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IW-Studie: Solarstrom fürs Volk - warum das Mieterstrom-Modell noch immer klemmt

| Markt und Mittelstand Redaktion

20 Millionen Wohnungen könnten von günstigerem Solarstrom profitieren – doch Bürokratie und fehlende Anreize bremsen das Modell aus.

Weltkugen mit Schachfiguren
(Foto: shutterstock)

Eine neue Studie des Kopernikus-Projekts Ariadne in Zusammenarbeit mit dem Institut der deutschen Wirtschaft untersucht umfassend, wie PV-Strom direkt vor Ort in Mehrfamilienhäusern genutzt und vermarktet werden kann.

08.10.2025 Markt und Mittelstand

 

Millionen Mieter in Deutschland könnten längst vom eigenen Solarstrom profitieren – direkt vom Dach, ohne Netzumwege. Doch laut einer neuen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) bleibt dieses Potenzial bislang weitgehend ungenutzt. Dabei zeigt die Analyse im Rahmen des Ariadne-Projekts, dass bis zu 20,4 Millionen Wohnungen in drei Millionen Mehrfamilienhäusern technisch versorgt werden könnten. Das entspricht einem Potenzial von 60 Gigawatt Photovoltaik, fast ein Drittel des Ausbauziels bis 2030.

Beim Mieterstrommodell installieren Eigentümer Solaranlagen und verkaufen den erzeugten Strom direkt an die Bewohner. Das spart Netzentgelte und Umlagen – und damit bares Geld für Mieter. Nur der Restbedarf wird aus dem öffentlichen Netz gedeckt. Besonders attraktiv wird das Modell, wenn Wärmepumpen oder E-Autos eingebunden sind.

Rendite mit Sonne – doch die Hürden bleiben

Laut IW-Berechnungen rechnet sich das Modell auch für Vermieter: Im Basisszenario bringt die Investition 3,6 Prozent Rendite, unter Idealbedingungen sogar bis zu 18,5 Prozent. Entscheidend sind Beteiligungsquote, Speichergröße und Anlagendimensionierung. Trotzdem ist die Zahl der realisierten Projekte winzig: Nur rund 5.400 Mieterstromanlagen sind bei der Bundesnetzagentur registriert – gegenüber vier Millionen PV-Anlagen insgesamt.

Warum also der Stillstand? Bürokratie. „Vor allem komplizierte Mess- und Abrechnungsregeln bremsen den Ausbau“, sagt IW-Ökonom Ralph Henger. Netzbetreiberprozesse seien zäh, Genehmigungen dauern. Die Forderung: digitale Standardprozesse für Zählerwechsel und Anlagenanmeldung – und klare politische Anreize, damit Solarstrom günstiger und bürokratisch leichter wird.

Fazit

Das Mieterstrommodell ist mehr als Klimapolitik – es ist eine Wirtschaftschance. Mit gezielten Vereinfachungen könnten Stadtwerke, Immobilienunternehmen und Energiegenossenschaften neue Geschäftsmodelle entwickeln. Für den Mittelstand bietet sich die Chance, in die dezentrale Energieversorgung einzusteigen – mit stabilen Erträgen und Imagegewinn.

Zum Institut der deutschen Wirtschaft

Zur Studie

So funktioniert Mieterstrom in der Praxis

  • Photovoltaikanlage (PV) wird auf dem Dach installiert.
  • Der Gebäudeeigentümer oder ein externer Betreiber verkauft den erzeugten Strom an die Mieter im Haus.

  • Wenn die Sonne nicht scheint, wird Reststrom aus dem Netz bezogen.

  • Die Mieter zahlen dafür einen vergünstigten Strompreis – meist 10–15 % unter dem regulären Tarif.

Vor allem bürokratische Hürden bremsen den Ausbau.

Dr. Ralph Henger, Studienautor, Senior Economist für Wohnungspolitik und Immobilienökonomik und Leiter Fin.Connect.NRW

FAQ: Mieterstrom und Gebäudestrom – Was Mittelständler jetzt wissen müssen

1. Was genau ist der Unterschied zwischen Mieterstrom und Gebäudestrom?

  • Mieterstrom bedeutet, dass ein Gebäudeeigentümer Solarstrom vom eigenen Dach direkt an die Mieter verkauft – inklusive Reststromlieferung aus dem Netz. Beim Gebäudestrom (§ 42b EnWG) hingegen wird nur der lokal erzeugte PV-Strom innerhalb des Hauses verteilt, ohne dass der Eigentümer als Energieversorger auftritt. Gebäudestrom gilt als einfacher, aber weniger lukrativ, Mieterstrom als komplexer, aber förderfähig.

2. Welche wirtschaftlichen Chancen bietet Mieterstrom für KMU und Immobilienbesitzer?

  • Die Ariadne-Studie zeigt: Im Basisszenario liegt die Rendite bei etwa 3,6 %, unter optimalen Bedingungen sogar bei bis zu 18,5 %. Damit wird Mieterstrom für Wohnungsunternehmen, Stadtwerke und Investoren zunehmend attraktiv – insbesondere, wenn Dachflächen ohnehin saniert oder neu bebaut werden. Der Vorteil liegt im Eigenverbrauch und in der lokalen Wertschöpfung: Strom bleibt im Haus, Gewinne bleiben in der Region.

3. Welche regulatorischen Hürden müssen Mittelständler beachten?

  • Die größten Bremsen sind Bürokratie, Messtechnik, Steuerrecht und Vertragslaufzeiten.
    • Zwei-Jahres-Verträge (§ 42a EnWG) machen langfristige Kalkulationen schwierig.

    • Gewerbesteuerfallen drohen, wenn Einnahmen aus Stromverkauf überwiegen.

    • Smart-Meter-Pflicht erhöht Investitionskosten, bringt aber Vorteile bei Abrechnung und Flexibilität.
      Kurz: Rechtlich sauber aufsetzen, sonst wird das Modell schnell unrentabel.

4. Wie groß ist das technische Potenzial für Mieterstrom in Deutschland?

  • Laut IW Köln liegt das theoretische Potenzial auf Mehrfamilienhäusern bei rund 60 GW installierbarer PV-Leistung – fast ein Drittel des gesamten Photovoltaik-Ziels 2030. Derzeit sind aber nur 5.400 Anlagen aktiv. Das zeigt: Der Markt ist jung, aber riesig. Wer früh einsteigt, kann sich Wettbewerbsvorteile sichern, vor allem in städtischen Regionen mit vielen Dachflächen.

5. Welche technischen Konzepte eignen sich für den Mittelstand?

  • Empfohlen werden zwei Hauptmodelle:
    • Das physische Summenzählermodell (ein zentraler Zähler, einfache Abrechnung).

    • Das virtuelle Summenzählermodell mit Smart Meter Gateways, das mehrere Einheiten digital zusammenführt.

    • Letzteres gilt als Zukunftsmodell, weil es dynamische Laststeuerung, Batteriespeicher und flexible Stromtarife ermöglicht – entscheidend für Energieeffizienz und Netzstabilität.

6. Wie lässt sich der Verwaltungsaufwand reduzieren?

  • Durch Standardisierung und Digitalisierung:
    • Softwarelösungen übernehmen Abrechnung, Messdatenverwaltung und Verbrauchsanalyse.

    • Contracting-Partner können Betrieb und Abwicklung übernehmen.

    • Politisch gefordert wird eine Vereinfachung der Wechselprozesse und vereinheitlichte Abrechnungslogik, um kleinen Akteuren den Einstieg zu erleichtern.
      Tipp: Kooperation mit Energie-Start-ups oder regionalen Stadtwerken senkt Risiko und Einstiegshürde.

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