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Technologie > Trumpf und Rüstungsindustrie

Vom Pazifismus zur Rüstung? Trumpf vor strategischer Kehrtwende

Das Familienunternehmen Trumpf könnte erstmals in seiner über 100-jährigen Geschichte Rüstungsgüter entwickeln. Im Fokus steht die Laserdrohnenabwehr.

Trumpf-Hauptsitz in Ditzingen: Das Laserunternehmen erwägt den Einstieg in die Rüstungsindustrie mit Drohnenabwehrtechnologie. (Foto: picture alliance/dpa | Marius Bulling)

Das Ditzinger Laserunternehmen Trumpf steht vor einer wegweisenden Entscheidung. Nach mehr als einem Jahrhundert könnte der Technologiekonzern erstmals in die Entwicklung von Rüstungsgütern einsteigen. Im Mittelpunkt der Überlegungen steht die Entwicklung von Lasern zur Drohnenabwehr – ein Schritt, der nicht nur technologisch, sondern auch ethisch neue Wege für das Familienunternehmen eröffnen würde.

Trumpf vor Zeitenwende: Bricht das Familienunternehmen mit seinem Pazifismus?

Bislang regelt ein Gesellschaftervertrag von 2015, dass sich das christlich geprägte Familienunternehmen nicht an der Waffenproduktion beteiligt. Doch die geopolitischen Veränderungen der letzten Jahre haben offenbar zu einem Umdenken geführt. Peter Leibinger, Aufsichtsratschef und Trumpf-Miteigentümer, deutete bei einer Rede im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz eine "Zeitenwende" an. "Auch wir in der Wirtschaft müssen unseren nötigen Beitrag zu einer wehrhaften Demokratie neu bewerten und damit den Wert der Verteidigungsfähigkeit und der notwendigen Güter innerlich bejahen", sagte Leibinger laut "Handelsblatt".

Die Diskussionen innerhalb des Unternehmens dauern bereits seit Ausbruch des Ukrainekriegs an. "Die Gesellschafter, zu denen auch die dritte Generation der Unternehmerfamilie gehört, und der Vorstand setzen sich derzeit intensiv mit einer verteidigungspolitischen Verantwortung von Trumpf vor dem Hintergrund der veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen auseinander", erklärte ein Unternehmenssprecher.

Die zehn größten Rüstungsunternehmen Deutschlands

Die deutsche Rüstungsindustrie gehört zu den leistungsstärksten weltweit. Sie umfasst Unternehmen, die von Kampfjets über Panzer und Raketen bis zu Kriegsschiffen nahezu alle Kategorien moderner Verteidigungstechnologie abdecken. 

  • Airbus: Der Konzern mit deutscher Beteiligung erwirtschaftete 2023 im militärischen Bereich einen Umsatz von etwa 12,9 Milliarden Dollar mit Flugzeugen, Helikoptern und Dienstleistungen.
  • Diehl: Das Unternehmen produziert Lenkflugkörper und Lenkmunition und erzielte 2023 einen Umsatz von 853,4 Millionen Dollar.
  • Heckler & Koch: Der Handfeuerwaffenhersteller erwirtschaftete 2023 einen Umsatz von 301 Millionen Euro.
  • Hensoldt-Gruppe: Der Spezialist für Radar und optoelektronische Systeme setzte 2023 rund 1,997 Milliarden Dollar um.
  • KNDS: Das Unternehmen, entstanden aus der Fusion von Krauss-Maffei Wegmann und Nexter, machte 2023 einen Umsatz von 3,154 Milliarden Dollar mit Kampfpanzern und anderen Kampffahrzeugen.
  • MBDA: Das europäische Unternehmen mit bedeutenden Standorten in Deutschland erwirtschaftete 2023 einen Umsatz von 2,4 Milliarden Euro mit Lenkflugkörpern.
  • MTU Aero Engines: Das Unternehmen, das unter anderem Triebwerke für Kampfflugzeuge herstellt, kam 2023 im Rüstungsbereich auf einen Umsatz von 581,81 Millionen Dollar.
  • Renk Group: Der Hersteller von Spezialgetrieben für Panzer und Schiffe machte 2023 einen Umsatz von 700,61 Millionen Dollar.
  • Rheinmetall: Das bekannteste deutsche Rüstungsunternehmen erzielte 2023 einen Umsatz von rund 6,145 Milliarden Dollar mit Fahrzeugen, Artillerie und Munition.
  • Thyssenkrupp Marine Systems: Die Rüstungssparte des Stahlherstellers erzielte 2021/22 einen Umsatz von 2,1 Milliarden Euro im Marine-Bereich und Schiffsbau.

Technologische Expertise für Drohnenabwehr - Bedeutung für Deutschland

Trumpf verfügt über umfassende Expertise in der Lasertechnologie, die von der Belichtung modernster Chips bis hin zum automatisierten Schneiden dicker Bleche reicht. Diese Kompetenz könnte nun für die Entwicklung von Lasern zur Drohnenabwehr genutzt werden. Das Unternehmen hat bereits einen Laser getestet, der technisch in der Lage wäre, unbemannte Flugobjekte fluguntauglich zu machen.

Für Deutschland könnte ein solches System eine sicherheitspolitische Lücke schließen, denn der Schutz gegen unautorisierte Drohnen gewinnt zunehmend an Relevanz. Seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine häufen sich Meldungen über unidentifizierte Drohnen über deutschem Hoheitsgebiet. Insbesondere militärische Einrichtungen wie Ausbildungszentren für ukrainische Streitkräfte, der US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein oder sicherheitskritische Infrastrukturen wie das LNG-Terminal in Brunsbüttel und die BASF-Industrieanlagen in Ludwigshafen waren Ziel solcher Überflüge. Allein im Jahr 2023 wurden rund 450 illegale Drohnenbewegungen im unmittelbaren Umfeld von Bundeswehr-Truppenübungsplätzen registriert.

Die bestehenden Abwehrmechanismen erweisen sich als unzureichend. Der Einsatz kinetischer Munition zur Neutralisierung der Drohnen birgt erhebliche Risiken für die zivile Bevölkerung, insbesondere in dicht besiedelten Gebieten. Gleichzeitig haben elektromagnetische Störmethoden bislang nicht die erhoffte Wirkung erzielt, sodass unklar bleibt, wer diese Drohnen operiert und zu welchem Zweck. Laserbasierte Technologien könnten hier eine vielversprechende Alternative darstellen.

Zwei technische Ansätze stehen dabei im Raum: Einerseits könnte ein Hochenergielaser die optischen Sensoren der Drohne blenden, wodurch deren Navigations- und Aufklärungsfähigkeit erheblich eingeschränkt würde. Andererseits wäre eine direkte Zerstörung der Antriebssysteme denkbar, um den unbemannten Flugkörper gezielt zum Absturz zu bringen. Beide Optionen setzen eine leistungsstarke Laserquelle sowie ein hochpräzises Zielerfassungssystem voraus – letzteres erfordert wiederum die Beteiligung eines erfahrenen militärischen Partners.

Sicherheitsexperten prognostizieren, dass sich Laserwaffen als zentraler Bestandteil der künftigen Drohnenabwehr etablieren könnten – nicht zuletzt aufgrund ihrer ökonomischen Vorteile. Im Vergleich zu konventionellen Abwehrmaßnahmen mit physischer Munition, die mit erheblichen Kosten pro Einsatz verbunden sind, entstehen bei der Nutzung eines Lasers nahezu ausschließlich Energiekosten.

Wirtschaftliche Perspektiven und Marktpotenzial

Der Einstieg in die Rüstungsindustrie könnte für Trumpf wirtschaftlich bedeutsam werden. Das Unternehmen spürt aktuell die schwache Konjunktur, insbesondere durch Stornierungen von Kunden aus der Batterie- und Autoindustrie. Im vergangenen Geschäftsjahr sank der Umsatz um 3,6 Prozent auf 5,2 Milliarden Euro, während das operative Ergebnis vor Zinsen (Ebit) um mehr als 100 Millionen Euro auf eine halbe Milliarde zurückging.

Doch Trumpf ist auf eine Kooperation mit einem Rüstungsunternehmen angewiesen, da das Know-how des Unternehmens auf die Lasertechnologie beschränkt ist. Die Einbindung in ein vollständiges Abwehrsystem, das insbesondere eine präzise Zielerfassung umfasst, erfordert die Expertise eines spezialisierten Rüstungsunternehmens.

Diverse Unternehmen aus der Rüstungsindustrie investieren bereits in die Entwicklung entsprechender Technologien. Rheinmetall arbeitet in Kooperation mit MBDA, dem Hersteller des Marschflugkörpers Taurus, an laserbasierten Abwehrsystemen. In den Vereinigten Staaten testen Konzerne wie Raytheon und Lockheed Martin vergleichbare Konzepte. Angesichts der langen Entwicklungszyklen solcher Waffensysteme drängt die Zeit. Mit einer neuen politischen Konstellation nach der kommenden Bundestagswahl könnte das Thema verstärkt an Dynamik gewinnen.

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