man, keine Angst zu haben: Du willst eine Bank gründen? Just do it." Also tat er. Valentin Stalf wird intern als Mann beschrieben, der das Wort Selbstbewusstsein in Großbuchstaben sprechen kann. In seinem Lebenslauf schreibt er, er habe "die Vision, eine Bank zu schaffen, die dem Lifestyle des 21. Jahrhunderts entspricht". Heute leite er das Unternehmen, das Banking neu erfunden habe. Als offizielles Ziel gibt er aus: "Wir wollen die erste weltweit digitale Bank aufbauen." Er habe N26 gegründet, "um neue Maßstäbe in einer Industrie zu setzen, die für viele Menschen unzugänglich bleibt. Die Vision: die Verwaltung von Geld zu revolutionieren und Banking besser zu machen." Das klingt ziemlich amerikanisch dick aufgetragen – und erweckt Misstrauen, besonders im überregulierten deutschen Bankenwesen. Soll man diesem jungen Mann mit den langen blonden Haaren, der eine "Milliarden-Company" bauen und Banken revolutionieren will, wirklich trauen? Wieso werden Geschäftszahlen nicht veröffentlicht? Wie hoch sind die Verluste? Wie viele der sieben Millionen Kunden zahlen überhaupt irgendetwas? Ist das alles seriös?

Die Bankenaufsicht BaFin hat da ihre Zweifel. Und weil sie wegen ihres Dornröschenschlafs in Sachen Wirecard ein gebranntes Kind ist, schaut sie bei N26 lieber zweimal hin. Sie hat zwei Sonderbeauftragte abgestellt, die die Start-up-Bank bewachen. Einer ist Spezialist im Kampf gegen Geldwäsche, ein Thema, das "die Jungs", wie Stalf und Tayenthal BaFin-intern genannt werden, "etwas unbekümmert" links liegen gelassen haben. Der zweite BaFin-Kontrolleur überwacht das Risikomanagement der Bank. Zwei Sonderbeauftragte – ein Novum in der deutschen Bankengeschichte. Dazu kommt noch eine Vorgabe, die die auf Wachstum bedachte N26-Führung an ihrer empfindlichsten Stelle trifft: Mehr als 50.000 Neukunden pro Monat darf es bis auf Weiteres nicht geben. Das sind deutlich weniger als die monatlich gemessenen AppDownloads von 100.000 und mehr und trifft die Gründer hart, weil sich der Wert ihrer Bank nach der Zahl der aktiven Kunden bemisst. "Wir sind uns bewusst, dass europaweit eine extrem hohe Nachfrage nach unserem Produkt existiert und möchten die Wachstumseinschränkungen zügig beenden", sagt dann auch ein N26-Sprecher. Die Konkurrenz dagegen raunt bereits böse, N26 sei eine gigantische Geldwäschemaschine. Jürgen Gros, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern, spricht vom "flächendeckenden, systematischen Versagen der Bank". Bereits im Juni verhängte die BaFin ein Bußgeld von 4,25 Millionen Euro, weil die Start-up-Bank zu spät Verdachtsmeldungen zu Geldwäsche eingereicht hatte. N26 zeigt sich darauf um Seriosität bemüht. Ein Geldwäschebeauftragter wird eingesetzt und ein neues ComplianceManagement. Dessen Chef Stephan Niermann schreibt fleißig Beiträge über Finanzkriminalität und legt Wert auf die Feststellung, dass N26 seine Kunden genau durchleuchte: Es würden knapp 300 "Datenpunkte" abgefragt, bevor ein Konto eröffnet wird. Das sei deutlich über dem Standard.

Börsengang angepeilt

Es gibt noch ein zweites Thema, das "die Jungs" wurmt. Revolut, der Konkurrent aus London, verdient inzwischen gut im Aktien- und Kryptowährungshandel. Das geht bei N26 noch immer nicht. Ursprünglich wollten Stalf und Tayenthal entsprechende Funktionen dazukaufen, jetzt lassen sie intern entwickeln – und das dauert. Sie machten so sehr Dampf, dass die Belegschaft stöhnte. "Die meisten Teams sind überlastet, was an der Wirkönnen-alles-Mentalität liegt. Sie sollten sich lieber auf das, was möglich ist, fokussieren", heißt es im Jobbewertungsportal Kununu von einem Mitarbeiter. Ein N26-Sprecher nennt inzwischen lieber keinen Termin mehr, bis wann die neuen Funktionen auch funktionieren. Investoren und Kunden scheint das nicht zu stören. Die einen wollen noch immer ein Konto eröffnen, die anderen, die "treuen Partner", wie sie intern heißen, leihen dem Gründerduo gern Geld für die nächste Wachstumsstufe. Jetzt sollen zu den 1500 "mehrer hundert" Mitarbeiter für Technologie, Produktmanagement und digitale Sicherheit eingestellt werden. Gleichzeitig und trotz allem plant die Bank weiter einen Börsengang "in den kommenden Jahren", wie Stalf ankündigt. Wenn ihm das gelingt, wird er wohl auch die Deutsche Bank überholen. Die ist schließlich ebenfalls 151 Jahre alt.

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