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Technologie > Firmenporträt H2Core

Wasserstoff für die Welt

Während viele noch reden, liefert H2Core aus Heide bereits Anlagen für die Industrie. Das Unternehmen startete in der Pandemie – aus Sicht des Chefs ein Vorteil.

Ulf Jörgensen
Handliche Anlagen: H2Core-Chef Ulf Jörgensen mit einem Bild der kleinsten Elektrolyseur-Brennstoffzellen-Anlage seines Unternehmens.Bild: © H2Core

Manchmal sind es die eher leisen Menschen, die richtig etwas bewegen. Ulf Jörgensen wirkt jedenfalls nicht wie jemand, der im Scheinwerferlicht einer Start-up-Party in München oder Berlin Wagniskapitalgeber binnen eineinhalb Minuten von seiner superheißen Idee überzeugen will. Jörgensen sitzt in Heide, Schleswig-Holstein, ist Elektrotechniker, Automatisierungsexperte und schickt sich gerade mit seinem Unternehmen H2Core an, die Welt sehr durchdacht mit Wasserstoffanlagen zu versorgen.

Die Geschichte der Firma ist auch ein Lehrstück dafür, wie sich vermeintliche Nachteile als Vorteile entpuppen und eine klare Linie in der Nische zum Erfolg führen kann. Jörgensen arbeitet im Familienbetrieb TC-Hydraulik, der hydraulische Anlagen herstellt, mit denen zum Beispiel Flugzeugbauteile oder Schiffe angehoben werden können. Dabei wird mit Flüssigkeiten und Gasen unter Druck gearbeitet.

Über die Firma Enapter, die Elektrolyseure herstellt und ein Pionier auf dem Gebiet ist, kam Jörgensen mit dem Thema Wasserstoff in Kontakt – für viele Energieexperten ein Energieträger der Zukunft. „Das ist auch nur ein Gas“, sagt er, „wenn auch mit ein paar besonderen Anforderungen.“ Aber nichts, was sich nicht beherrschen ließe. Und während viele Experten über die Bedeutung von Wasserstoff redeten, tüftelten Jörgensen und ein paar Kollegen an einem handlichen Energiesystem, das modular aufgebaut ist und sich fast beliebig vergrößern lässt.

Die Anlagen bestehen aus einem Elektrolyseur, der mittels Strom Wasserstoff aus Wasser erzeugt, einem Tank, in dem das Gas gespeichert werden kann, bei Bedarf einem Trockner, der die Reinheit des Wasserstoffs erhöht, und auf Wunsch auch einer Brennstoffzelle, die das Gas wieder in Strom verwandelt. „Die Komponenten gibt es alle am Markt, aber keiner baut sie standardisiert zusammen“, sagt Jörgensen. Üblicherweise entwickeln Ingenieurbüros Wasserstoffanlagen für einen bestimmten Zweck. Gebaut werden dann jeweils Unikate.

„Wir müssen nicht jede Anlage neu erfinden“, sagt der H2Core-Chef. Das Standardprodukt des Unternehmens ist ein klassischer Serverschrank aus der Computerindustrie mit 19 Zoll Breite. Dort werden die Bauelemente hineingeschoben. Die gesamte Einheit hat eine Leistung von 2,4 Kilowatt. „Haushaltsgröße“ nennt das Jörgensen, weil sie für ein kleines Haus reicht. Wird mehr Energie benötigt, werden eben zwei oder mehr Schränke aufgestellt. Die Anlage lasse sich auch nach Jahren noch erweitern, sagt Jörgensen.

2019 gründeten sie die Firma aus dem ­Hydraulik-Familienunternehmen aus. Dann brach Corona aus. „Das war für uns eine Herausforderung und Chance zugleich“, sagt Jörgensen. „Wir sind gezwungenermaßen mit einem Online­angebot durchgestartet, waren gleich international.“ Die erste Anlage ging nach Südkorea, die zweite nach Frankreich, die dritte nach Dänemark. Vor Corona habe da immer jemand hinfahren müssen, sagt der Firmenchef. Inzwischen stehen mehr als 200 Anlagen in mehr als 40 Ländern.

Möglich ist das, weil H2Core von Anfang an auf Partnerschaften in den jeweiligen Ländern setzt. „Wir kennen die Regularien in den USA oder Brasilien nur zum Teil. Da wissen die Firmen vor Ort besser Bescheid als wir aus der Ferne“, sagt ­Jörgensen. H2Core liefere die Anlage, die Partner stellen sie auf. „Anschließen, QR-Code scannen, Knopf drücken, fertig“, sagt er. Das Energiemanagementsystem habe offene Softwareschnittstellen, sei somit überall einsetzbar. Gewartet wird aus der Ferne. Oder über die Partner vor Ort.

Strom für Mobilfunkmasten

Im Unternehmen selbst arbeiten derzeit rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Ende des Jahres sollen es bereits 80 sein. Die eigene Fertigung schafft etwa 500 Anlagen im Jahr – genug Raum für Wachstum. Das sieht Jörgensen vor allem international. „In Europa gibt es praktisch überall zuverlässig Strom, im Rest der Welt dagegen fällt jeden Tag über mehrere Stunden hinweg Strom aus.“ Kühlhäuser etwa müssten aber durchlaufen. Und in vielen abgelegenen Gegenden oder auf Inseln seien Dieselgeneratoren nötig, um Strom zu erzeugen. Die ließen sich mit den Anlagen von H2Core und etwa Solaranlagen ersetzen. In Südafrika testet ein Mobilfunkunternehmen gerade, ob sich die Sendemasten mit den Produkten aus Heide autark versorgen lassen. Das Geschäftspotenzial, so scheint es, ist fast unendlich. Hauptsache, es gibt Strom aus erneuerbaren Energien.

Neben den kleinen Anlagen können die Heider auch groß. Dem Steinbeis Innovationszentrum in Braunschweig hat das Unternehmen gerade eine Anlage mit einem Megawatt Leistung geliefert. Auf Großindustrieniveau im dreistelligen Megawattbereich wollen sich die Heider allerdings nicht bewegen. Riesenanlagen für ganze Fabriken, etwa in der Stahlindustrie, brauchten viel Kapital. Von Planung bis Fertigstellung dauere es auch schon mal mehr als zehn Jahre. Zeit, in der kein Geld verdient werde, sagt Jörgensen. Standardisieren lässt sich in den Dimensionen auch nicht viel. Deshalb setzt H2Core auf die kleineren Anlagen, die zweistellige Megawatt-Leistung bringen können. „Wir waren von Anfang an profitabel“, verrät der Firmenchef. „Bei uns dauert es wenige Wochen von der Bestellung bis zum Anschluss.“ Die Masse machtʼs.

Von dem Konzept sind auch einige Investoren begeistert. Enapter als wichtigster Lieferant hält rund 30 Prozent der Anteile, dazu gibt es weitere Finanziers, etwa Bluegreen aus Hongkong. Jetzt können sich auch klassische Anleger beteiligen. Kürzlich ging H2Core an die Börse. Das Unternehmen fusionierte mit einem leeren, notierten Firmenmantel und ist jetzt in Frankfurt notiert.

Bleibt eine letzte Frage: Warum Heide? „Hier sitzt unser Familienunternehmen“, sagt Jörgensen. „Und wir wohnen hier.“ Außerdem entwickele sich die Region gerade zu einer Art Wasserstoff-Hotspot. Es gebe Kavernen, die sich als Speicher eigneten, und Pipelines. „Und wir haben sehr viele Windräder, die derzeit abgeschaltet werden, wenn die Strommenge das Netz überfordert“, sagt Jörgensen. „Die könnten dank Umwandlung in Wasserstoff durchlaufen, der Strom genutzt werden.“ Zum Beispiel, um Wasserstoff zu erzeugen, der dann in Zeiten der Flaute Strom liefert.

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