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Technologie > Wiederverwertung von Nord Stream 2 Röhren

Renaissance von Nord Stream? Röhren könnten Teil eines neuen Flüssiggas-Projekts werden

Vor Rügen entsteht womöglich das größte Flüssiggas-Terminal Deutschlands. Um es mit dem Hafen Lubmin zu verbinden, könnten Röhren zum Einsatz kommen, die an sich für Nord Stream gedacht waren. Das ist politisch heikel.

Röhren, die eigentlich für Nord Stream 2 vorgesehen waren, sollen nun für den Transport von Flüssiggas von Rügen nach Lubmin verbaut werden. Derzeit lagern sie auf dem Hafengelände auf Rügen.
Diese Röhren, die eigentlich für Nord Stream 2 vorgesehen waren, sollen nun für den Transport von Flüssiggas von Rügen nach Lubmin verbaut werden. Derzeit lagern sie auf dem Hafengelände auf Rügen. Bildnachweis: picture alliance / Jens Koehler

Ein Teil der Nord Stream-Leitungen kommt möglicherweise wieder zum Einsatz. Die nach der Sabotage an den Pipelines zerstörte Gasinfrastruktur könnte jedenfalls eine Rolle spielen beim Bau der größten Flüssiggas-Terminals, die der Bund in Mecklenburg-Vorpommern errichten lassen will. 

Mitte Februar hatte der Schweriner SPD-Wirtschaftsminister Reinhard Meyer die Pläne vorgestellt: Danach sollen etwa 4,5 bis 6,5 Kilometer vor Sellin im Südosten Rügens zwei Plattformen gebaut werden, an denen schwimmende Flüssigerdgas-Terminals (FSRU) anlegen können. An diesen Terminals wiederum können LNG-Tanker aus aller Welt festmachen und ihre Ladung übergeben. Über eine etwa 38 Kilometer lange Anbindungsleitung soll das Gas dann nach Lubmin transportiert werden. Dafür sollen überschüssige Röhren der Nord-Stream-2-Leitung verbaut werden. 

Laut einem Bericht der „Welt am Sonntag“ verhandelt die Bundesregierung bereits mit dem Insolvenzverwalter der in der Schweiz ansässigen, pleite gegangenen Nord-Stream-2-Gesellschaft über die Nutzung von 3000 Röhren, die derzeit auf einem Hafengelände auf der Insel Rügen gelagert werden. Nord Stream 2 kommt, wie auch die ältere Leitung Nord Stream 1 in Lubmin an. Der Küstenort, für den es seit der Zerstörung der Nord Stream Pipelines ums wirtschaftliche Überleben geht, soll den Plänen der Bundesregierung zufolge auch in Zukunft ein wichtiges Importzentrum für Energie sein. Ein privat betriebenes schwimmendes Importterminal für LNG ist dort bereits in Betrieb, für ein weitere staatlich gechartertes Terminalschiff muss noch eine Zubringerpipeline verlegt werden.

Für diese Leitung – von vor der Küste Rügens bis nach Lubmin – sollen die gelagerte überschüssigen Nord-Stream-Röhren verwendet werden. Die neue Leitung soll parallel zu Nord Stream 2 verlaufen. Angeblich war sogar eine Nutzung der bereits verlegten Röhren in Betracht gezogen worden – was jedoch politisch heikel wäre, da auch Russland dazu gefragt werden müsste. 

Die Pläne für das LNG-Terminal auf See vor Rügen stellen alle bisherigen Anlandepunkte für LNG in Deutschland in den Schatten. Das Vorhaben, das der Energiekonzern RWE vorantreiben soll, sieht eine Einspeisekapazität von bis zu 38 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr vor. Zum Vergleich: Nord Stream 1 transportierte im Jahr 2021 knapp 60 Milliarden Kubikmeter. In einem ersten Schritt soll bereits Ende 2023 eine erste Terminalstation mit einer schwimmenden FSRU in Betrieb gehen. Im Jahr 2024 soll das Terminal auf insgesamt zwei Plattformen für bis zu vier FSRUs ausgebaut werden, wodurch sich die hohe Einspeisekapazität ergibt.

Der Energiekonzern RWE bestätigte auf Anfrage, beim Projekt Ostsee-LNG als Auftragnehmer der Bundesregierung tätig zu sein. Ein Sprecher schränkte aber ein: Wie und wo das Vorhaben weitergeführt werde, müsse die Bundesregierung entscheiden. RWE gehe im Übrigen davon aus, das Projekt im Laufe des Jahres an andere Unternehmen zu übergeben. Es gehöre nicht zum Kerngeschäft des Konzerns. Damit distanziert sich der Essener Energieversorger ein Stück weit von der Versorgung mit LNG, die er bisher vorangetrieben hatte. Die Betriebsverantwortung für die schon genutzten schwimmenden LNG-Anlagen liege bei ihnen, hatte der Konzern bislang betont. „RWE trifft zunächst alle kommerziellen Entscheidungen rund um den Einsatz der Schiffe und optimiert diesen im Interesse der Bundesregierung.“

Grund für die neue Vorsicht ist nicht nur die Verquickung mit der politisch höchst umstrittenen Nord Stream-Leitung. Auch die Proteste vor Ort machen es den Projektbetreibern schwer: Die Deutsche Umwelthilfe kündigte an „alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um diese gigantische Industrieanlage vor Rügen zu stoppen". Klimaschützer sehen in dem Vorhaben eine Festschreibung der Nutzung fossiler Brennstoffe. Neben negativen Auswirkungen auf die Natur werden von Anliegergemeinden und Politikern auch mögliche Nachteile für den Tourismus befürchtet.

Dazu kommt, dass es inzwischen umstritten ist, ob überhaupt noch weitere LNG-Terminals gebaut werden müssen. Schon jetzt können mit Hilfe der elf teilweise schon fertiggestellten oder im Bau befindlichen Terminals in Deutschland die Gasspeicher ausreichend gefüllt werden. Zudem soll Gas vor dem Hintergrund der angestrebten Klimaneutralität nur als „Brückentechnologie“ genutzt werden, bis erneuerbare Energien in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Zu den Planungen auf Rügen gibt es deswegen auch noch keine abschließende Entscheidung. „Gespräche zwischen den Beteiligten laufen noch. Daher kann über Einzelheiten des Projektes noch keine Auskunft gegeben werden“, heißt es vom Wirtschaftsministerium.
 

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