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Energie & Rohstoffe > Wärmepumpen-Geschäft

Viessmann verkauft sich in die USA

Als potenzielles Wirtschaftswunder wurde die Energiewende von der Regierung verklärt. Nun verkauft Viessmann, einer der größten Heizungshersteller, ausgerechnet das Wärmepumpengeschäft in die USA. Ein Schlag – auch für den deutschen Mittelstand.

Die Installation von Wärmepumpen ist komplex und geht nicht ohne gute Handwerker. Auch ein Grund für die Übernahme der Viessmann-Sparte.

Eine der größten Ikonen unter den deutschen Familienunternehmen blickt auf ein Rekordjahr beim Umsatz zurück und hat einen boomenden Markt vor sich – und verkauft dennoch seine wichtigste Sparte an ein US-Unternehmen. Die Rede ist von Viessmann. Der Mittelständler bestätigte am späten Dienstagabend, dass er sein Hauptgeschäft "Klimalösungen" an den Klimaanlagenhersteller Carrier Global aus Florida verkauft. Zu der Sparte, die 85 Prozent des Umsatzes imd 11.000 der 14.500 Mitarbeiter von Viessmann ausmacht, gehört vor allem das wachsende Geschäft mit Wärmepumpen. Viessmann selbst stellt sie auf der Firmenwebsite als sein „wirtschaftliches Herz“ da. Das Unternehmen gehört seit 1917 der Familie. Und deren Mitglieder sind mittendrin: in der Geschäftsführung und im Aufsichtsrat. CEO Max Viessmann wird in den Aufsichtsrat von Carrier Global einziehen. Die Familie erhält 80 Prozent des Kaufpreises von 12 Milliarden Euro in bar, den Rest in Aktien. Die Viessmann-Familie ist somit der größte Anteilseigner des US-Unternehmens.

Diese faustdicke Überraschung schreit nach einer Begründung: Geld genug hat das hessische Unternehmen – aus finanziellen Gründen wäre der Verkauf nicht notwendig. Aber der gerade in Deutschland stark wachsende Markt für Wärmepumpen hat eine Besonderheit: Die ausländische Konkurrenz ist deutlich weiter als die deutschen Hersteller, die es sich mit Gasheizungen lange gemütlich gemacht haben. Und bei den Wärmepumpen ist eine Konsolidierung absehbar. Soll heißen: Es kommt auf die Größe an, um die Geräte hinreichend günstig produzieren zu können. Viessmann ist zwar ein Riese, sucht aber dennoch einen starken Partner, um beim Ausbau der Wärmepumpen – bis 2030 sollen sechs Millionen Geräte hierzulande verbaut sein – nicht den Anschluss zu verlieren.

Warum die deutschen Hersteller Probleme haben

Dass diese Nachricht nur wenige Tage nach der Entscheidung der Bundesregierung kommt, den Heizungsmarkt neu zu ordnen, ist kein Zufall. Hersteller, so meinte jüngst Maschinenbau-Verbandschef Karl Haeusgen, „tanzen Samba“. Vaillant, Viessmann, Stiebel Eltron waren in erster Linie gemeint – große Namen des deutschen Mittelstandes. Aber eben auch die ausländische Konkurrenz. Da winkt viel Geschäft angesichts der Planungen der Bundesregierung, ab 2024 in Deutschland jährlich 500.000 Anlagen neu zu montieren. Massiv gefördert durch Förderung und Verbot vom Einbau alter Heizsysteme, die vor allem mit Öl und Gas funktionieren.

In vielen Ländern ist die Wärmepumpe deutlich beliebter als in Deutschland, zum Teil ist ihr Gebrauch durch externe Umstände dort auch sinnvoller. In Schweden werden sie seit den 1980er-Jahren in Serie gefertigt. Der dort ansässige Konzern Nibe ist längst auf dem deutschen Markt präsent. Der japanische Konzern Daikin schafft es auch dank der Produktion in Deutschland und Tschechien, Wärmepumpen in drei bis vier Monaten zu liefern. Gerade bei der Lieferzeit hatten und haben deutsche Hersteller viele Probleme. Weitere Wettbewerber sind Mitsubishi, Samsung oder Panasonic. Der bayerische Anbieter Wolf wurde bereits für eine Milliarde Euro vom italienischen Gasthermen-Riesen Ariston geschluckt.

Hohe Investitionen, kaum Planbarkeit

Die deutschen Hersteller fahren ihre Produktionskapazitäten gefühlt schneller hoch als im Winter der Schnee taut. Für die großen Hersteller heißt es zunächst einmal investieren, bevor der Reibach richtig los geht: Allein Viessmann, Vaillant und Bosch mit der Marke Buderus geben bis 2025 addiert 2,7 Milliarden Euro in Europa aus. Dabei bricht ihr Geschäft mit Gasthermen gerade ein gutes Stückweit ein. Vaillant geht davon aus, dass das Geschäft mit Wärmepumpen 2024 so viel Umsatz machen wird wie das mit Gasthermen. Doch Umsatz heißt noch lange nicht, Gewinn zu machen.
Zudem spielen die Verbraucher ja auch noch eine Rolle. Planbarkeit haben die Unternehmen freilich nur bedingt. Viele Fragen sind noch offen rund um die neuen Gesetze. Wie entwickelt sich das Geschäft mit Gasheizungen, die irgendwann mit Wasserstoff oder anderen klimaneutralen Gasen betrieben werden können? Und vor allem: Glauben die Hausbesitzer daran oder an die Wärmepumpe oder bleiben sie stur bei ihrer alten Technologie? Kaum jemand wagt eine Prognose, wie sich die Nachfrage genau entwickeln wird. Alle warten ab, wie das Gebäudeenergiegesetzes aussehen wird.

Wofür der US-Riese Viessmann braucht

Doch ein Problem haben auch die ausländischen Hersteller, um auf dem deutschen Markt erfolgreich zu sein: Der Vertrieb und die Installation von Wärmepumpen laufen in der Regel über Handwerker. Und die sind zumeist eine Hersteller-Marke gewöhnt, auch weil sie von Viessmann, Vaillant und Co ausgebildet wurden. Kein Wunder, dass asiatischen oder US-Hersteller deutlich seltener empfohlen wurden. Bis vor wenigen Monaten zumindest: Immer mehr Handwerker nahmen ausländische Produkte auf, weil die deutschen schlichtweg ihre Geräte nicht fix genug liefern konnten. Nun erkauft sich mit Carrier Global ein großes US-Unternehmen mir über 20 Milliarden Dollar Umsatz Zugang zum deutschen Markt und den deutschen Handwerkern.

Was von Viessmann bliebe, wären die Bereiche Kältelösungen, Investmentbeteiligungen, Immobilien, die Digitalsparte sowie Stiftungen. Wie es heißt, soll der Deal diese Woche offiziell werden und die Viessmann-Familie den Kaufpreis zum Teil in Aktien, zum Teil in bar erhalten. Eine Bestätigung des Unternehmens gab es bisher nicht, das ist aber auch nicht üblich. Standort soll das hessische Allendorf bleiben. Viessmann beschäftigt derzeit rund 14.500 Mitarbeiter und hatte 2022 den Umsatz um knapp 20 Prozent auf vier Milliarden Euro gesteigert.

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