So steuern Mittelständler ihren Außendienst richtig
Ein schlecht koordinierter Außendienst kostet Unternehmen viel Geld und hinterlässt Frust bei den Kunden. Daher ist eine konsequente Steuerung entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg. Hier gibt es einige Kniffe zu beachten.
Arbeitnehmer im Außendienst haben große Freiheiten. Sie sind häufig den ganzen Tag über unterwegs, besuchen Kunden, pflegen die Beziehung zu ihnen und tätigen Abschlüsse. Den Arbeitgebern jedoch fehlt oft die Übersicht über die einzelnen Tätigkeiten ihrer Außendienstler. Das kann zu Unwirtschaftlichkeit und im Extremfall sogar zu Betrugsfällen durch die Außendienstmitarbeiter führen. „Natürlich muss ich wissen, wer wann wo ist und was er da macht“, sagt David Wahl, der als Vertriebsleiter bei Kiesel, einem Großhändler für Bau- und Umschlagmaschinen, für die Region Westdeutschland verantwortlich ist. „Dabei geht es nicht nur um die Kontrolle meiner Mitarbeiter, sondern hauptsächlich um eine effiziente Steuerung.“ Wie wichtig diese ist, weiß Andreas Preißner, Berater und Trainer mit dem Schwerpunkt Vertriebscontrolling. „Der Außendienst ist der größte Kostenfaktor des Vertriebs. Selbst ein einzelner falsch gesteuerter Verkäufer kostet extrem viel Geld.“
Möglichkeiten der Steuerung gibt es viele. Die wohl gängigste Methode sind Tätigkeitsberichte, wie sie auch die Verkäufer bei Kiesel ausfüllen. Der Mitarbeiter soll darin über seine Termine berichten. Er listet auf, welche Kunden er weshalb getroffen hat, wann er dort angekommen und wann er wieder weggefahren ist und welches Ergebnis das Gespräch gebracht hat. Mit Hilfe einer zentralen Software haben die Vertriebsleiter bei Kiesel einen Überblick über die Aktivitäten ihrer Außendienstmitarbeiter und über die Verkaufszahlen der einzelnen Mitarbeiter. Sind die Zahlen schlecht, kann sich Wahl mit seinem Verkäufer zusammensetzen und besprechen, was geändert werden muss.
Mit Zahlungen motivieren
Das Einkommen von Außendienstmitarbeitern besteht neben einem fixen Gehalt aus Boni. Auch diese können Unternehmen nutzen, um die Arbeit ihrer Mitarbeiter gezielt zu steuern. Gehört zur Unternehmensstrategie, möglichst viele neue Leute anzusprechen, sollte der Bonus von der Zahl der Kundenbesuche abhängen. Erhalten die Verkäufer eine zusätzliche Vergütung für jeden Abschluss, legen die Außendienstler ihren Fokus stärker auf die Umsatzzahlen. Insgesamt sollten Unternehmen ihren Außendienst ergebnis- und nicht methodenorientiert steuern.
Manche Unternehmen veröffentlichen intern die Verkaufserfolge jedes einzelnen Mitarbeiters, um eine Art Wettbewerb zu erzeugen und so die Umsätze zu steigern. Mitarbeiter mit wenigen Abschlüssen soll das öffentliche Zurschaustellen zu mehr Leistung motivieren. Kiesel-Mann Wahl hält von dieser Methode nichts. Im Gegenteil: Er glaubt, dass dies sogar kontraproduktiv sein könnte. „Ich würde niemals jemandem vor versammelter Belegschaft seine schlechten Verkaufszahlen vorhalten“, sagt Wahl. Stattdessen spricht er solche Themen lieber in Einzelgesprächen an.
Immer im Dialog bleiben
Der permanente Dialog zwischen der Vertriebsleitung eines Unternehmens und den Mitarbeitern ist wichtig, um besser zu planen und die Ziele im Auge zu behalten. „Sämtliche unserer nationalen und internationalen Vertriebsrepräsentanten, von Norwegen bis Österreich und von Frankreich bis Russland, kommen quartalsweise in der Firmenzentrale zusammen“, sagt Mark Bezner, geschäftsführender Gesellschafter des Bekleidungsherstellers Olymp Bezner. Bei diesen Terminen bespricht die Belegschaft neue Projekte und wertet die vergangenen aus.
Auch bei Kiesel ist der stetige Dialog wichtig. Jede Woche spricht Wahl persönlich oder am Telefon mit jedem Außendienstmitarbeiter. Je einen Tag in der Woche verbringt er in den Standorten Moers und Koblenz, um die dort ansässigen Außendienstler zu treffen, den Rest der Woche arbeitet er in der Zentrale von Kiesel West in Köln. Zusätzlich zu den wöchentlichen Gesprächen, in denen die kurzfristigen Projekte geplant werden, gibt es Quartalsgespräche sowie alle zwei Monate ein gemeinsames Treffen der Geschäftsführung mit allen Außendienstmitarbeitern, der Service- sowie der Innendienstleitung. Dort bespricht die Belegschaft die langfristigen Projekte und zieht ein Fazit über die Arbeit der vergangenen Monate.
Routen richtig einteilen
Ein wichtiges Element bei der effektiven Steuerung und Motivation der Vertriebsmitarbeiter ist die Verteilung der Verkaufsgebiete. Denn Unternehmen müssen darauf achten, dass die Gebiete alle etwa gleich lukrativ sind. Ist dem nicht so, kann es schnell zu einer schlechten Stimmung in der Belegschaft kommen. Schließlich hängt das Einkommen der Außendienstmitarbeiter meist direkt von ihren Erlösen ab.Steigt die Zahl der Stammkunden, müssen Mittelständler reagieren und auch entsprechend mehr Außendienstmitarbeiter beschäftigen. „Da vergehen oft Jahre, bis Unternehmen ihre Mitarbeiterzahl anpassen“, sagt Preißner. Darunter leidet dann die Beratungsqualität.
Wie in jedem anderen Beruf gibt es auch im Außendienst schwarze Schafe, die ihre Freiheiten ausnutzen und weniger arbeiten, als sie eigentlich sollten und dem Arbeitgeber melden. Anzeichen dafür sind beispielsweise schlecht umgesetzte Projekte, sinkende Umsätze bei Bestandskunden, eine steigende Kilometerzahl des Fahrzeugs, ohne dass Kunden besucht werden, oder steigende Spesenkosten ohne ersichtlichen Grund. Für jedes einzelne dieser Anzeichen kann es eine harmlose Erklärung geben: Die Kilometerzahl kann steigen, weil mehr Kunden am Stadtrand wohnen, oder die Umsatzzahlen sinken, weil die Kunden sich kurzfristig in einer schlechten wirtschaftlichen Lage befinden. Treten aber mehrere dieser Warnsignale gleichzeitig auf, sollten die Alarmglocken beim Arbeitgeber schrillen. Denn womöglich arbeitet der Verkäufer jeden Tag eine Stunde weniger, als er angibt, oder verbringt seine Arbeitszeit mit Freizeitaktivitäten wie einem Einkaufsbummel.
Sofort handeln
Hat ein Vertriebsleiter einen solchen Verdacht, sollte er schnell handeln. Zum einen geht den Unternehmen jeden Tag Geld verloren, wenn ein Vertriebler wirklich seine Arbeit schleifen lässt. Zum anderen kann ein falscher Verdacht das Betriebsklima vergiften. Deshalb ist es wichtig, Vermutungen auf Fehlverhalten so schnell wie möglich zu bestätigen oder zu entkräften. Ein direktes Gespräch zwischen Vorgesetztem und Außendienstmitarbeiter hilft hier wenig. Sollte ein Mitarbeiter tatsächlich betrügen, wird er dies wohl kaum offen zugeben, gibt Jochen Meismann zu bedenken, Geschäftsführer bei AB-Detective Condor, einer Detektei, die sich auf die Observierung von Außendienstmitarbeitern spezialisiert hat.
Eine Möglichkeit, Fehlverhalten aufzudecken, sind Kontrolltouren. Der Vorgesetzte fährt die von seinem Angestellten angegebene Route ab und spricht mit den angeblich besuchten Kunden. Dadurch lässt sich herausfinden, ob der Verkäufer tatsächlich beim Kunden war oder dies nur behauptet. Ein solches Vorgehen hat aber gleich zwei Nachteile: Zum einen ist es aufwendig, zum anderen besten Eindruck. Wer dennoch auf Kontrolltouren setzt, sollte dies offen kommunizieren und seinen Mitarbeitern nicht verheimlichen. Der Verkäufer könnte ansonsten vom Kunden von der Kontrolle erfahren, und das Arbeitsverhältnis würde so belastet. Außerdem empfiehlt es sich, den Kunden nicht direkt zu offenbaren, dass es sich um einen Kontrollbesuch handelt. Stattdessen kann der Vertriebsleiter das Gespräch als Serviceangebot tarnen, in dem er den Kunden fragt, wie die Geschäftsbeziehung läuft. Auch so erfährt er, ob es tatsächlich zu einem Besuch durch den Mitarbeiter kam.
Im Ernstfall: Detektiv anheuern
Wer nicht selbst seine Angestellten kontrollieren möchte, kann dafür einen Detektiv wie Jochen Meismann beauftragen. Arbeitsrechtlich ist dies allerdings nur erlaubt, wenn ein konkreter Verdacht gegen einen Mitarbeiter besteht. Ansonsten überwiegen Datenschutz und Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers die Interessen des Arbeitgebers. Sinkende Verkaufszahlen allein reichen nicht aus. Häufen sich aber beispielsweise Kundenbeschwerden wegen ausbleibender Besuche, kann ein Detektiv der Sache nachgehen. „In keinem anderen Job ist es leichter, Schindluder zu treiben als im Außendienst“, sagt Meismann. Seine Detektei erhält derart viele Aufträge zur Observierung von Außendienstmitarbeitern, dass sich dies zu einem wichtigen Geschäftszweig entwickelt hat.
Besteht der Verdacht, dass ein Verkäufer, statt Kunden zu besuchen, zu Hause bleibt, beobachten die Detektive das Haus des Verdächtigen und protokollieren, wann er das Haus verlässt und wann er es wieder betritt. Steht der Vorwurf im Raum, dass der Mitarbeiter während der Arbeitszeit andere Besorgungen erledigt, wird die Zielperson während des ganzen Arbeitstages observiert. Bei solchen Ermittlungen machen Detektive manchmal interessante Beobachtungen. Golfplatz, Kinobesuche oder eine Affäre – all dies kommt immer wieder mal vor. Die Detektive observieren die Zielperson meist eine Woche lang und sind bei ihrer Arbeit zu zweit unterwegs. So gibt es bei einem möglichen Gerichtsprozess mehrere Zeugen.
Einigung statt Prozess
So weit kommt es aber im Idealfall nicht. Konfrontiert der Arbeitgeber seinen Angestellten mit den gesammelten Beweisen, einigt man sich meist erfolgreich, beispielsweise indem der Außendienstmitarbeiter seine fristlose Kündigung akzeptiert und damit einem Strafverfahren wegen Betruges entgeht. „Durch unsere Ermittlungen vermeiden Unternehmen die leidigen und langwierigen Arbeitsgerichtsprozesse“, sagt Meismann. Ein einzelnes dokumentiertes Fehlverhalten reicht vor Gericht jedoch nicht aus. Um die Anschuldigung gerichtsfest zu belegen, sollten Unternehmen ihrem Außendienstmitarbeiter zwischen drei und fünf Fehlverhalten nachweisen können.
David Wahl setzt ohnehin lieber auf Vertrauen als Kontrolle. „Außendienstmitarbeiter brauchen viel Selbstverantwortung und Eigendisziplin, um ihre Arbeit gut zu erledigen. Das bringen unsere Angestellten auch mit.“ Er hat daher noch nie einen Detektiv beauftragt. Und diese Entscheidung auch nicht bereut.
Dieser Text gehört zu einem Thema aus der Markt-und-Mittelstand-Ausgabe 06/2018. Hier können Sie das Heft bestellen und „Markt und Mittelstand“ abonnieren.