Gemeinsam für die Ostsee: Innovativer Schutz für unser jüngstes Meer
Zielvereinbarung soll Nährstoffeinträge in die Ostsee drastisch reduzieren. Wirtschaftliche Chancen und ökologische Herausforderungen im Fokus.
Inmitten des drängenden Rufes nach ökologischer Verantwortung und nachhaltigem Handeln haben die Landesregierung und die landwirtschaftlichen Verbände Schleswig-Holsteins einen wegweisenden Schritt unternommen, der das Potenzial hat, das Verhältnis zwischen Landwirtschaft und Umweltschutz neu zu definieren. Mit der Unterzeichnung einer ambitionierten Zielvereinbarung zum Schutz der Ostsee bekennen sie sich zu einer gemeinsamen Zukunft, in der wirtschaftliche Prosperität und ökologische Integrität Hand in Hand gehen.
Zielvereinbarung zum Schutz der Ostsee: Ein Bekenntnis zu gemeinsamer Verantwortung
Landwirtschaftsminister Werner Schwarz hob in seiner Ansprache die Bedeutung dieses Moments hervor: "Diese Zielvereinbarung ist ein eindrucksvoller Beleg dafür, dass wir gemeinsam Verantwortung für die Zukunft unserer Landwirtschaft und den Schutz unserer Ostsee übernehmen möchten. Wir haben einen Konsens erzielt, der auf einer breiten Basis fußt und alle relevanten Akteure mit ins Boot holt. In einem konstruktiven Dialog, zu dem die landwirtschaftlichen Verbände von Beginn an mit einer lösungsorientierten Haltung beigetragen haben, konnten wir uns auf freiwillige Maßnahmen zum Schutz der Ostsee einigen. Mein Dank gilt allen Beteiligten. Das Herzstück der Vereinbarung bildet die Etablierung von fünf Ostseebeiräten und Modellregionen entlang der Küste Schleswig-Holsteins. Dieser Ansatz ermöglicht es uns, regionale Besonderheiten und Handlungsbedarfe zu berücksichtigen und Maßnahmen in enger Zusammenarbeit mit den Akteuren vor Ort effizient und mit hoher Akzeptanz zu implementieren. Mit diesem innovativen Weg möchten wir ein Exempel statuieren, das regionale Fachkenntnisse integriert und hoffentlich viele Nachahmer entlang der Ostseeküste findet. Doch nun gilt es, die Ärmel hochzukrempeln – es liegt viel Arbeit vor uns, auf die ich mich sehr freue."
Umweltschutz als Gemeinschaftsaufgabe: Ein Paradigmenwechsel
Auch Umweltminister Tobias Goldschmidt betonte die Dringlichkeit gemeinschaftlichen Engagements: „Der Schutz der Ostsee erfordert den Einsatz aller Akteure. Die Zielvereinbarung mit der Landwirtschaft birgt die Chance, eines der drängendsten Probleme der Ostsee endlich verstärkt anzugehen: die Überdüngung, die zu Algenteppichen und in der Folge zu ausgedehnten, sauerstofffreien Todeszonen führt.“
Landwirtschaft im Wandel: Zwischen Tradition und Innovation
Bauernverbandspräsident Klaus-Peter Lucht hob den konstruktiven Charakter der Verhandlungen hervor: „Die Unterzeichnung der Zielvereinbarung zum besseren Schutz der Ostsee ist ein gutes Beispiel für konstruktive Verhandlungen zwischen Vertretern der einzelnen Branchenverbände sowie den beteiligten Ministerien. Die Bäuerinnen und Bauern in Schleswig-Holstein wissen um die Dringlichkeit, die Austräge von Stickstoff und Phosphor zu reduzieren. Mit freiwilligen Maßnahmen wird der Schutz der Ostsee nun vorangebracht werden. Wir als Landwirte erhoffen uns für die Zukunft mehr lösungsorientierte Verhandlungen unter Einbeziehung unserer Expertise statt Ordnungsrecht. Der Schutz des Klimas und damit auch unserer Ressource Boden ist uns sehr wichtig. Mit unserem Fachwissen können wir effektiv an Lösungen mitarbeiten.“
Ein Bekenntnis zu nachhaltiger Landwirtschaft: Die Perspektive der Familienbetriebe.
Christoph Freiherr von Fürstenberg-Plessen, Vorstandsvorsitzender der Familienbetriebe Land und Forst Schleswig-Holstein, ergänzte: „Mit dem Abschluss der Zielvereinbarung anerkennt die Landesregierung Schleswig-Holstein die Bemühungen der Schleswig-Holsteinischen Familienbetriebe Land und Forst, die Belastung der Ostsee immer weiter zu reduzieren. Wir stehen zu den vereinbarten Reduktionszielen und Zeiträumen, weil sich die moderne Landwirtschaft im östlichen Hügelland deren Erreichung zutraut. ... Wir wissen uns darüber hinaus in den Motiven mit der Europäischen Kommission und unserem Nachbarn Dänemark einig. Auch dort ist man bemüht, eine ‚Vereinbarung über ein Grünes Dänemark‘ umzusetzen. Mit der Zielvereinbarung bringen wir unseren Beitrag in die anlaufenden Gespräche gerne ein.“
Ökologischer Landbau als Vorreiter: Ein Plädoyer für geschlossene Nährstoffkreisläufe
Dr. Peter Boysen von der Landesvereinigung Ökologischer Landbau Schleswig-Holstein und Hamburg unterstrich die wissenschaftliche Bedeutung der Vereinbarung: „Wir freuen uns, dass wir als Verbände aus dem Bereich der Land- und Forstwirtschaft nach intensiver fachlicher Diskussion zu dieser gemeinsam getragenen Zielvereinbarung zum Schutz der Ostsee gekommen sind. Die Bereitschaft aller Beteiligten gemeinsam mit den beiden Ministerien Lösungen zu finden, ist ein hervorragendes Ergebnis, das zeigt, dass die Landwirtschaft bereit und in der Lage ist, sich den notwendigen Anforderungen einer zukunftsfähigen Produktion zu stellen. Im ökologischen Landbau arbeiten wir mit besonderem Augenmerk auf Nachhaltigkeitskriterien und geschlossene Nährstoffkreisläufe. ... Es gibt zwar bereits sehr viele wissenschaftliche Erkenntnisse über Entstehung und Vermeidung von Nährstoffausträgen. Aber die Vielfalt von Standorten, Bodenarten, Bewirtschaftungsformen und Witterungsverläufen machen eine verlässliche Prognose sehr schwierig. Mit den begleitenden Untersuchungen können wir den Erfolg messen und gegebenenfalls nachsteuern, um so die angestrebten Ziele sicher zu erreichen.“
Konkrete Maßnahmen für den Ostseeschutz: Ein umfassender Plan
Die Vereinbarung umfasst ein Bündel an konkreten Maßnahmen:
- Fortführung und Weiterentwicklung des Wirkungsmonitorings zur Düngeverordnung auf Bundesebene: Ziel ist es, die regionalen Nährstoffeinträge in die Ostsee differenziert darzustellen und die bisher ergriffenen Maßnahmen zu evaluieren. Es sollen Abschätzungen getroffen werden, ob die umgesetzten Maßnahmen langfristig wirksam sind, die Ostsee zu schützen.
- Einrichtung von Aktionsräumen und Ostseebeiräten: Es werden fünf Aktionsräume mit hohen Nährstoffeinträgen an der Ostseeküste identifiziert, in denen sogenannte Ostseebeiräte eingerichtet und Maßnahmen zur Minderung von Phosphor- und Stickstoffeinträgen durch freiwillige Maßnahmen umgesetzt werden. Die Ostseebeiräte werden hierfür in ihren Einzugsgebieten bis Herbst 2025 Umsetzungspläne aufstellen, mit denen die vereinbarten Minderungen erreicht werden sollen und deren Umsetzung dokumentieren.
- Etablierung von zusätzlichen Modellregionen: Innerhalb der Aktionsräume der Ostseebeiräte sollen zusätzlich Modellregionen etabliert werden, in denen Forschungs- und Entwicklungsprojekte mit spezifischen Fragestellungen initiiert werden. Ein Schwerpunkt sollen technische und natürliche Möglichkeiten des Phosphorrückhalts aus Drainage sein.
- Etablierung eines zusätzlichen Gewässermonitorings: Ergänzend zum bestehenden Messnetz wird in drei Modellregionen ein Gewässermonitoring etabliert, um die Wirkung von umgesetzten Maßnahmen zu evaluieren.
- Temporäre Maßnahmen bei der Einrichtung von Gewässerrandstreifen: Die Einrichtung breiter Gewässerrandstreifen von 10 Meter wird auf freiwilliger Basis fortgeführt und um neue temporäre Maßnahmen unter 10 Meter Breite ergänzt und förderrechtlich unterstützt.
- Bestehende und künftige Möglichkeiten des EU-Förderrechts nutzen: Zur Umsetzung der freiwilligen Maßnahmen sind die bereits bestehenden und zukünftigen Möglichkeiten des EU-Förderrechts von den Landbewirtschaftenden zu berücksichtigen und konsequent zu nutzen, um das Potenzial dieser Instrumente optimal auszunutzen (z.B. Ökoregelungen).
- Steigerung der Flächenanteile für naturnahe Feuchtgebiete, staunasse Ackersenken und Wald: Zur Verbesserung des Nährstoffrückhalts in der Fläche sollen die Flächenanteile für naturnahe Feuchtgebiete, staunasse Ackersenken und Wald durch bestehende Förderprogramme gesteigert werden.
- Fortführung der Gewässerschutzberatung für die Landwirtschaft.
- Entwicklung eines frei zugänglichen Online-Beratungstools für ein verbessertes Nährstoffmanagement in der Landwirtschaft sowie eines verbesserten-Messdiensts zur Ermittlung des pflanzenverfügbaren Stickstoffs im Frühjahr.
Hintergrund und Ausblick: Ein Teil des Aktionsplans Ostseeschutz 2030
Die Zielvereinbarung steht im Kontext des bereits im Frühjahr 2024 vorgestellten Aktionsplans Ostseeschutz 2030 und birgt nicht nur ökologische, sondern auch wirtschaftliche Chancen. Durch die Förderung innovativer Technologien und Praktiken in der Landwirtschaft können neue Geschäftsfelder erschlossen werden. Die Entwicklung von Online-Beratungstools und verbesserten Messdiensten zur Ermittlung des pflanzenverfügbaren Stickstoffs könnte zu Exportschlagern werden.
Zudem kann eine gesündere Ostsee den Tourismus ankurbeln und die Fischerei langfristig sichern. Die Investitionen in Umweltschutzmaßnahmen könnten somit zu einem Katalysator für wirtschaftliches Wachstum in der Region werden.
Allerdings weist Carsten Kock vom Verein "Land schafft Verbindung" (LSV) darauf hin, dass eine ausreichende Finanzierung für den Erfolg des Projekts unerlässlich ist. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, ökologische Ziele mit wirtschaftlicher Machbarkeit in Einklang zu bringen.