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Technologie > Vertragsverhandlungen

Tipps für Automobilzulieferer: Worauf es bei Verhandlungen mit OEMs ankommt

Wie Automobilzulieferer ihre Marktposition gegenüber OEMs verbessern können und was alles vertraglich vereinbart werden sollte, erklärt Rechtsanwalt Daniel Wuhrmann im Interview.

Die Auseinandersetzung zwischen Volkswagen und seinem ehemaligen Zulieferer Prevent gewinnt an Schärfe, seitdem interne Besprechungsprotokolle von VW öffentlich gemacht wurden. Wie angespannt ist aus Ihrer Sicht im Allgemeinen das Verhältnis zwischen Automobilkonzernen und ihren Zulieferern?

Grundsätzlich sitzen beide Seiten in einem Boot und sind aufeinander angewiesen. Es sind aber auch Geschäftspartner mit jeweils eigenen Interessen. Das kann im Ernstfall zu Spannungen führen – und der Fahrzeughersteller (OEM) sitzt dann häufig am längeren Hebel. Ich würde das Verhältnis nicht als per se angespannt bezeichnen, aber die Automobilindustrie ist kein Streichelzoo – da geht es schon mal etwas ruppiger zu.

Ein Streitpunkt sind oft die Preisverhandlungen. Mittelständische Zulieferer beklagen immer wieder hinter hervorgehaltener Hand, dass der Gewinn bei den OEM hängen bleibe und die Zulieferer vom Geschäft kaum leben könnten.

Es stimmt, dass die Margen bei den Zulieferern klein sind. Da die Hersteller jedoch häufig sehr große Stückzahlen ordern, können die Lieferanten dennoch profitabel agieren – wenn sie ihre Produktion im Griff haben. Problematisch kann es werden, wenn die Nachfrage – wie jetzt wegen Corona – deutlich sinkt. Dann kann ein eigentlich gutes Geschäft für den Zulieferer schnell zu einem schlechten werden. Hier sollten die Unternehmen Vorkehrungen treffen.

Nämlich welche?

Zunächst sollten die Zulieferer in einer solchen Situation das Gespräch mit dem OEM suchen und Nachverhandlungen bei den Preisen oder alternative Lösungen fordern, zum Beispiel im Hinblick auf bereits getätigte Investitionen. Es ist ja auch im Interesse der Hersteller, dass ihre Zulieferer nicht in eine finanzielle Schieflage geraten und deswegen vielleicht irgendwann nicht mehr liefern können. Noch besser ist es aber, wenn bereits zuvor vertraglich vereinbart wurde, in welchen Situationen der Zulieferer eine Preiserhöhung oder andere Hebel ansetzen kann. Das ist aus meiner Sicht eine notwendige Form der Krisenprävention.

 

Wie lassen sich die Lieferverträge so gestalten, dass es automatisch zu Preisanpassungen kommt?

Bei Krisen muss es sich nicht zwingend um globale Wirtschaftskrisen handeln, wie es derzeit der Fall ist. Für die Zulieferer kann es etwa auch schon ein Problem sein, wenn die Preise für bestimmte Rohstoffe ungewöhnlich stark ansteigen oder Zukaufteile vom Markt verschwinden und Alternativen zum Einsatz kommen. Dies kann unter Umständen die gesamte Marge auffressen. Daher sollten die Zulieferer nach Möglichkeit flexible Systematiken vereinbaren, die diese typischen Risiken abfedern. Es kann aber auch sinnvoll sein, über Mindestabnahmemengen durch den OEM zu verhandeln und/oder über Konsequenzen, wenn bestimmte Mengen nicht abgenommen werden – was insbesondere bei investitionsintensiven Projekten schnell zu erheblichen Problemen führen kann.

Lassen sich die Automobilkonzerne auf solche Klauseln ein?

Das kommt ganz darauf an, um welche Komponenten es geht. Viele mittelständische Zulieferer sind sehr spezialisiert, so dass der Konzern gar nicht so viele Lieferanten zur Auswahl hat. Bei Standardbauteilen, die unzählige Firmen fertigen können, wird es hingegen schwer, solche Klauseln auszuhandeln. In jedem Fall ist es erfolgversprechender, Absprachen vor einer Krise zu treffen, als während einer Notsituation auf das freiwillige Entgegenkommen des Kunden zu hoffen. Ich denke auch, dass es im Sinne einer kooperativen Partnerschaft angebracht ist, kritische Punkte zu Beginn offen anzusprechen.

Welche Möglichkeiten haben Zulieferer ohne entsprechende Klauseln in der Corona-Krise? Bleibt nur das Prinzip Hoffnung?

Nein. Ich empfehle jedem Unternehmen, als ersten Schritt die bestehenden Verträge genau zu analysieren. Welche Rechte und Pflichten habe ich als Zulieferer überhaupt? Einige Unternehmen kennen gar nicht alle relevanten Details ihrer Vereinbarungen und der zugrundeliegenden Rechtsordnungen. Das ist dann ähnlich wie Kochen nach Rezept, ohne das Rezept im Detail gelesen zu haben: kann gut gehen, wird es aber wahrscheinlich nicht. Die aktuelle Krise hat vielen Unternehmen zum ersten Mal gezeigt, was denn „höhere Gewalt“, „Fixgeschäft“ oder auch der Paragraf 313 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) eigentlich bedeuten.

Was sagt diese Norm?

Paragraf 313 BGB besagt: Wenn schwerwiegende, bei Vertragsschluss unvorhergesehene Ereignisse dazu führen, dass die Grundlage für einen Vertrag nicht mehr gegeben ist, kann die Partei – wenn ihr ein Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann – eine Anpassung des Vertrags fordern oder gar den Rücktritt hiervon. Die Hürden von Paragraf 313 BGB sind hoch; übliche Konjunkturschwankungen allein reichen hierfür nicht aus, da sie typisches Risiko der Teilnahme am Wirtschaftsmarkt sind. Eine weltweite Pandemie mit massiven, teils katastrophalen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und damit auch auf die Lieferketten könnte aber durchaus darunterfallen. Letztlich müssten dies im Streitfall Gerichte klären. Ich halte es aber auf jeden Fall für sinnvoll, wenn sich Unternehmen mit diesem Paragrafen genauer auseinandersetzen – zumal, wenn sich ihre Geschäftsgrundlage durch die Corona-Pandemie grundlegend geändert hat.

Ein anderer Streitpunkt zwischen Zulieferer und OEM ist das Thema Forschung und Entwicklung. Einige Mittelständler haben das Gefühl, dass sie auf den Kosten für Innovationen sitzen bleiben, während der Fahrzeughersteller einen Großteil des Profits und des Renommees für das Produkt einstreicht. Wie können Zulieferer an dieser Stelle ihre Position verbessern?

Ich teile dieses Gefühl nur bedingt, schließlich leben die Zulieferer auch von der Möglichkeit zur Entwicklung ihrer Produkte und Lösungen für die OEM. Wenn es darum geht, eigene Chancen und Möglichkeiten über das Projekt hinaus zu sichern, bieten sich entsprechende vertragliche Gestaltungen an. Das kann – aus rechtlicher wie wirtschaftlicher Sicht – sehr komplex werden, zumal oft internationale rechtliche Vorgaben zu beachten sind, während die Interessen der Beteiligten selten deckungsgleich sind. Zu klären sind dabei insbesondere die zu übernehmenden Kostenanteile, die Nutzungsmöglichkeiten der Entwicklungen und des damit entstehenden Know-hows sowie andere schutzfähige Rechtspositionen und etwaige Exklusivitäten.

Letzte Frage: Was gilt, wenn nichts explizit vorab vereinbart wurde?

Das lässt sich so pauschal nicht beantworten, sondern hängt vom jeweiligen Einzelfall ab – im Zweifel sind bei Regelungslücken die maßgebenden Rechtsordnungen entscheidend. Es kann dann schnell zu Streit führen, wenn die Parteien bei der Auslegung der Verträge oder der Gesetze zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Daher ist es ja auch so wichtig, alle relevanten und wesentlichen Punkte einer Geschäftsbeziehung im Vorhinein vertraglich genau zu vereinbaren und etwaige Ungenauigkeiten zu klären.

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