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Technologie > Biontech

Vom Mini-Mittelständler zum Pharmariesen – in 24 Monaten

An der Börse ist die Konkurrenz schon abgehängt, beim Umsatz könnte es Ende des Jahres so weit sein. Im zweiten Quartal hat Biontech die Einnahmen verhundertfacht.

Es ist eine der bedeutendsten Innovationen in der Geschichte der Pharmaindustrie: Der Covid-Impfstoff des Mainzer Biotechnologieunternehmens Biontech. Bald schon dürfte es auch in wirtschaftlicher Hinsicht eine der erfolgreichsten Produkteinführungen des Landes werden. Biontech dominiert gemeinsam mit US-Konkurrent Moderna die globale Impfkampagne gegen das Coronavirus. Das Mainzer Unternehmen um Gründer und CEO Ugur Sahin, der dank des Impfstoff-Erfolgs nun zu den zehn reichsten Deutschen zählt, hat 2021 fest vereinbarte Lieferverträge in Höhe von 2,2 Milliarden Impf-Dosen. Insgesamt will man gemeinsam mit Partner Pfizer rund drei Milliarden Dosen produzieren. Gut möglich, dass der dann entstehende Überschuss von 800 Millionen Dosen noch Abnehmer findet. Schließlich sind bereits Auffrischimpfungen im Gespräch, in Israel werden sie bereits durchgeführt. Und auch die Impfung von Kindern und Jugendlichen gewinnt an Fahrt. 2022 dann wollen Biontech und Pfizer vier Milliarden Dosen produzieren. Spätestens dann könnte die Auffrischimpfung für weite Teile der Weltbevölkerung ein Thema werden.

Märchenhafte Halbjahreszahlen

Das sind glänzende Aussichten, bedenkt man, wie viel Biontech bereits jetzt mit seinem Impfstoff verdient. Im ersten Halbjahr 2021 verhundertfachte das Unternehmen den Umsatz von 69 Millionen Euro auf 7,36 Milliarden Euro. Der Gewinn stieg nach 142 Millionen Euro Verlust im Vergleichszeitraum des Vorjahres auf 3,9 Milliarden Euro. In Verbindung mit der erneut angehobenen Prognose für das Gesamtjahr, sind das märchenhafte Zahlen. 15,9 Milliarden Euro soll der Umsatz 2021 am Ende insgesamt betragen. Vor Veröffentlichung der Quartalszahlen war Biontech noch von 12,8 Milliarden Euro ausgegangen. Das ist ein gewaltiger Sprung und zeigt, wie unsicher die Prognosen in dem aktuell noch so dynamischen Geschäft sind. Gut möglich, dass eine weitere positive Überraschung folgt. Für den Bund hat sich die Anschubfinanzierung zur Impfstoffentwicklung damit übrigens bereits ausgezahlt. Biontech zahlt schon jetzt mehr Steuern auf seinen Gewinn, als es ursprünglich an Förderung bekam.

Kursplus von 2.500 Prozent seit dem Börsengang

An der Börse sorgt die hessische Erfolgsgeschichte für Furore. Die Marktkapitalisierung von Biontech beträgt inzwischen 108 Milliarden US-Dollar oder 92 Milliarden Euro. Damit haben es die Mainzer innerhalb eines Jahres in die Top 5 der wertvollsten deutschen Unternehmen geschafft. Nur noch SAP, Volkswagen, Linde und Siemens liegen nach Börsenwert vor Biontech. Seit dem Börsengang 2019 hat sich der Aktienkurs auf 388 Euro verfünfundzwanzigfacht.

In dieser atemberaubende Rally steckt freilich viel Kursphantasie. Enttäuschungen dürfte sie nicht standhalten. Die bahnen sich allerdings auch nicht an. Gut möglich, dass Impfungen gegen das Coronavirus auf Jahrzehnte hinaus zum Alltag gehören. Ähnlich einer Grippeimpfung könnte jährlich eine Auffrischimpfung nötig sein. Immer wieder neue Mutationen könnten zudem ständige Anpassungen des Impfstoffs nach sich ziehen. Hier sind die mRNA Impfstoffe klassischen Vektor-Vakzinen in Schnelligkeit und Einfachheit weit überlegen.

Malaria-Impfstoff nur eine Frage der Zeit?

Überdies hat Biontech längst noch Größeres im Sinn. Klinische Studien mit einem mRNA-Impfstoff gegen Malaria sollen bereits 2022 starten. Ebenso scheint ein Vakzin gegen Tuberkulose mit der neuen Methode möglich. Auch an Therapien gegen Krebs forscht Biontech weiter. Aktuell laufen im Onkologie-Bereich 15 klinische Programme und 18 klinische Studien. In einem Analysten-Gespräch im Zuge der Veröffentlichung der Quartalszahlen sagte Unternehmenslenker Ugur Sahin: "Unsere Strategie ist weiter fokussiert darauf, eine breite Pipeline an Impfstoffen und Immuntherapien der nächsten Generation aufzubauen."

Die hohen Umsätze und Gewinne und nicht zuletzt die große internationale Aufmerksamkeit, die mit dem Corona-Impfstoff einhergeht, machen für Biontech die Türen zu neuen bahnbrechenden Innovationen weit auf. In Rekordzeit ist aus einem kleinen Mainzer Start-Up ein Weltkonzern geworden, der Top-Wissenschaftler genauso anzieht, wie das Geld großer Investoren. Biontech hat jetzt die Chance über Jahre hinaus zu einem der größten Pharmaunternehmen der Welt zu werden.

Biontech wohl bald mit mehr Umsatz als Bayer

In Deutschland dürfte die Konkurrenz schon bald abgehängt sein. In puncto Börsenwert kann der bisherige Pharma-Krösus Bayer längst nicht mehr mithalten. Biontech ist fast doppelt so viel wert, wie die Leverkusener. Und auch Merck kommt mit knapp 80 Milliarden nicht an Biontech heran. In Sachen Umsatz hat Bayer noch die Nase vor, aber auch das dürfte nur eine Momentaufnahmen sein. Im ersten Halbjahr erzielte Bayer Einnahmen in Höhe von 8,9 Milliarden Euro, bei Biontech waren es 7,4 Milliarden Euro. Auf Jahressicht erwartet Bayer 18 Milliarden Euro Umsatz, Biontech 15,9 Milliarden. Sollten die Geschäfte bei den Mainzern aber weiter so prächtig laufen und eine weitere Prognoseanhebung folgen, könnte Bayer schon dieses Jahr den Kürzeren ziehen.

Dax verpasst Erfolgsgeschichte

Der Wermutstropfen aus deutscher Sicht: Im Dax sucht man diese Erfolgsgeschichte vergebens. Biontech ist in den USA börsennotiert, über ein Zweit-Listing sind die Aktien immerhin an der Börse Stuttgart handelbar. Dennoch ist es bezeichnend, dass eine der größten wirtschaftlichen Erfolgsstorys des Landes, an der New York Stock Exchange stattfindet, statt an der Deutschen Börse. Der Dax bleibt damit weiter eine Ansammlung gestandener Industriekonzerne. Innovation sucht man in Deutschlands Leitindex im Großen und Ganzen vergebens. Biontech und seinen Anlegern aber dürfte das egal sein.

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