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Energie & Rohstoffe > Windernergie

Nextwind: Alte Windparks, neuer Wind

Das Berliner Start-up Nextwind kauft alte Windparks auf, modernisiert sie und will so bis 2028 eine Leistung von drei Gigawatt erreichen.

Windpark bei untergehender Sonne
Deutschland war einer der ersten Märkte, der Wind in einer relevanten Größe für Stromerzeugung nutzte. (Foto: shutterstock)

Nextwind kauft alte Anlagen und erneuert sie. So will das Unternehmen zu einem großen Stromanbieter wachsen. Das nötige Kapital haben die Berliner bereits.

Von Björn Hartmann

Alte Windparks modernisieren für effiziente Windenergie in Deutschland

31. Stock, Upper West, knapp 110 Meter über dem Bahnhof Zoo in Berlin. Schon die Büros auf Nabenhöhe eines größeren Windrads zeigen, wo Lars Meyer mit Nextwind hin will: hoch hinaus. Das Start-up schickt sich an, einer der großen Strom­anbieter des Landes zu werden. Die Idee ist verblüffend einfach. Meyer und sein Team kaufen Windparks, tauschen die alten Windräder gegen effizientere aus und verkaufen dann Strom. Wer jetzt denkt, das ebenfalls zu können, dürfte an etwas ganz Wesentlichem scheitern: Geld.

Zunächst einmal, und das ist Meyer wichtig: „Wir sehen uns als Energieproduzenten. Wir sind kein Projektentwickler, kein Finanzinvestor." Wir sind nicht auf den schnellen Euro aus, schwingt da mit. Nextwind geht ins große unternehmerische Risiko. Das Prinzip lautet: kaufen, modernisieren – und eben nicht weiterverkaufen, sondern bündeln. „Mehr Strom auf bestehenden Flächen zu produzieren, ist politisch eleganter, als auf der grünen Wiese Neues zu bauen", sagt der Co-CEO. Man leiste einen Beitrag zur Entkarbonisierung. Für ihn ist aber klar: „Es muss auch wirtschaftlich sinnvoll sein und sich für Investoren, die das erforderliche Kapital bereitstellen, lohnen." Offenbar funktioniert das in der Bundesrepublik.

„Deutschland war einer der ersten Märkte, der Wind in einer relevanten Größe für Stromerzeugung nutzte", sagt der Firmenchef. Jetzt fallen die ersten Anlagen aus der Förderung. Ein heikler Moment, denn viele Eigentümer, also vor allem Bauern, Gemeinden oder Kleininvestoren, prüfen den Ausstieg. „Viele, die vor knapp 20 Jahren Windanlagen aufgestellt haben, sind heute schon älter und suchen eine Nachfolgeregelung", sagt Meyer. Hier tritt Nextwind auf den Plan. Solche Altstandorte bieten Vorteile: „Die ersten Windparks sind an besonders windträchtigen Stellen gebaut worden, die sehr ertragreich sind", sagt der Co-Chef. Die Akzeptanz für Windparks sei größer, auch würden dort neue Anlagen beschleunigt genehmigt – ganz anders als auf der grünen Wiese. „Wir ersetzen die 20 Jahre alten Anlagen durch moderne, die Kapazität steigt kräftig, die Stromausbeute vervier- oder verfünffacht sich." Bevor gebaut wird, braucht Nextwind eine Lizenz zum Betrieb, die das Unternehmen bei der Bundesnetzagentur ersteigern muss. Liegt sie vor, gilt für 20 Jahre eine feste Einspeisevergütung. Schon das wäre für Investoren interessant, weil solide berechenbar, doch es gibt noch ein weiteres Argument: „Die Erträge lassen sich sehr gut vorhersagen, weil es Daten aus knapp 20 Jahren Betrieb gibt."

Rohstoff Kapital

Ohne Investoren mit Kapital geht wenig. „Das Geschäftsmodell ist vielleicht nicht besonders anspruchsvoll", sagt Meyer. „Der Rohstoff, auf dem das Geschäft läuft, ist Kapital, sehr viel Kapital. Darauf haben wir Zugriff. Und das ist auch die Einstiegsbarriere für andere, die uns nachahmen wollen." Gerade bei den Summen, um die es geht, ist Vertrauen wichtig. „Das wird über Jahrzehnte aufgebaut. Da haben wir mit unserer langen Erfahrung und unseren Kontakten einen großen Vorteil."

Meyer arbeitete als gelernter Ingenieur unter anderem bei Siemens, beriet dann Investmentbanken bei Unternehmensübernahmen und -fusionen, bevor er großen Investoren mit seinem Wissen bei Energieinvestitionen half. Nach zehn Jahren in London lebt er jetzt in Berlin. Mitgründer Werner Süss, Co-Chef bei Nextwind, arbeitete als Vertriebschef Europa des Energieversorgers Vattenfall. Mitgründer Ewald Woste leitete lange den Energieversorger Thüga und war Präsident des Energieverbands BDEW, heute ist er Aufsichtsratschef der Steag und sitzt im Aufsichtsrat von Eon.

Nextwind verfügt inzwischen über rund 750 Millionen Euro Eigenkapital, Anteilseigner sind neben den Gründern der US-Finanzinvestor Sandbrook Capital, spezialisiert auf erneuerbare Energien, und die beiden kanadischen Pensionsfonds PSP Investments sowie Imco. Das Geld mag reichen für Ankäufe, aber um neue Windräder aufzustellen, ist noch mehr nötig. „Wir schieben Investitionen von gut 2,5 Milliarden Euro vor uns her", sagt Meyer. „Wir planen derzeit einen Konsortialkredit mit mehreren großen Finanzinstituten im Milliardenbereich."

Dass sich Großbanken für deutsche Windanlagen interessieren könnten, ist neu. Bisher waren die Standorte zu klein, als dass sich das Engagement lohnte. Das Geschäft machten meist Sparkassen und Volksbanken vor Ort. „Dadurch, dass wir die Anlagen poolen, rechnet sich das auch für große Banken", sagt Meyer. „Wir haben das Problem der Kleinteiligkeit für die Banken gelöst." Das Unternehmen selbst arbeitet weiter kleinteilig, auch wenn die Anlagen alle auf einer zentralen Plattform gebündelt sind. „Die Business-Units sind sehr dezentral. Die technische Betriebsführung bleibt vor Ort", sagt der Nextwind-Co-Chef. „Wir arbeiten mit Partnern, die die Anlagen lange kennen und auch in den Gemeinden vernetzt sind, in denen sie stehen." Eine riesige zentrale Mannschaft, die alles von Berlin aus steuert, will das Unternehmen nicht aufbauen. „Man muss die Dezentralität umarmen und nutzen."

Bisher gehören Nextwind gut 40 Windkraftstandorte unterschiedlicher Größe vor allem in Norddeutschland, von der Eifel über Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern bis Brandenburg. Sie haben eine Kapazität von 450 Megawatt, erneuert kämen sie auf 1,4 Gigawatt Leistung, die Größe eines modernen Atomkraftwerks. Bis 2028 will Nextwind auf eine Leistung von drei Gigawatt kommen. Dafür müssen noch einige Standorte gekauft und dann vor allem umgebaut werden. Meyer und seine Mitgründer denken zudem schon weiter. Zusätzlich zum Ausbau und Betrieb der Windparks planen sie dezentral Batterien und Solarparks, um die bestehende Netzinfrastruktur besser zu nutzen und Phasen hohen und niedrigen Winds auszugleichen.

Die Idee zum Unternehmen stammt schon von 2016. Seit 2018 haben die Gründer sich intensiv damit beschäftigt, 2020 startete Nextwind. Richtig los ging es 2024, nachdem die Investoren eingestiegen waren. Binnen eines Jahres wuchs die Belegschaft von 20 auf 90 Mitarbeiter. Das Unternehmen zog in die 31. und 32. Etage des Berliner Hochhauses ein – früher Sitz des deutschen Teils der Signa Holding von René Benko, einem windigen Unternehmer, der Luftschlösser baute, hoch hinaus wollte, aber die Bodenhaftung verlor. Nextwind arbeitet deutlich anders: Die Windparks, die bereits gekauft sind, erzeugen Strom, das Unternehmen rechnet mit 50 Millionen Euro Umsatz in diesem Jahr. Und es ist selbst ohne rund­erneuerte Anlagen profitabel.

Die Nextwind Management GmbH| Zahlen & Daten

  • Sitz: Berlin und London 
  • Gründung 2020 
  • Mitarbeiter: rund 90 
  • Umsatz: 50 Millionen Euro (2025 geplant) 

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