VW startet Serienproduktion von Robotaxis: Milliardenmarkt für autonomes Fahren
Autonom, elektrisch, serienreif: VW bringt mit dem ID.Buzz AD das Robotaxi in Fahrt – und eröffnet ein neues Kapitel urbaner Mobilität.

Hamburg – Die Hansestadt wurde am Montag zur Bühne für einen Technologiesprung, der das autonome Fahren in Deutschland aus der Theorie in die Praxis katapultiert: Volkswagen hat mit dem ID.Buzz AD sein erstes vollautonomes Serienfahrzeug vorgestellt – und damit ein deutliches Zeichen gesetzt. Der Startschuss für die Serienproduktion des vollelektrischen Busses ist für Ende 2026 geplant. Damit positioniert sich der Wolfsburger Konzern in einem der dynamischsten Zukunftsmärkte der Mobilitätsbranche – und kommt dabei seinem kalifornischen Rivalen Tesla zuvor.
Während Elon Musk einmal mehr vollmundig die Enthüllung seines Robotaxis für diese Woche ankündigt, liefert Volkswagen bereits Konkretes. Mit dem ID.Buzz AD zeigt der Konzern nicht nur ein serienreifes autonomes Fahrzeug, sondern beweist auch strategische Weitsicht. VW-Chef Oliver Blume sprach bei der Präsentation in Hamburg vom Eintritt in einen „globalen Milliardenmarkt“, in dem sich Volkswagen nun an der „Spitze des Wachstums“ sehe.
Warum autonome Mobilität bald ein Milliardenmarkt sein könnte
Ein Moment, der fast unspektakulär wirkte – und doch ein Meilenstein war: 20 Minuten lang rollte der ID.Buzz AD durch Hamburgs lebendigen Stadtverkehr, vorbei an hupenden Lieferwagen, flirrenden Baustellen und tückisch engen Kreuzungen. Kein menschliches Zucken am Lenkrad. Kein Eingreifen. Nur maschinelle Souveränität im urbanen Chaos. Autonom, sicher, still.
Was zunächst wie ein technischer Fortschritt im Detail wirkt, könnte sich als Ausgangspunkt einer verkehrstechnischen Zeitenwende erweisen. Die Daten sind eindeutig und senden ein klares ökonomisches Signal. McKinsey schätzt das Marktvolumen für autonome Fahrdienste in Europa und den USA derzeit auf unter 100 Millionen Euro. Doch die Wachstumskurve zeigt steil nach oben: Bis 2035 soll dieser Wert auf unglaubliche 450 Milliarden Euro explodieren. Ein Szenario, das nicht nur Tech-Optimisten elektrisiert.
Volkswagen rechnet damit, dass binnen eines Jahrzehnts eine neue Flotte autonomer Sammeltaxis und digitaler Rufdienste unsere Städte prägen wird – von München bis Minneapolis, von Lissabon bis Los Angeles. Was heute noch Pionierfahrt ist, könnte morgen Standardmobilität sein. Und während das Auto der Vergangenheit für Freiheit stand, symbolisiert das autonome Fahrzeug vielleicht etwas noch Größeres: Zeitgewinn, Sicherheit – und eine neue, effizientere Logik urbaner Mobilität.
Wer Hamburgs Straßen kennt, weiß: Wenn ein Fahrzeug es hier ohne menschliche Hilfe schafft, dann ist das nicht nur PR, sondern ein ernstzunehmender Beweis technologischer Reife. Und wer heute schon investiert, sitzt vielleicht schon morgen nicht mehr am Steuer – sondern an der Spitze eines neuen Milliardenmarkts.
Volkswagen vollzieht Kehrtwende: Autonom, aber nicht allein – keine Tesla-Kopie, sondern Plattform für Mobilitätspartner
Während Tesla mit Vehemenz daran arbeitet, seine Robo-Taxis eigenständig auf die Straße zu bringen, schlägt Volkswagen einen anderen, bemerkenswert nüchternen Kurs ein. Statt selbst als Betreiber autonomer Fahrdienste aufzutreten, positioniert sich der Konzern als technischer Ermöglicher – und öffnet das Tor zu einem Ökosystem, das weit über das bloße Fahrzeug hinausreicht.
Im Zentrum steht eine umfassende Plattformlösung, maßgeschneidert für Flottenbetreiber wie Uber oder städtische Verkehrsunternehmen. Neben autonom fahrenden Fahrzeugen liefert VW künftig auch die digitale Infrastruktur: KI-gesteuerte Flottensteuerung in Echtzeit, nahtlos integrierte Buchungssysteme, intelligente Routenoptimierung – kurz: ein digital vernetzter Baukasten für die urbane Mobilität von morgen.
Diese strategische Neuausrichtung markiert einen Paradigmenwechsel. Volkswagen, traditionell geprägt vom Fahrzeugbau, rückt erstmals eine datengetriebene Dienstleistung in den Mittelpunkt eines Geschäftsfeldes – ein leiser, aber substanzieller Abschied vom Traum, selbst als Mobilitätsanbieter im großen Stil aufzutreten.
Die ersten Früchte dieser Strategie sind bereits sichtbar. In den kommenden zehn Jahren wird VW im Rahmen einer großangelegten Partnerschaft mehrere Tausend autonom fahrende Fahrzeuge an Uber liefern – allein 10.000 Stück für den US-amerikanischen Markt. Der Schulterschluss mit dem Tech-Giganten ist mehr als ein reiner Lieferdeal: Er ist ein Signal an die Branche, dass Wolfsburg bereit ist, den Wettbewerb um die Zukunft der Mobilität nicht durch Konfrontation, sondern durch Kollaboration zu gestalten.
Wirtschaftliche Perspektiven
Finanziell ist der Einstieg in das Robotaxi-Geschäft für VW ein Kraftakt. In Konzernkreisen heißt es, bislang sei ein niedriger einstelliger Milliardenbetrag in Entwicklung und Aufbau geflossen. Dazu kommen die 2,6 Milliarden Dollar, die VW 2019 in die gescheiterte Ford-Tochter Argo AI investiert hatte.
Trotz der hohen Investitionen erwartet VW-Manager Christian Senger, Chef der VW-Einheit für autonome Mobilität, Margen "deutlich im zweistelligen Bereich". Zum Vergleich: Im klassischen Autogeschäft kämpft der Konzern derzeit mit dem Ziel von sechs bis acht Prozent Rendite.
Das Werbeargument von VW an Kunden wie Uber: Mit autonomen Fahrzeugen können die Betriebskosten deutlich gesenkt werden, da der größte Kostenfaktor – der Fahrer – wegfällt. Allein im letzten Quartal belief sich die Summe der Fahrervergütungen laut Uber auf rund 20 Milliarden Dollar, bei einem Gesamtumsatz des Unternehmens von 44 Milliarden Dollar im Jahr 2024.
Robotaxis: Das globale Rennen um die autonome Vorherrschaft
Die Zukunft des städtischen Verkehrs entscheidet sich nicht auf dem Asphalt – sondern in Rechenzentren, Labors und auf milliardenschweren Strategiepapieren der Tech-Industrie. Im Wettlauf um autonome Mobilität ist der Markt für Robotaxis längst zu einem geopolitischen Spielfeld geworden. Und mittendrin: ein amerikanischer Riese mit einem fast uneinholbaren Vorsprung.
Waymo, der stille Titan unter den Google-Töchtern, gilt nicht nur als Pionier des autonomen Fahrens, sondern hat sich über Jahre hinweg zur Speerspitze des Fortschritts manövriert. Elf Milliarden Dollar an Investorengeldern sprechen eine deutliche Sprache – und markieren die Ernsthaftigkeit, mit der Alphabet seine Vision vom selbstfahrenden Auto verfolgt.
Doch während Waymo im Westen Fahrt aufnimmt, formiert sich im Osten eine neue Generation technologischer Herausforderer. China hat die Robotaxi-Revolution zur Chefsache erklärt. Mit Pony.AI, WeRide und Baidu – letzteres das asiatische Äquivalent zu Google – drängen gleich mehrere Schwergewichte in Richtung Europa. Nicht mit leisen Schritten, sondern mit dem Selbstbewusstsein strategischer Langlebigkeit und einem festen Blick auf internationale Marktanteile.
Europa hingegen? Hinkt hinterher – strukturell, technologisch, mental. Die Zurückhaltung der hiesigen Autobauer, allen voran Volkswagen, entspringt weniger einem Mangel an Kompetenz als vielmehr einem anderen Zugang zur Innovation: Sicherheit vor Schnelligkeit, Vorsicht statt Wagnis. Was im Labor löblich klingt, wird im Wettbewerb zur Hypothek. Denn während in Kalifornien und Shenzhen Testflotten längst in Echtzeit Daten sammeln, wird in Wolfsburg und Stuttgart noch über Normen und Regularien debattiert.
Das mag europäisch korrekt sein – aber disruptiv ist es nicht.
Autonomes Fahren
Die Vision selbstfahrender Fahrzeuge reicht weiter zurück als viele vermuten.
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Frühe Vision: Schon 1925 fuhr ein ferngesteuertes Auto durch New York – ein PR-Stunt, aber der Anfang einer großen Idee.
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Akademischer Ursprung: In den 1980ern legte die Carnegie Mellon University mit dem Navlab-Projekt das Fundament heutiger Autonomietechnik.
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Meilenstein 2005: Das Stanford-Team gewann die DARPA Grand Challenge – der Durchbruch für KI-gesteuerte Fahrzeuge.
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